Sebastian Kurz
Reuters/Leonhard Foeger
Antrag erfolgreich

Aus für Regierung Kurz

Der Nationalrat hat Montagnachmittag der Regierung von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) das Misstrauen ausgesprochen und sie damit des Amtes enthoben. Der von der SPÖ eingebrachte Misstrauensantrag wurde von FPÖ und JETZT unterstützt und hatte damit die Mehrheit, ÖVP und NEOS votierten dagegen.

525 Tage war das Kabinett Kurz somit im Amt, Kurz ist der kürzestdienende Bundeskanzler seit 1945 und der erste Kanzler, der per Misstrauensvotum abgewählt wurde. Die Übergangsregierung verließ nach der Abstimmung ohne einen Kommentar für Journalistinnen und Journalisten die Regierungsbank und dann das Ausweichquartier des Parlaments durch den Seiteneingang.

Einzig Außenministerin Karin Kneissl verließ das Plenum über den Haupteingang, mit den Worten: „Ich muss schnell in die UNO City – der UNO-Generalsekretär ist da.“ Die bei der Abstimmung vollzählig anwesenden Minister führen ihre Geschäfte weiter, bis der Bundespräsident einen neuen Regierungschef ernennt und dieser sein Team vorstellt.

SPÖ-Misstrauensantrag angenommen

Nationalratspräsidentin Doris Bures verliest den Antrag, im Anschluss wird darüber abgestimmt.

Fest steht, dass im Herbst neu gewählt wird. Die Parlamentsparteien brachten bei der Sondersitzung den Antrag ein, dass die Legislaturperiode vorzeitig beendet wird und ein vorgezogener Urnengang im September stattfinden soll. Der Termin ist noch offen, über den Antrag wird der Verfassungsausschuss beraten und übernächste Woche im Nationalrat abgestimmt. Am Abend noch wird Bundespräsident Alexander Van der Bellen erste Gespräche mit Vertretern der Parlamentsfraktionen führen, darunter mit SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und dem designierten FPÖ-Chef Norbert Hofer.

Scharfe Kritik von der Opposition

Vor der namentlichen Abstimmung per Aufstehen gab es in der Debatte scharfe Kritik an Kurz von SPÖ, NEOS und JETZT sowie von der FPÖ. Kurz’ Politik stoße Österreich zum zweiten Mal in Neuwahlen, „weil Sie nicht bekommen haben, was Sie wollten“, so SPÖ-Chefin Rendi-Wagner in Anspielung auf die Übernahme des Innenministeriums durch die ÖVP. Im Moment des Scheiterns habe Kurz nicht den Dialog mit der Opposition gesucht, aber deren Unterstützung eingefordert. Als Abgeordnete sei man jedoch den Wählern verpflichtet, „nicht den persönlichen Interessen eines Einzelnen“.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
ORF
Kurz zeigte bei der Abstimmung keine Reaktion

Kurz’ Handeln sei einzigartig in der Geschichte der Zweiten Republik, ein „schamloser, zügelloser und verantwortungsloser Griff nach Macht“, so Rendi-Wagner unter Protestrufen aus den Reihen der ÖVP. Kurz habe kein verantwortungsvolles Handeln gezeigt. „Herr Bundeskanzler, Sie und ihre ÖVP-Regierung genießen das Vertrauen der sozialdemokratischen Abgeordneten nicht“, so ihr Fazit.

Kickl sieht „alte Machtachse“ wiederhergestellt

Herbert Kickl, bis vor Kurzem noch Innenminister, nun Klubchef der FPÖ, meinte, Kurz habe die FPÖ für das Fehlverhalten einzelner Personen in Sippenhaft genommen und versucht, den eigenen Machtbereich auszuweiten. Es sei um die Wiederherstellung „der alten Machtachse der ÖVP“ gegangen, das sei geglückt, Justiz- und Innenressort seien nun wieder in Händen der Volkspartei. „Niederösterreich hat die Macht übernommen“, so Kickl, der Griff nach der Macht sei „widerlich“.

Abstimmung über den Misstrauensantrag im Österreichischen Parlament
APA/Roland Schlager
Die Abstimmung erfolgte namentlich per Aufstehen

Der erst vor der Sitzung von seiner Partei zum Klubchef der FPÖ gewählte Hofer bedauerte das Ende der türkis-blauen Koalition. Etliche Projekte habe man nicht mehr umsetzen können. In einer Koalition sei es wie in einer Freundschaft: Wenn man es schaffe schwierige Situationen zu bewältigen, funktioniere es nachher oftmals besser. Ein Staatskrise sah Hofer durch den Misstrauensantrag nicht auf Österreich zukommen, das regle schon die Bundesverfassung.

JETZT brachte Misstrauensanstrag gegen Kurz ein

Alfred Noll von JETZT rechnete mit Kurz ebenfalls ab. Er bezeichnete ihn als „vertrauensunwürdig“, den mehrfachen Bruch seiner Versprechen gegenüber seinen Koalitionspartnern als „schändlich“. Noll betonte, er wolle der FPÖ nicht die Absolution erteilen, aber sie sei von Kurz hineingelegt und abserviert worden. „Sie haben sich von Sebastian Kurz täuschen und für seine egomanischen Ziele unbeschränkter Führerschaft instrumentalisieren lassen“, sagte er und brachte seinen Misstrauensantrag gegen den Kanzler ein. Durch die Annahme des SPÖ-Antrags entfiel die Abstimmung über den JETZT-Antrag.

Grafik zu Bundeskanzlern seit 1945
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger, deren Fraktion keinen der Misstrauensanträge unterstützen wollte, bezeichnete das türkis-blaue Experiment als gescheitert. Mit den Rechtspopulisten sei kein Staat zu machen, man hätte sie nie an die Schalthebel der Macht lassen dürfen. Die Kultur der Intransparenz sei aber von SPÖ und ÖVP über die Jahrzehnte zur Perfektion gebracht worden. „Was es jetzt braucht für uns alle, ist Verantwortungsbewusstsein für die Menschen und für die Republik“, sagte sie.

ÖVP: Handeln gegen Volk und Bundespräsidenten

Keinerlei Verständnis für den SPÖ-Misstrauensantrag zeigte ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Das Agieren der SPÖ sei unfassbar und unglaublich, die handle „gegen das Volk und auch gegen den Willen des Bundespräsidenten“. Laut Wöginger hat Kurz verantwortungsbewusst gehandelt und sei bei der EU-Wahl dafür von der Bevölkerung ganz klar gestärkt worden. Österreich brauche Stabilität, aber: „Rot-Blau macht heute genau das Gegenteil und stürzt das Land ins Chaos“, so Wöginger.

Kurz sieht Rachegelüste

Kurz gab sich in seiner Rede vor der Debatte gelassen: Er verstehe die „Rachegelüste“ anderer Parteien, auch den Wunsch, sich in eine bessere Position für die Wahl zu bringen. Dass aber der Misstrauensantrag als Reaktion auf die EU-Wahl nun auf das ganze Kabinett ausgedehnt werde, könne niemand im Land nachvollziehen. Die ÖVP werde auf jeden Fall einen Beitrag für Stabilität im Land leisten, man werde der nächsten Regierung „sicher keine Steine in den Weg legen, sondern sie bestmöglich unterstützen“.

Ansonsten wiederholte er seine Positionen, wonach er die Übergangsregierung auf Wunsch des Bundespräsidenten erstellt habe, gegen deren Mitglieder er bis heute kein Wort der Kritik gehört habe. Er habe der Opposition diverse Angebote gemacht, etwa sie dazu eingeladen, im Ministerrat dabei zu sein. Vorschläge seien aber nur von NEOS gekommen, wofür er sich bedankte. Lob gab es auch für Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen. Bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage wiederholte Kurz, dass er das „Ibiza-Video“ Freitagabend zu Gesicht bekam und die ÖVP sich bezüglich Parteispeden an alle gesetzlichen Regelungen halte.