Nach der Begrüßung der in der Hofburg zur Amtsenthebung und neuerlichen Angelobung angetretenen Regierungsriege sparte Van der Bellen auch nicht mit mahnenden Worten. Es gelte in Gesprächen das zu suchen, „was verbindet“. Die Situation zeige, „wie wichtig Gespräche sind“, sagte Van der Bellen. Dieser sprach sich zudem für Respekt und tragfähige Kompromisse aus, und das sei „harte Arbeit“.
„Die schnelle Social-Media-Kampagne“ werde in einer Demokratie nicht genügen, wie der Bundespräsident auch mit Blick auf den anstehenden Wahlkampf sagte. Einmal mehr erinnerte Van der Bellen an das „verstörende Sittenbild“, das das „Ibiza-Video“ abgegeben habe. Das entspreche „schlicht nicht unserem Selbstverständnis“. Aufgabe der Politik sei es nun, diese Bild zu ändern.
„Bereits eine gewisse Übung“
In der laufenden Regierungskrise herrscht auch weiterhin Hochbetrieb in der Hofburg. Es gebe bereits eine „gewisse Übung in diesen Dingen“, so Van der Bellen unmittelbar vor Angelobung der Interimsregierung.
Außer Frage stellte Van der Bellen bereits am Vortag, dass die Amtsenthebungs- und Angelobungszeremonie in der Hofburg „zwar kein alltäglicher, aber doch ein ganz normaler demokratischer Vorgang“ sei. Die von Löger angeführte Interimsregierung wird nur einige wenige Tage im Amt bleiben. Wie Van der Bellen bereits am Vortag sagte, müssen alle Ministerien immer und jederzeit mit einem Minister besetzt sein.
Österreich derzeit ohne Vizekanzler
„Das ist eine Art Provisorium, bis wir eine Lösung für die Übergangsregierung gefunden haben.“ Van der Bellen betonte Montagabend, dass es wichtig sei, die in der Verfassung vorgesehenen Schritte korrekt einzuhalten. „Der Staat, die Republik Österreich muss immer funktionieren.“
Löger über seine Rolle als Interimskanzler
Wie legt der provisorische Bundeskanzler seine Rolle in den nächsten Tagen an? ORF-Reporter Matthias Westhoff hat Löger dazu befragt.
Der derzeit nicht besetzte Posten des Vizekanzlers sei dafür nicht zwingend notwendig, wie die Präsidentschaftskanzlei mit Verweis auf Artikel 71 der Bundesverfassung mitteilte. Obwohl Österreich somit auch weiterhin eine vollwertige und mit allen Kompetenzen ausgestattete Regierungsmannschaft hat, soll es am Mittwoch keine Ministerratssitzung im Bundeskanzleramt geben.
Keine Amtsübergabe durch Kurz
Für Löger gab es am Dienstag auch keine persönliche Amtsübergabe durch Kurz. Allerdings habe Löger den abgewählten Bundeskanzler am Vormittag gesprochen, hieß es aus seinem Büro zur APA. Unmittelbar nach seiner Angelobung habe Löger bereits erste Verwaltungsakte in der neuen Funktion gesetzt. Aus dem Finanzministerium in das Bundeskanzleramt übersiedeln wird Löger für die kommenden Tage aber nicht.
Interimskanzler Löger im Porträt
Nur wenige Tage nach der Angelobung zum Vizekanzler ist Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) nun – für ein paar Tage – zum Regierungschef aufgestiegen.
Noch am Dienstag hat Löger einen Termin in Brüssel: Zwei Tage nach der EU-Wahl beraten dort am Abend die EU-Staats- und -Regierungschef unter anderem darüber, wer nächster Kommissionschef oder nächste Kommissionschefin werden soll. Löger reist eigenen Angaben zufolge mit Zuversicht zum EU-Gipfel. Er habe schon Kontakte zu seinen europäischen Kollegen. Auf Ministerebene habe er gute Verbindungen, und daran könne er gut anknüpfen. Seine neue Aufgabe gehe er genauso positiv wie seine bisherige an, sagte Löger. Er freue sich, die Verantwortung zu übernehmen.
„Braucht einen gewissen Konsens“
Van der Bellen will nun so rasch wie möglich eine neue Übergangsregierung finden. Gefragt, ob das noch diese Woche der Fall sein wird, sagte er: „Das ist meine Absicht. Ob es gelingt, bis zum Freitag diese Einigung zu finden, kann ich nicht sagen, aber ich hoffe, dass es nicht länger als eine Woche dauert.“ Dass Löger und nicht der bisherige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit der interimistischen Fortführung der Kanzler-Agenden betraut wurde, war dem Vernehmen nach zwischen Van der Bellen und Kurz akkordiert.
Zur weitere Vorgangsweise bis zur Einigung auf eine Übergangsregierung sagte der Präsident, er appelliere an alle Parteien im Nationalrat, sich an der Diskussion zu beteiligen. „Es braucht einen gewissen Konsens“, sagte Van der Bellen. Erste Gespräche mit Vertretern aller Parteien gab es bereits am Montag – diese dürften sich nun auch weiterhin in der Hofburg die Klinke in die Hand geben. Es sei nun wichtig, dass es Gespräche gibt, wie Van der Bellen auch bei der Amtenthebungs- und Angelobungszeremonie wiederholte.