SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
APA/Robert Jaeger
SPÖ legt sich fest

Misstrauensvotum gegen ganze Regierung

Das SPÖ-Präsidium hat sich Sonntagnacht nach langem Ringen im Schatten eines mageren Ergebnisses bei der EU-Wahl festgelegt: Sie will einen eigenen Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung im Parlament einbringen. Damit kommt neue Bewegung in die Parlamentssitzung am Montag, für die schon ein Antrag der Liste JETZT vorliegt. Diese will nur Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu Fall bringen.

Die Sozialdemokraten wollen nach Angaben von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner einen eigenen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung von Kurz einbringen. Das bestätigte Rendi-Wagner am Sonntag nach 23.00 Uhr auch gegenüber dem ORF. Die SPÖ brauchte mehrere Stunden, diesen Entschluss zu fassen. Dem Vernehmen nach war vor allem der Druck der Basis und der Funktionäre in der Partei sehr hoch, dass man auch nach dem enttäuschenden Abschneiden in der EU-Wahl beim Misstrauensvotum bleibt.

Als Grund für den Misstrauensantrag nannte Rendi-Wagner den Umstand, dass Kurz seiner Verantwortung nicht nachgekommen sei, eine stabile Übergangslösung mit einer Mehrheit im Parlament zu suchen. Das sei ein „Versäumnis, das hat es in der Geschichte der Zweiten Republik so noch nicht gegeben. Dieser Fehler darf nicht wieder begangen werden, es braucht eine stabile Lösung bis zur Neuwahl.“

Der Kanzler habe „aus dieser Regierungskrise einen Sebastian-Kurz-Wahlkampf gemacht“, so die SPÖ-Chefin, die das schlechte Abschneiden der SPÖ bei der EU-Wahl nicht in Verbindung mit dem Misstrauensantrag bringen wollte, in der ZIB2 Spezial.

Rendi-Wagner begründet Parteibeschluss

Gegenüber der Zeit im Bild und Armin Wolf verteidigte SPÖ-Chefin Rendi-Wagner den Beschluss der Partei, einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung einzubringen.

Was macht die FPÖ?

Wie sich die FPÖ verhalten wird, war Sonntagnacht noch offen. Der designierte FPÖ-Parteichef Norbert Hofer kündigte jedenfalls eine eigenständige Entscheidung des FPÖ-Parlamentsklubs am Abend in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ an. Er rechnete schon am Abend mit einem SPÖ-Antrag, zu dem sich die SPÖ auch nach langen Debatten geeinigt hat. Ob die FPÖ diesem zustimmen werde, ließ Hofer offen. Er habe „eine klare Tendenz“, wolle aber den Verhandlungen im Parlamentsklub nicht vorgreifen.

„Im Zentrum Spezial“ zur EU-Wahl

Claudia Reiterer diskutierte mit Gernot Blümel (Kanzleramtsminister, ÖVP), Jörg Leichtfried (stv. Klubobmann, SPÖ), Norbert Hofer (designierter Parteiobmann, FPÖ), Beate Meinl-Reisinger (NEOS-Vorsitzende), Peter Pilz (stv. Chef der Liste JETZT) und Werner Kogler (Chef der Grünen) über die Konsequenzen der EU-Wahl.

Offene Formalfragen

Wie die Abstimmung am Montag formal ablaufen könnte, war bis zuletzt Gegenstand taktischer Überlegungen. Die Liste JETZT legte sich jedenfalls auf ihren bereits eingebrachten Antrag fest. Dieser richtet sich gegen den Bundeskanzler, nicht gegen die gesamte Regierung. Peter Pilz (JETZT) appellierte an die SPÖ, keinen Antrag gegen die gesamte Regierung einzubringen, weil sich dieser auch gegen den neuen Innenminister Eckart Ratz richten würde, der für die Untersuchungen der laufenden Causen „höchst geeignet“ sei.

Seit Sonntag ist nun klar, dass die SPÖ einen eigenen Antrag gegen die ganze Regierung einbringen wird. Spekulationen dazu besagten zuletzt, dass die Freiheitlichen eher einen Antrag gegen die gesamte Regierung unterstützen würden – weil man auf Außenministerin Karin Kneissl nicht gut zu sprechen sei, die man als Parteifreie wohl in die Regierung gebracht hatte, die sich aber geweigert hat, mit den FPÖ-Kollegen das Kabinett Kurz zu verlassen. Als Option steht auch der Antrag auf eine geheime Misstrauensabstimmung im Raum, der aber wiederum von der ÖVP ausgehebelt werden könnte.

Keine Abwahlstimmung in der Bevölkerung

Betrachtet man den Ausgang der Wahl, die ORF-Wahltagsbefragung und eine zuletzt in den Medien zitierte Umfrage des Instituts market, dann ist der Sturz des Kanzlers nicht populär. Bzw. hat der „Ibiza-Skandal“ bei der nun geschlagenen EU-Wahl nicht die Rolle gespielt, die manche erwartet haben. Kurz geht gestärkt aus dem Sonntag an der Urne hervor. Selbst ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas betonte ja in der ORF-Runde der Spitzenkandidaten, dass das Krisenmanagement des Kanzlers im Finale des Wahlkampfs die entscheidenden Prozente gebracht habe. Nur 32 Prozent wollen laut market-Umfrage, die der „Standard“ am Samstag zitierte, einen Sturz des Kanzlers, 52 Prozent wollen laut dieser Umfrage (Sample: 800 Befragte), dass die Übergangsregierung unter Kurz weitermacht.

Laut der Wahltagsbefragung im Auftrag des ORF hat die Regierungskrise bei 74 Prozent der Wählerinnen und Wähler keine Rolle gespielt, von jenen, die bei der EU-Wahl ÖVP wählen wollten, sagten laut dieser Befragung 87 Prozent, dass die Krise der Regierung für die Wahlentscheidung keine Rolle gespielt habe.

Kurz und die Argumente zu einem möglichen Votum

Der Bundeskanzler hatte sich am Wochenende gegenüber einigen Zeitungen festgelegt. Er rechne fix mit einer „Koalition“ aus Rendi-Wagner und dem ehemaligen Innenminister Herbert Kickl, so Kurz etwa in der „Kronen Zeitung“. Den Vorwurf, dass es „Koalitionen“ gebe, wies der SPÖ-Abgeordnete Jörg Leichtfried ebenso zurück wie später Parteichefin Rendi-Wagner. Sie warf Kurz vor, in den letzten zwei Jahren zwei Regierungen eigenmächtig gesprengt zu haben.