Spitzenkandidat Othmar Karas und Bundeskanzler Sebastian Kurz
APA/Lukas Huter
EU-Wahl

ÖVP siegt mit Rekordvorsprung

Die ÖVP hat die EU-Wahl in Österreich mit einem Rekordergebnis klar für sich entschieden. Sie gewann laut Endergebnis plus Briefwahlprognose 34,9 Prozent der Stimmen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nannte das Ergebnis „fulminant“, dennoch blieb noch unklar, ob ihn das vor einer Abwahl am Montag bewahrt. Die SPÖ konnte den „Ibiza-Skandal“ nicht für sich nutzen und verlor leicht. Auch die FPÖ verlor, ohne groß abzustürzen. Grund zum Feiern hatten die Grünen.

Das kurz nach 23.00 Uhr präsentierte Endergebnis mit Briefwahlprognose deckt sich im Wesentlichen mit der um 17.00 veröffentlichten Trendprognose, für die ORF, APA und ATV sowie die Wahlforscher/-innen von SORA, ARGE Wahlen und Peter Hajek erstmals kooperiert haben.

Mit einem Plus von 7,9 Prozentpunkten gelang der ÖVP ein klarer Wahlerfolg. Mit Rekordabstand dahinter lag die SPÖ mit 23,4 Prozent, das entspricht einem Verlust von 0,7 Prozentpunkten. Die Sozialdemokraten konnten damit den „Ibiza-Skandal“ nicht für sich nutzen. Die FPÖ kam auf 17,2 Prozent – und verlor damit 2,5 Prozentpunkte.

Comeback der Grünen

Die Grünen kamen auf 14,0 Prozent, das ist zwar ein Verlust von 0,6 Prozentpunkten – aber eine der größten Überraschungen des Wahlabends. NEOS blieb im Vergleich zur letzten EU-Wahl fast stabil bei 8,7 Prozent, die Partei gewann 0,6 Prozentpunkte dazu. Die Initiative 1 Europa von Johannes Voggenhuber schaffte mit 1,1 Prozent den Einzug ins EU-Parlament nicht, ebenso die KPÖ Plus mit 0,8 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 59,3 Prozent und stieg damit stark.

Trendprognose EU Wahl
ORF/SORA

Mit dem Wahlsieg kommt die ÖVP auf sieben Mandate, zwei mehr als bisher. Die SPÖ hat weiter fünf Sitze, die FPÖ verliert einen und kommt auf drei. Die Grünen verlieren einen Sitz – den sie allerdings bei einem Vollzug des Brexits wieder erhalten würden. NEOS hält ein Mandat.

Mandate Trendprognose EU Wahl
SORA/ARGE Wahlen/Hajek im Auftrag von ORF/APA/ATV

Großes Fischen im Nichtwählerpool

Bei der Wählerstromanalyse zeigen sich die größten Bewegungen bei der Mobilisierung früherer Nichtwähler. Die ÖVP konnte 397.000 Menschen für sich gewinnen, die der EU-Wahl 2014 ferngeblieben waren. 225.000 frühere Nichtwähler gewann auch die SPÖ, 174.000 die FPÖ und 148.000 die Grünen. Zwischen den Parteien fand der größte Wechsel von der FPÖ zur ÖVP statt – 105.000 Wähler wechselten ins Volkspartei-Lager. Die ÖVP gewann auch 52.000 ehemalige NEOS-Wähler. 59.000 Wähler wanderten von den Grünen zu NEOS.

Für Kurz „fulminantes“ Ergebnis

Kurz bezeichnete das ÖVP-Ergebnis als „fulminant“. „Es ist das historisch beste Wahlergebnis, das jemals bei einer Europawahl in Österreich erzielt worden ist“, rief Kurz dem im neuerlich einsetzenden Regen wartenden ÖVP-Tross von der vor der Parteizentrale aufgebauten Bühne zu: „Mir fehlen nicht oft die Worte, aber heute bin ich fast sprachlos.“

Das Ergebnis der Wahl auf Bezirksebene

Kurz sah in dem Votum eine „Stärkung der Mitte“. Zudem wertete er es als starkes Zeichen, dass die Wahlbeteiligung gestiegen ist. Man werde für EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber voraussichtlich sieben Mandate „liefern“, hob Kurz hervor.

Kurz jubelt

Kanzler Kurz freute sich auch darüber, dass einen solch großen Abstand zum Zweitplatzierten noch bei keiner Europawahl gegeben hat.

„Was auch immer morgen passieren wird“, meinte er hinsichtlich des drohenden Misstrauensvotums gegen ihn in der Sondersitzung des Nationalrates: „Wir trotzen nicht nur dem Regen, wir trotzen allem anderen, was kommen wird“, so Kurz: „Wir sind gestärkt.“

Generalsekretär Karl Nehammer sah schon in einer ersten Reaktion ein „starkes Vertrauensvotum für Kanzler Sebastian Kurz, der für Stabilität und Handlungsfähigkeit“ stehe. Nehammer spielte auf das bevorstehende Misstrauensvotum gegen Kurz im Nationalrat an. Er sprach in einer ersten Reaktion von einem „guten Tag für Österreich und Europa“.

Bundeskanzler Kurz und ÖVP-Spitzenpolitiker
APA/Georg Hochmuth
Kurz wurde bei der ÖVP mit Sprechchören empfangen

ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas sieht im Wahlsieg seiner Partei einen gemeinsamen Erfolg mit Kanzler Kurz. Dieser habe „den letzten Schub noch gebracht“, sagte Karas am Sonntag im ORF. „Niemand soll glauben, dass er alleine eine Wahl gewinnen kann.“ Es sei ein „Sieg für Anstand, Geradlinigkeit, Stabilität und Glaubwürdigkeit“.

Karoline Edtstadler zeigte sich vom Ergebnis „überwältigt“. Auch sie sieht Kurz gestärkt: „Das ist eine klare Bestätigung für den Kurs in Österreich, den wir nun auf europäischer Ebene fortsetzen wollen“, meinte sie.

Schieder will „dem Herzen folgen“

Eher Katerstimmung gab es bei der SPÖ: Die Partei sei für Platz eins „noch nicht so weit", man werde daran aber weiterarbeiten, so SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder. Wichtig sei,"dass wir nicht taktieren, sondern einfach unserem Herzen folgen“, meinte er bezüglich der Haltung zur ÖVP.

Schieder mit seiner ersten Reaktion

Schieder will „dorthin gehen, wo wir spüren, dass die Menschen das von uns erwarten“. Im Übrigen gehe es ausschließlich um die Inhalte, „nicht um einzelne Kandidaten“.

Dass der EU-Wahlkampf in der letzten Wochen ausschließlich innenpolitisch überschattet gewesen sei, schrieb er nicht nur der FPÖ, sondern auch dem Bundeskanzler zu. Der „lupenreine Egoist“ Kurz sei „gescheitert an sich selbst, und das wird die Antwort auch am Montag sein“. Es sei „Zeit für einen politischen Neuanfang“, meinte er unter dem Jubel der Anwesenden, ohne die kommende Misstrauensabstimmung im Nationalrat explizit zu erwähnen. Man wolle „dorthin gehen, wo wir spüren, dass die Menschen das von uns erwarten“.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nutzte ihren Auftritt im Festzelt ihrer Partei zur Mobilisierung für die bevorstehende Nationalratswahl. Als ihren Gegner identifizierte sie dabei Bundeskanzler Kurz. „Dieses Land darf nicht Spielball einer einzigen Person werden“, rief sie ihren Unterstützern zu. „Diese Wahl ist vorbei, und wir stehen ab morgen vor der nächsten Wahlauseinandersetzung“, sagte die SPÖ-Chefin.

SPÖ „nicht zufrieden“

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda zeigte sich mit dem sich abzeichnenden Ergebnis „selbstverständlich nicht zufrieden“. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil sah für die Sozialdemokratie „eine klare Wahlniederlage“. Das hänge damit zusammen, dass man zwei Aspekte nicht realisiert habe: Einer ersten Analyse zufolge habe man nicht mobilisieren können, "wenngleich die Wahlbeteiligung gestiegen ist.

Die ÖVP hat hier besser mobilisiert, keine Frage." „Ein zweiter Aspekt ist sicher jener, dass wir ganz einfach keinen Wähleraustausch zustande bringen zwischen Freiheitlicher Partei und Sozialdemokratie“, sagte Doskozil in Eisenstadt. „Dieses Ergebnis bundesweit ist mit Sicherheit kein Ruhmesblatt für die Sozialdemokratie.“

Vilimsky will „Wählerrückholaktion“ starten

Die FPÖ zeigte sich nach nur leichten Verlusten mehr als zufrieden. „Das zeigt, wie hoch unser Stammwählerpotenzial ist“, sagte Spitzenkandidat und Generalsekretär Harald Vilimsky. Er sah in einer ersten Reaktion gegenüber dem ORF keinen Grund, das Misstrauensvotum gegen Kurz wegen des sehr starken ÖVP-Ergebnisses abzusagen. In einem späteren Interview relativierte er das.

Vilimsky will Wähler zurückholen

Vilimsky ist zufrieden mit dem FPÖ-Ergebnis

Das werde im Parlamentsklub am Montag besprochen, Kurz habe aber schon zwei Regierungen gesprengt. „Er steht nicht für Stabilität, und wenn Sie mich fragen, verdient er kein Vertrauen.“ Allerdings: Man werde am Montag bei den Beratungen im Klub auch „andere Aspekte mit einflechten“, sagte Vilimsky vor Journalisten im Haus der EU.

Für Vilimsky ist die FPÖ „stabil geblieben, wir haben die Mandate gehalten“. „Jetzt beginnt die größte Wählerrückholaktion.“ Die „Ibiza-Affäre“ habe „Schaden verursacht, keine Frage, aber wir holen uns ungeachtet dessen die Wähler zurück“.

Freudentaumel bei den Grünen

Jubel herrschte bei den Grünen: Lautstark gefeiert wurde das grüne Spitzenduo Kogler und Sarah Wiener bei der grünen Wahlparty im Metropol. „Wir werden auf diesem Weg weiterarbeiten: zurück zu den Grünen!“, wiederholte Kogler sein Wahlkampfmotto unter großem Jubel über das zweistellige Ergebnis.

Kogler überwältigt

Vom zweistelligen Ergebnis mit möglichem drittem Mandat zeigte sich Kogler „nicht nur überrascht, sondern überwältigt“.

Die Grünen seien „immer stärker auch eine Bewegung und nicht nur eine Partei“. „Hinfallen, aufstehen, weitermarschieren“ gab Kogler auch mit Blick auf den Herbst und die anstehende Nationalratswahl als Parole aus. „Es geht darum, in diesem Land neue Mehrheiten möglich zu machen.“ Nämlich „jenseits von korruptionsanfälligen Rasselbanden“, so Kogler.

NEOS zufrieden

NEOS-Spitzenkandidatin Claudia Gamon zeigte sich sehr zufrieden: „Ich freue mich wirklich darüber“, auch wenn es natürlich schade sei, dass man das zweite Mandat nicht geschafft habe. „Ich kann nicht behaupten, dass es nicht schade ist, dass wir nicht zu zweit einziehen“, sagte Gamon. Kommentatoren hätten im Vorfeld prophezeit, dass NEOS für die Forderung nach den „Vereinigten Staaten von Europa“ abgestraft werde.

Gamon zum Wahlergebnis

Gamon sagte, NEOS habe gezeigt, dass es für seine Überzeugungen einstehe. „Ich freue mich, dass es für unser Herzensanliegen, die ‚Vereinigten Staaten von Europa‘, ein klares Zeichen gibt“, meinte sie.

„Ich glaube, das ist ein großartiges Ergebnis, wenn wir so liegen wie beim letzten Mal“, sagte der stellvertretende Klubobmann Nikolaus Scherak. Wenn man die letzte Nationalratswahl als Referenz nehme, handle es sich sogar um einen Zuwachs um etwa drei Prozentpunkte, sagte Scherak. Dass sich das zweite Mandat nicht ausgeht, sei natürlich schade. „Man wünscht sich immer mehr Mandate“, sagte er, acht Prozent seien aber ein sehr gutes Ergebnis.

Voggenhuber gratuliert den Grünen

Johannes Voggenhuber, Spitzenkandidat der Initiative 1 Europa, zeigte sich vor allem darüber enttäuscht, dass das „Ibiza-Video“ keine tiefgehendere politische Veränderung ausgelöst habe. Das Abschneiden seiner Initiative analysierte er nüchtern. „Ich wusste, dass das Projekt mit hohem Risiko behaftet ist“, sagte Voggenhuber.

Runde der Spitzenkandidaten

Die Spitzenkandidaten mit ihren ersten Reaktionen auf das Ergebnis.

Durch das „Ibiza-Video“ sei die „Formierung der Innenpolitik“ bei der EU-Wahl in den Vordergrund gerückt, damit habe sich die Ausgangssituation völlig verändert. Das Ergebnis zeige jedenfalls, dass das Video „nur bei den Linken“ für Aufregung sorge. Den Grünen gratulierte Voggenhuber zu ihrem guten Abschneiden. Er selbst will nun politisch – zumindest vorerst – keine neue Funktion übernehmen.