Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg spricht beim „R20 Austrian World Summit“
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Klimaweckruf in Wien

Greta Thunberg drängt zu Eile

„Wir dürfen keine Zeit mehr verstreichen lassen, denn in der Klimakrise langsam zu gewinnen heißt zu verlieren.“ Mit diesen Worten hat sich die 16-jährige schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg am Dienstag in Wien im Rahmen des „R20 Austrian World Summit“ an Führungspersonen aus aller Welt gewandt.

„Wir müssen die Art und Weise ändern, wie wir mit der Klimakrise umgehen und wie wir über sie reden“, sagte Thunberg auf der Bühne vor Hunderten Entscheidungsträgerinnen und -trägern aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien. Klimakommunikation ist eines der Hauptthemen der alljährlichen Klimakonferenz, die von Arnold Schwarzenegger ins Leben gerufen wurde. Heuer fand der Gipfel in der Hofburg zum dritten Mal statt.

„Ich bin mir sicher, dass die meisten von uns über die Situation zwar Bescheid wissen, aber meine Erfahrung Nummer eins ist, dass Menschen generell keine Ahnung haben“, so Thunberg in ihrer Rede. Wie gewohnt nahm sie sich kein Blatt vor den Mund. „Viele von uns wissen, dass etwas falsch läuft, aber wir wissen nicht genau Bescheid, wie tragend die Konsequenzen wirklich sind.“ „Der Grund?“, fragte die Teenagerin in die Menge. „Weil wir es nicht von den richtigen Menschen gesagt bekommen.“

Thunberg und Arnold Schwarzenegger im Exklusivinterview in „Magazin 1“

Am Rande des „R20 Austrian World Summit“ gaben Thunberg und Schwarzenegger ORF-Moderatorin Lisa Gadenstätter ein Exklusivinterview.

„Wir Kinder sind keine Staatschefs“

Damit meine sie all die Menschen im Raum, aber insbesondere die Führungskräfte und Staatschefs. Menschen würden auf sie hören, denn der „Homo sapiens sapiens“, wie Thunberg sagte, fühle sich wie selbstverständlich von Anführern angezogen. In den letzten Monaten seien Millionen von Kindern für das Klima auf die Straße gegangen, „doch wir Kinder sind keine Staatschefs oder Wissenschaftler – Sie sind das! (…) Die Menschen hören auf Sie, sie werden von Ihnen beeinflusst. Deshalb haben Sie eine enorme Verantwortung. Doch die meisten von Ihnen haben versagt“, prangerte Thunberg das Verhalten von CEOs und Präsidenten aus aller Welt an.

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Arnold Schwarzenegger umringt von Journalisten beim „R20 Austrian World Summit“
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Dichtes Gedränge um Initiator Arnold Schwarzenegger – im Hintergrund Außenministerin Karin Kneissl im hellrosa Blazer
Die Eröffnungszeremonie beim „R20 Austrian World Summit“
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Die pompöse Eröffnungszeremonie vor einer riesigen Erdkugel sorgte für Begeisterung
Bundespräsident Alexander van der Bellen spricht beim „R20 Austrian World Summit“
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Trotz Regierungskrise hielt Bundespräsident Alexander Van der Bellen eine Eröffnungsrede
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg spricht beim „R20 Austrian World Summit“
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Mucksmäuschenstill war es im Festsaal, als Greta Thunberg sprach
Alexander van der Bellen und Arnold Schwarzenegger beim „R20 Austrian World Summit“
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Mit ernster Miene lauschten Van der Bellen und Schwarzenegger den Worten Thunbergs
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg spricht beim „R20 Austrian World Summit“
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„Die Menschen hören auf Sie! Sie werden von Ihnen beeinflusst“, rief Thunberg die anwesenden Führungskräfte und Regierungschefs zur Verantwortung
Arnold Schwarzenegger spricht beim „R20 Austrian World Summit“
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„Action“ fürs Klima forderte Arnold Schwarzenegger mehrere Male mit seiner Catch-Phrase
Antonio Guterres spricht beim „R20 Austrian World Summit“
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Zu den hochkarätigen Sprecherinnen und Sprechern gehörte auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres
Ein Kind mit einer Zeichnung von Arnold Schwarzenegger beim „R20 Austrian World Summit“
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Ist das Arnie? Ein Jugendlicher im Publikum zeichnete Schwarzenegger als „Terminator“, so scheint es.
Arnold Schwarzenegger spricht beim „R20 Austrian World Summit“
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So oft sei er als „verrückt“ bezeichnet worden, skizzierte Schwarzenegger sein Leben, auch in puncto Klimaschutz. Doch bisher sei er immer erfolgreich gewesen.
Statement von Jane Goodall am „R20 Austrian World Summit“
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Die britische Verhaltensforscherin und Tierschützerin Jane Goodall ließ sich per Videobotschaft zuschalten
Das deutsche Model Barbara Meier und der österreichische Unternehmer Klemens Hallmann beim „R20 Austrian World Summit“
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Moderatorin und Model Barbara Meier wird am Nachmittag beim „Climate Kirtag“ durch das Programm führen – links von ihr ihr Partner, der österreichische Unternehmer Klemens Hallmann.
Arnold Schwarzenegger spricht beim „R20 Austrian World Summit“
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Hunderte Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien fanden sich im Festsaal der Hofburg ein

Leider würden viele der Anwesenden es zu ihrer Priorität machen, neue „Green Jobs“ zu schaffen. Doch darum dürfe es nicht gehen, so Thunberg. „Das ist die größte Krise, der die Menschheit jemals entgegentreten musste. Wie kann es nur sein, dass wir dieser existenziellen Krise gegenüberstehen und Sie sie nicht lösen wollen?“ Technologie und „Green Jobs“ könnten diese Krise nicht alleine lösen, denn es müsse schnell gehandelt werden – es müsse jetzt gehandelt werden.

Von der Klimakrise und Privatjets

„Im ersten Moment reden Sie über die Klimakrise, im nächsten erweitern Sie den Flughafen, steigen in Ihren Privatjet und fliegen zum nächsten Meeting“, wandte sich die Klimaaktivistin indirekt an CEOs und Staatschefs im Raum, von denen viele nicht zuletzt mit dem Flugzeug angereist waren. Es müsse neben Technologie auch das Verhalten der Gesellschaft geändert werden. „Wir müssen quasi alles ändern“, so Thunberg. „Die größte Lösung ist genau vor euren Augen – es sind wir Menschen. Lasst uns keine Zeit mehr verlieren, lasst uns jetzt handeln.“ Die 16-Jährige sorgte einmal mehr auch in Wien für minutenlange Standing Ovations.

Erst letztes Jahr begann Thunberg mit ihren Schulstreiks vor dem schwedischen Parlament in Stockholm für die Rettung des Klimas. Seither wurde sie zum Sprachrohr einer ganzen Generation. Mit der Aktion „Fridays for Future“ streiken Millionen von Schülerinnen und Schülern nun jeden Freitag, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Thunberg wurde zu zahlreichen hochrangigen Events eingeladen, zu denen sie stets mit dem Zug reist – so auch nach Wien. Diesen Freitag wird Thunberg auch bei der „Fridays for Future“-Demo in der Hauptstadt dabei sein.

„Wenn sie dich verrückt nennen, mach weiter“

Mit ihrer flammenden Rede stellte die junge Aktivistin gleich zu Beginn alle andere Sprecherinnen und Sprecher in den Schatten – selbst Schwarzenegger, der „enorm stolz“ auf die Jugendliche sei, wie er sagte. „Greta ist eine Träumerin“, lobte er Thunberg und sprach auch anderen Klimavordenkern Mut aus. „Ich wurde sehr oft in meinem Leben als verrückt bezeichnet.“ So sei er beispielsweise verrückt genannt worden, als er es aus einem kleinen steirischen Dorf heraus als Bodybuilder versuchen wollte, dann, als er Schauspieler werden wollte, und schließlich, als er es als Politiker versuchte.

Die Eröffnungszeremonie beim „R20 Austrian World Summit“
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Mit einer imposanten Tanzperformance wurde der dritte „R20 Austrian World Summit“ eröffnet

„Und heute nennen sie mich wieder verrückt, weil ich daran glaube, dass wir das alles umkehren können“, so Schwarzenegger über die Klimakrise. Doch das passiere, wenn man ein Träumer sei, sagte der ehemalige republikanische Gouverneur von Kalifornien. Er kenne die Skepsis, mit denen Träumer zu kämpfen haben, doch genau diese Skepsis lasse sich in Taten umwandeln. „Es sind die Träumer, nicht die Skeptiker, die diese Welt prägen“, wählte Schwarzenegger ermutigende Worte. „Wenn sie dich verrückt nennen, mach weiter.“

Schwarzenegger: Wirtschaft und Umwelt fördern

Etwas optimistischer als Thunberg zeigte sich Schwarzenegger davon überzeugt, dass es möglich sei, Wirtschaft und Umwelt miteinander zu verknüpfen. Er fragte die Entscheidungsträgerinnen und -träger im Publikum, was wohl passiert wäre, hätte etwa VW (Volkswagen, Anm.) einen Elektromotor in seinen Verkaufsschlager, den VW Käfer, gebaut anstatt eines Benzin- bzw. Dieselmotors. „Wir können die Wirtschaft und die Umwelt zur selben Zeit fördern. Wenn irgendjemand etwas anderes sagt, dann sagen Sie ihm, dass das Blödsinn ist“, so Schwarzenegger.

Pariser Klimaschutzkonferenz

Auf der Pariser Klimaschutzkonferenz im Dezember 2015 haben sich 195 Länder erstmals auf ein rechtsverbindliches Klimaschutzübereinkommen geeinigt. Das Übereinkommen umfasst einen globalen Aktionsplan, der die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius begrenzen soll.

Als weiterer prominenter Redner sprach UNO-Generalsekretär Antonio Guterres die Wichtigkeit an, eine „grüne Gesellschaft“ zu werden und auch „grüne Wirtschaft“ zu betreiben. „Wir brauchen mehr Bemühungen als in Paris“, sagte Guterres. „Viele Länder, die vieles versprochen haben, tun nichts.“ Allgemein würden die 2015 bei der Pariser Klimaschutzkonferenz anwesenden Länder ihren Versprechungen häufig nicht gerecht, so der UNO-Generalsekretär.

Konferenz im Schatten der Regierungskrise

Schwarzenegger sagte, er sei „furchtbar enttäuscht“, dass selbst sein Heimatland Österreich die Pariser Klimaziele aller Voraussicht nach nicht erreichen werde. In seiner Rede wandte sich Schwarzenegger unter anderem an Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der nicht zugegen war, und an Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Van der Bellen hielt eine Eröffnungsrede, ließ sich aber kurz danach aufgrund der Regierungskrise entschuldigen.

Auch Außenministerin Karin Kneissl war unter den Gästen im Publikum, verließ den Saal aber mit Van der Bellen. In vielen Reden wurde wiederholt auch auf die derzeit herausfordernde Situation in der österreichischen Regierung hingewiesen, man wartete auf der Bühne auch auf „die Minister“ – unter anderem hätten nämlich ursprünglich Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) wie auch Kurz eine Rede halten sollen. Ob es offizielle Absagen gegeben hatte, blieb unklar.

„Klimakrise beeinträchtigt Wirtschaftsentwicklung“

Van der Bellen dankte der Konferenzorganisatorin und früheren Grünen-Abgeordneten Monika Langthaler sowie Schwarzenegger und insbesondere Thunberg „aus tiefstem Herzen“. „Die Menschen müssen nicht nur über die Klimakrise Bescheid wissen, sie müssen die Dringlichkeit fühlen“, forderte der Bundespräsident und frühere Grünen-Politiker. „Der Klimanotstand ist da.“ Nur wenn alle beginnen würden, bereits gewonnenes Wissen in die Tat umzusetzen, könne die Klimakatastrophe noch verhindert werden.

Standing Ovations für Thunberg

Überall auf der Welt begeistert Thunberg die Massen mit ihren flammenden Reden zur Rettung des Klimas – so auch bei der Klimakonferenz in Wien.

Er wies weiters darauf hin, dass 2018 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen sei, die Prognosen für 2019 seien nicht besser. Der Bundespräsident sprach von Dürren, Waldbränden, Hochwasser und Stürmen. „Menschen verlieren ihre Heimat und ihr Leben“, so Van der Bellen und erwähnte etwa den Zyklon in Mosambik und die Waldbrände in Kalifornien.

Außerdem beeinträchtige die Klimakrise die Wirtschaftsentwicklung – „und damit letztlich auch den Frieden auf der Welt, die Sicherheit, den sozialen Zusammenhalt und den Wohlstand“. Die Staaten der Welt müssten eine Trendwende einleiten, „insbesondere bei Treibhausgasemissionen“, sagte der Bundespräsident. „Wir müssen ohne CO2-Emmissionen auskommen. Das erfordert eine neue industrielle Revolution – aber nicht irgendwann, sondern jetzt.“

„Climate Kirtag“ auf dem Heldenplatz

Neben der Klimakommunikation geht es beim „R20 Austrian World Summit“ 2019 insbesondere um die Umsetzung und Finanzierung von Klimaprojekten auf der ganzen Welt. Vorzeigeprojekte aus vielen Bereichen wurden präsentiert – so etwa auch nachhaltige Stadtplanung, Nord-Süd-Kooperationen und fossilfreie Mobilität.

Beim „Climate Kirtag“ auf dem Heldenplatz vor der Hofburg bekamen indes alle Interessierten die Möglichkeit, sich über Klimaschutz auszutauschen und Stars wie Conchita Wurst, Pizzera & Jaus und Hubert von Goisern zu lauschen. Thunberg richtete auch persönlich auf der Bühne ein paar Worte an die Hunderten Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die sich trotz Regens im Freien versammelt hatten: „Ich habe nicht mit den Schulstreiks begonnen, weil ich Lust dazu hatte oder weil es lustig ist, sondern weil etwas getan werden muss. Ihr könnt so viel tun! Niemand ist zu klein, um etwas zu bewirken.“