Blick auf das Bundeskanzleramt
ORF.at/Roland Winkler
Nach Interimsbesetzung

Österreich sucht den Bundeskanzler

Nach dem Misstrauensvotum vom Vortag hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dienstag die notwendigen Schritte unternommen, damit es in Österreich auch weiterhin eine handlungsfähige Regierung gibt. Geht alles nach Plan, ist das momentan von Interimskanzler Hartwig Löger (ÖVP) angeführte Kabinett nur wenige Tage im Amt. Bevor in der Hofburg die nächste Angelobungszeremonie ansteht, gilt es aber noch zentrale Fragen zu klären – allen voran, wer bis zur Neuwahl im Herbst Bundeskanzler bzw. -kanzlerin Österreichs werden soll.

Van der Bellen, der die kurz vor Mittag ihrer Ämter enthobene und unmittelbar darauf wieder mit den Amtsgeschäften betraute Minister- und Ministerinnenriege mit den Worten „Irgendwie haben wir schon gewisse Übung in diesen Dingen“ begrüßte, wollte am Dienstag weiter keine Namen nennen. Es handle sich um vertrauliche Gespräche, wie der Bundespräsident dazu bereits am Vortag nach einem ersten Treffen mit Vertretern aller Parteien sagte.

Diese gaben sich schließlich auch am Tag der Angelobung der von Van der Bellen als „eine Art Provisorium“ bezeichneten Regierung in der Hofburg die Klinke in die Hand: Die Suche nach geeigneten Kandidaten geht somit auf Hochtouren weiter. Ob Van der Bellens Vorhaben aufgeht und bis Ende der Woche eine Regierung steht, die dann bestenfalls erst nach der Neuwahl im Herbst wieder abgelöst wird, bleibt offen. Es sei jedenfalls seine Absicht, so Van der Bellen: „Ob es gelingt, bis zum Freitag diese Einigung zu finden, kann ich nicht sagen.“

leere Regierungsbank
APA/Roland Schlager
Auf bisher ungewohnte Weise wird derzeit in Österreich eine neue Regierung gesucht

Präsident will „Zwischenbilanz“ vorlegen

Wie am Dienstagabend verlautete, hat Van der Bellen offenbar aber bereits eine konkrete Vorstellung von der Zusammensetzung des künftigen Übergangskabinetts. Sowohl SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wie auch der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer haben das nach einem Gespräch mit dem Bundespräsidenten angedeutet. ÖVP-Klubobmann August Wöginger und NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger verwiesen auf die mit dem Bundespräsidenten vereinbarte Vertraulichkeit der Gespräche.

Fritz Dittlbacher (ORF) über provisorische Regierung

Die provisorische Regierung wird voraussichtlich nur sehr kurz im Amt sein. Die Übergangsregierung soll in den kommenden Tagen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen bekanntgegeben werden.

Aus der Präsidentschaftskanzlei hieß es nach den Gesprächen zwischen Van der Bellen und den Vertreterinnen und Vertretern der Parlamentsfraktionen, es gehe nun darum, die Gesprächsbasis zwischen den Parteien aufzubauen. Voraussichtlich werde es noch diese Woche eine „Zwischenbilanz“ zu den Gesprächen geben, so ein Sprecher Van der Bellens Dienstagabend.

Kein Umzug in Bundeskanzleramt

Das von Löger angeführte Provisorium könnte somit in der Tat nur ein kurzes bleiben. Er freue sich dennoch, die Verantwortung zu übernehmen, wie der in nur wenigen Tagen im Schnelldurchlauf zunächst zum Vizekanzler und nun zum Kanzler beförderte Löger in einer ersten Reaktion nach seiner Angelobung sagte.

Der am Montag als erster Kanzler der Zweiten Republik über ein Misstrauensvotum gestürzte Sebastian Kurz (ÖVP) blieb am Dienstag nicht nur der Angelobungszeremonie fern – in der Folge gab es dann auch für Löger keine persönliche Amtsübergabe durch Kurz. Wohl mit Blick auf die programmiert kurze Amtszeit verzichtet Löger aber ohnehin auf einen Umzug vom Finanzministerium ins Kanzleramt.

Nach Angaben aus Lögers Büro gab es am Vormittag ein Gespräch mit dem abgewählten Bundeskanzler. Zudem habe er bei Terminen rund um die Angelobung die nötigen Informationen bekommen, um das Kanzleramt verwalten zu können.

Blümel rechtfertigte Kurz’ Absenz

Angesprochen auf die Abwesenheit von Kurz bei der Amtsenthebung und Angelobung der Interimsregierung sagte Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP), dass es am Montag noch ein Gespräch zwischen dem ÖVP-Chef und dem Bundespräsidenten gegeben habe. Dabei habe Kurz versichert, dass er „jede Entscheidung zu 100 Prozent unterstützen wird“.

Gefragt, wer für die Übergangsregierung infrage kommen könnte, meinte Blümel nur: „Das ist die Entscheidung des Bundespräsidenten.“ Es werde aber bereits eine „professionelle Übergabe“ vorbereitet, wie Blümel in diesem Zusammenhang versicherte.

ÖVP: Kurz verzichtet ab Juli komplett auf Gehalt

Kurz wird unterdessen nicht Klubobmann im Parlament und wird auch sein Nationalratsmandat nicht annehmen. Auf mögliche Gehaltsfortzahlungen werde der ÖVP-Obmann verzichten. Das teilte ein Sprecher von Kurz am Dienstag mit. August Wöginger wird Klubobmann der ÖVP bleiben. Er habe das bisher schon ausgezeichnet gemacht und genieße das volle Vertrauen von Kurz, so der Sprecher.

Grafik zu Bundeskanzlern seit 1945
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Der angekündigte „Gehaltsverzicht“ sorgte unterdessen für Erstaunen. Das sei „keine noble Geste, sondern gesetzliche Realität“, teilte etwa FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker dazu per Aussendung mit. Zudem stand auf Twitter etwa „#verzichtenwiekurz“ hoch im Kurs. Konkret geht es hier um das Rückkehrrecht in den Nationalrat, das eine Gehaltsfortzahlung der Regierungsbezüge ausschließt. Das gilt laut Bundesbezügegesetz auch, wenn das Mandat wie nun von Kurz nicht angenommen wird.

Diese Angaben wurden in Folge von ÖVP-Seite nicht in Frage gestellt. Wie die Volkspartei am Nachmittag dazu weiter mitteilte, werde Kurz aber auch seine Tätigkeit als ÖVP-Chef nur noch ehrenamtlich ausüben und somit ab Juli komplett auf ein Gehalt verzichten.

„Das rächt sich“

Die großen Parteien sind spätestens nach dem vorzeitigen Ende der Regierung im Wahlkampfmodus. „Ab heute ist Wahlkampf“, sagte die SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Dienstag. Kurz kündigte bereits am Vortag in seiner ersten öffentlichen Erklärung nach seiner Absetzung durch den Nationalrat an, dass er als ÖVP-Chef nun alles versuchen werde, die Wähler von seinem Kurs zu überzeugen.

Van der Bellen nutzte den Angelobungstermin mit den Ministern und Ministerinnen unterdessen auch, um sie an die wichtige Rolle des Dialogs und der Kompromissbereitschaft im politischen Geschäft zu erinnern. „Es reicht eben nicht, in einer Demokratie, wenn man mit den anderen nur redet, wenn man sie gerade braucht. Das rächt sich dann im Laufe der Zeit.“

Das wurde als Wink an Kurz verstanden. Vor allem die SPÖ hatte bei ihrem Misstrauensantrag nicht zuletzt moniert, dass Kurz versucht habe, am Parlament vorbei zu regieren. Van der Bellen warb für den grundsätzlichen Respekt vor dem Anderen und dessen Meinungen, die „vielleicht auch eine gewisse Berechtigung haben“.

Mit Stimmen von SPÖ, FPÖ und JETZT gestürzt

Der Nationalrat hatte Montagnachmittag Kurz’ Regierung das Misstrauen ausgesprochen und sie damit des Amtes enthoben. Der von der SPÖ eingebrachte Misstrauensantrag wurde von FPÖ und JETZT unterstützt und hatte damit die Mehrheit, ÖVP und NEOS votierten dagegen. Das Kabinett Kurz war damit 525 Tage im Amt und Kurz der erste Kanzler, der per Misstrauensvotum abgewählt wurde. Derzeit ist Kurz der kürztestdienende Kanzler seit 1945 – diesen Titel ist er mit Blick auf die nur für wenige Tage ausgelegte Amtszeit von Löger aber schon bald wieder los.