Eindrücke vom BVT-U-Ausschuss
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BVT-Affäre

Kurz will vieles „aus Medien erfahren“ haben

Zunächst bei der Trauerfeier von Niki Lauda, dann im BVT-U-Ausschuss: Mit Sebastian Kurz ist der nunmehrige Ex-Kanzler zu den Vorgängen im Verfassungsschutz befragt worden. Geladen wurde er von SPÖ, NEOS und JETZT noch zu Regierungszeiten – womit sich nach dem Scheitern von ÖVP/FPÖ und den nun offenkundig gewordenen Differenzen der Ex-Koalitionäre bei der Befragung ein spezielles Bild ergab.

Einleitend fragte Verfahrensrichter Eduard Strauss wie üblich, ob der „Bundeskanzler außer Dienst“ persönliche Wahrnehmungen zu den Themen im BVT-Ausschuss habe. Kurz gab sich zunächst ratlos. Erst auf wiederholte Frage: „Er gehe davon aus“, aber das komme wohl auf die Fragen an, so Kurz. Er habe mitverfolgt, dass es eine Hausdurchsuchung beim BVT gegeben habe, habe mit Ministern gesprochen, auch im Nationalen Sicherheitsrat sei er gewesen.

Im Vorfeld der Razzia habe er keine Information erhalten. Mitarbeiter hätten ihn auf einen Bericht in der „Kronen Zeitung“ aufmerksam gemacht. Er habe großes Vertrauen in den Rechtsstaat, darum sei er sich sicher gewesen, dass die Justiz die Vorgänge aufklären werde. Auch habe er Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und ÖVP-Justizminister Josef Moser angehört, er habe unterschiedliche Aussagen und Darstellungen gehört.

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Ex-Kanzler Kurz wurde von den Mandatarinnen und Mandataren im U-Ausschuss mehrmals in die Defensive gedrängt

NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper wollte genauer über den Inhalt der Gespräche Bescheid wissen. Kickl habe gesagt, dass ein vollkommen rechtskonformer Vorgang stattgefunden habe. Im Falle Mosers verwies Kurz auf die Anforderung eines Berichts. Immer wenn es Vorwürfe in den Medien gab, habe er Kickl damit konfrontiert – diese habe der Ex-Innenminister aber meist dementiert, so Kurz.

„Kein Beweis, dass Kickl etwas Illegales gemacht hätte“

Er habe keinen Beweis gegeben, dass Kickl etwas Illegales gemacht hätte, so Kurz auf Fragen von Krisper. Wiederholt wollte sie wissen, wieso er Kickl so lange vertraut habe. Dass bei der Razzia hochsensible Daten mitgenommen wurden, habe er auch aus den Medien erfahren, so Kurz. Krisper verwies auf die Folgen der Hausdurchsuchung – dass also ausländische Geheimdienste die Zusammenarbeit mit dem BVT eingeschränkt hätten.

Kurz verwies wiederholt auf die Ausschussarbeit, die neben der Justiz für Aufklärung zuständig sei. Wiederholt kritisierte Krisper, dass Kurz mehrmals, auch nach dem Aufleben einiger neuer Vorwürfe hier im Ausschuss, betont habe, es sei bei der Razzia alles rechtskonform abgelaufen – und das, obwohl er offenbar einige Details gar nicht mitbekommen habe. Er vertraue in den Rechtsstaat und habe sich um Aufklärung bemüht, so Kurz, der in seinen Antworten teilweise schmallippiger als üblich wirkte.

„Das schockiert mich als Bürgerin zutiefst“

Krisper betonte, „sehr negativ erstaunt“ darüber zu sein, dass Kurz Kickl stets das Vertrauen ausgesprochen habe und sich nicht näher bei ebendiesem informiert habe, welcher Schaden für die Sicherheit entstanden sei. Was aber „dem Fass den Boden ausschlägt“, so Krisper, sei, dass Kurz es nicht einmal für wert befunden habe, sich vollständig in den Medien zu informieren. „Sie haben sich nicht einmal bemüßigt gefühlt, zu dieser heiklen Sicherheitsfrage die Zeitungsberichte zu konsumieren – das schockiert mich als Bürgerin zutiefst.“

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Krisper zu Kurz’ Umgang mit Kickl in Sachen BVT: „Schlägt dem Fass den Boden aus“

„Nicht zuständig“

Wieso er Kickl nach dem Bekanntwerden von immer mehr Details zur Hausdurchsuchung nicht entlassen habe, wollte JETZT-Fraktionsführer Peter Pilz wissen. Kurz verwies auf laufende Aufklärung, die er habe abwarten wollen. Wieso er nicht auf die Erkenntnisse des U-Ausschusses Anfang September reagiert habe, wonach Österreich aus dem Berner Club (einem internationalen Zusammenschluss von Geheimdiensten) suspendiert worden sei, wollte Pilz wissen. Es sei keine Entscheidung eines Kanzlers, so Kurz, er sei ja schließlich dafür nicht zuständig.

Mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel habe er über das BVT nie gesprochen, so Kurz: „Meiner Erinnerung nach war das nie Thema.“ „Ich möcht’ wissen, was Sie getan haben“, wiederholte Pilz seine Grundfrage. „Haben Sie gewusst, dass das BVT international höchst isoliert ist“, fragte Pilz. Kurz dazu: „Ich habe die Medienberichte verfolgt.“ Wiederum verwies Kurz auf die Einsetzung eines U-Ausschusses und die Justiz. Pilz dazu verständnislos: Beide Stellen seien tätig geworden, „nur der Bundeskanzler nicht“.

Von „neuen Filmen“ bereits 2015 erfahren?

Pilz fragte Kurz später nach Ex-Kabinettschef Axel Melchior. BVT-Spionagechef Bernhard P. (der mutmaßliche ÖVP-Verbindungsmann im BVT) habe Melchior in einer SMS berichtet, wonach es „neue Filme“ gebe. Ob ihm bekannt sei, dass der Wiener Anwalt bereits 2015 „verfängliches Material feilgeboten habe“, fragte er Kurz. Das habe er in den Medien gelesen, antwortete dieser. „Können Sie ausschließen, dass Sie Infos hatten, dass Strache-Videos zu dieser Zeit 2015 angeboten wurden?“ – „Ich kann mich an keinerlei Information über Videos erinnern“, so Kurz.

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Pilz (hier bei einem Statement nach der Befragung) will möglichen Verbindungen zwischen BVT und „Ibiza“ nachgehen

SPÖ-Mandatarin Muna Duzdar fragte, ob Kurz ausschließen könne, dass er bereits während der Hausdurchsuchung im BVT von ebendieser informiert wurde. Kurz dazu: „Kann ich ausschließen.“ Duzdar legte Kurz die Anfragebeantwortung Kickls vor, in der er aussagt, er habe Kanzler und Vizekanzler schon während der Razzia informiert. „Da muss er den Vizekanzler gemeint haben“, so Kurz, er selbst sei da im Ausland gewesen. Es sei bekannt, „dass Kickl falsche Aussagen tätigt“, so Duzdar.

Kurz fragte nicht bei BVT-Chef Gridling nach

SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer fragte Kurz zur (zumindest teilweisen) Isolation des BVT vor internationalen Geheimdiensten. Wieso der Kanzler nie BVT-Chef Peter Gridling kontaktiert habe, um den aktuellen Status bewerten zu können. Kurz verwies wiederum auf Informationen vonseiten der Minister Kickl und Moser. „Ob ich politisch aktiv werden muss, ist eine politische und keine rechtliche Frage“, so Kurz. „Sie haben Gridling kein einziges Mal angerufen?“ – Kurz: Am Rande von Sitzungen habe er mit Gridling „ein paar Worte gewechselt“.

Krainer wollte von Kurz wissen, wann er erfahren habe, „dass das Problem der angehenden Isolation Österreichs im Geheimdienstnetzwerk nicht mehr auf technischer Ebene gelöst werden kann, sondern nur auf politischer Ebene“. Kurz gab an, das nie erfahren zu haben. Auch mit ausländischen Staats- und Regierungschefs habe er sich dazu nicht ausgetauscht. „Normalerweise unterhalten sich Regierungschefs nicht über Nachrichtendienste“, so Kurz.

Krainer konfrontierte Kurz mit der Tatsache, dass das BVT aus einer Konferenz internationaler Partnerdienste ausgeladen wurde. Der „Falter“ hatte im Herbst 2018 über diese Ausladung berichtet. „Sagt Ihnen das etwas?“, fragte Krainer. Schließlich sei das „der erste Beweis, dass das BVT isoliert ist – der erste, nicht der letzte. Sagt Ihnen das etwas?“ – „Nein“, so Kurz, er habe wohl jene Ausgabe des „Falter“ schlicht und einfach „nicht gelesen“. Kurz habe tatenlos zugesehen, wie das BVT international isoliert wurde, schloss Krainer.

„Diese Verschwörungstheorie ist absurd“

FPÖ-Fraktionsführer Hans-Jörg Jenewein fragte Kurz, wann er vom „Ibiza-Video“ erfahren habe. Eine „sehr vage Schilderung“ habe er von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) erfahren. Am Abend des Folgetages habe er das Video gesehen, als es online gestellt worden war. Gefragt nach einem Zusammenhang zwischen BVT und der „Ibiza-Affäre“, verwies Kurz wiederum auf den möglichen Umstand, dass das „aus einer anderen Ecke“ komme – er spielte auf Tal Silberstein und diesbezüglich aus den Reihen der ÖVP regelmäßig geäußerte Verdachtsmomente an.

Jenewein wollte wissen, wie Kurz zu Daniel Kapp (zuletzt Pressesprecher von Finanzminister Josef Pröll) stehe. Präzisieren konnte Jenewein das nicht, darum nahm er diese Fragestellung dann auch zurück – dazu müsse es noch Aktenlieferungen geben. Doch fragte er anders: Ob er, Kurz, ausschließen könne, dass es Kontakte des ÖVP-Wahlkampfteams mit jenen Kreisen gäbe, die Kurz selbst verdächtige, dass sie hinter den Ibiza-Videos stecken? – Kurz: „Diese Verschwörungstheorie, die Sie da spinnen, ist absurd. Wer aus meinem Team wen kennt oder schon getroffen hat, weiß ich nicht.“

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Kurz nach der Befragung im Ausschuss

„Ich glaub, ich bin für jetzt einmal dahin“

Nach den Befragungen im Ausschuss gab Kurz ein Statement vor Journalistinnen und Journalisten ab: Er habe sich redlich bemüht, alles zu beantworten. Auch wiederholte der Ex-Kanzler, dass er aus den Medien von der Razzia im BVT erfahren habe. Er hoffe, dass es der Justiz und dem Ausschuss gelinge, alles aufzuklären. Er habe sich bemüht, alle Fragen zu beantworten und „seinen kleinen Beitrag zu leisten“. Ob er noch Fragen von Journalisten beantworte? – Kurz: „Ich glaub, ich bin für jetzt einmal dahin.“