FPÖ-Plakat zur EU-Wahl 2019 zeigt H.C. Strache
ORF.at/Roland Winkler
Zehntausende Vorzugsstimmen

Strache hat Anspruch auf EU-Mandat

Der abgetretene Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hat dank der Vorzugsstimmen Anspruch auf ein Mandat im EU-Parlament. Der über den „Ibiza-Skandal“ gestolperte Ex-FPÖ-Chef kandidierte auf dem letzten Listenplatz der Partei. Mit Stand Montagabend waren bereits über 37.000 Vorzugsstimmen für ihn ausgezählt. Für ein Direktmandat reichen rund 33.000.

Wer mehr als fünf Prozent der Wählerinnen und Wähler seiner Partei zu einer Vorzugsstimme motivieren kann, wird auf der Kandidatenliste vorgereiht. Strache war auf dem 42. Listenplatz der FPÖ angetreten – eine nicht unübliche Solidaritätskandidatur, die er wegen des knappen Fristenlaufs nach seinem Rücktritt nicht mehr rückgängig machen konnte. Endgültig vorliegen wird das offizielle Vorzugsstimmenergebnis für die EU-Wahl erst am Dienstag oder Mittwoch.

Offiziell war Montagabend nicht bekannt, ob Strache sein Vorzugsstimmenmandat annehmen wird. Auf Straches privater Facebook-Seite tauchte laut Meldungen allerdings ein Posting auf, dass er sich „demokratiepolitisch verpflichtet“ fühle, EU-Abgeordneter zu werden. Kurze Zeit später war das Posting wieder gelöscht. Allerdings existiert ein Screenshot, der von Vorarlberg Online veröffentlicht wurde.

Rosenkranz: „Er weiß, was zu tun ist“

FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz schloss die Rückkehr Straches als EU-Mandatar nicht komplett aus. Das sei „seine persönliche Entscheidung“, sagte Rosenkranz im ZIB2-Interview, und fügte hinzu: „Er weiß, was er zu tun hat.“ Strache wolle die Partei nicht schädigen, so Rosenkranz weiter.

Auf die Frage, ob Strache dann Teil der freiheitlichen Delegation im EU-Parlament sein könnte, sagte der FPÖ-Klubchef, dass er das nicht beantworten könne. Ausschließen wollte es Rosenkranz jedenfalls nicht. Ein Parteiausschluss sei Sache des Parteigerichts. Zu bedenken sei, dass das Verhalten des ehemaligen Obmanns nicht in der Öffentlichkeit passiert sei, sondern dem eine „kriminelle Aktion“ vorangegangen sei.

Der oberösterreichische FPÖ-Chef und Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner will die Entscheidung Strache überlassen, sagte er vor dem Auftauchen des Postings. Er bleibe zwar bei seinem Standpunkt, dass er keine FPÖ-Funktion mehr bekommen sollte, aber bei einem direktdemokratisch erworbenen Mandat müsse das derjenige entscheiden, der es erhalten hat. Auch der designierte Bundesparteiobmann der FPÖ, Norbert Hofer, erklärte, es werde Gespräche geben.

Gamon fordert Strache zu Mandatsverzicht auf

Die künftige NEOS-EU-Abgeordnete Claudia Gamon, die laut Zahlen vom Montag in Vorarlberg die meisten Vorzugssstimmen erhalten hat, forderte Strache zum Verzicht seines dank Vorzugsstimmen erkämpften Mandats auf. „Jemand, der unter Korruptionsverdacht steht, hat in der Politik nichts verloren“, so Gamon.

Strache habe im „Ibiza-Video“ „unmissverständlich bewiesen, dass er für jedes politisches Amt völlig ungeeignet ist“. Er sei bereits von all seinen Funktionen zurückgetreten. „Im Sinne des Anstands muss er auch auf das Mandat im Europäischen Parlament verzichten. Alles andere wäre auch eine Blamage für das Ansehen Österreichs bei unseren europäischen Freundinnen und Freunden“, so Gamon.

Auch ÖVP-Vorzugsstimmen bringen Überraschungen

Bei der ÖVP entscheidet diesmal ausschließlich das Vorzugsstimmenergebnis über die Vergabe der Mandate im EU-Parlament – und hier zeichnen sich nach ersten Informationen aus den Ländern gleich mehrere Überraschungen ab. So ist Ex-ORF-Star Wolfram Pirchner gescheitert, dafür haben zwei weiter hinten Gereihte den Einzug geschafft. Um den ersten Platz rittern drei Frauen.

Angelika Winzig
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Unternehmerin und Nationalratsabgeordnete Angelika Winzig liegt derzeit bei den ÖVP-Vorzugsstimmen vorne

Die ÖVP wollte am Montag noch keine Zahlen nennen. Erste Informationen aus den Ländern gibt es aber bereits. Und demnach dürften zwei vorne gereihte Kandidaten den Einzug ins EU-Parlament verpassen: Eben der vom Seniorenbund unterstützte Pirchner und der Burgenländer Christian Sagartz stehen zwar auf Platz sechs bzw. sieben der Kandidatenliste und damit eigentlich an wählbarer Stelle. Weiter hinten gereihte Kandidaten haben aber offenbar mehr Vorzugsstimmen erhalten.

Karas liegt hinten

Laut APA-Informationen haben die Tiroler Wirtschaftsbündlerin Barbara Thaler (vom achten Listenplatz) und der niederösterreichische Bauernbündler Alexander Bernhuber (vom elften Listenplatz) den Sprung ins EU-Parlament geschafft. Auch die ersten fünf auf der ÖVP-Liste haben dem Vernehmen nach ausreichend Vorzugsstimmen für den Einzug ins EU-Parlament gesammelt. Das sind Othmar Karas, Karoline Edtstadler, Angelika Winzig, Simone Schmiedtbauer und Lukas Mandl.

Unklar ist allerdings noch, wer die meisten Vorzugsstimmen erhalten hat. Hier läuft das Rennen nicht nur zwischen Spitzenkandidat Karas und Listenzweiter Edtstadler. In den bisher vorliegenden – aber noch nicht kompletten – Ergebnissen liegt nämlich die oberösterreichische Unternehmerin und Nationalratsabgeordnete Winzig vorn.