Sebastian Kurz
ORF
Übergangsregierung

Kurz verteidigt Vorgehen erneut

Nach seiner Abwahl als Bundeskanzler hat ÖVP-Obmann Sebastian Kurz am Dienstag sein Vorgehen nach dem Bruch der Koalition erneut verteidigt. Er habe „so gehandelt, wie es die Verfassung vorsieht“, erklärte Kurz in einem von mehreren Interviews. Beim „Ibiza-Video“ brachte er neuerlich den ehemaligen SPÖ-Berater Tal Silberstein ins Spiel.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte die Ministerinnen und Minister nach dem Misstrauensvotum im Nationalrat am Dienstag zunächst offiziell ihrer Ämter enthoben – und sie gleich danach übergangsmäßig wieder mit den Amtsgeschäften betraut. Die einzige Ausnahme: Den Job des Interimskanzlers macht nicht Kurz, sondern sein Parteikollege Finanzminister Hartwig Löger.

Der ÖVP-Politiker vertrat Österreich noch am selben Tag beim EU-Sondergipfel in Brüssel. Er habe sich mit Van der Bellen darauf verständigt, dass es „vom Parlament als Provokation gesehen werden würde, wenn ich einen Tag nach der Abwahl Österreich frisch und fröhlich in Brüssel vertrete“, sagte Kurz in der ZIB2. Mit dem Bundespräsidenten sei er in den vergangenen Tagen stets im Austausch gewesen. „Ich habe ihm zugesagt, dass ganz gleich, wie die Übergangsregierung aussehen wird, wir als Volkspartei ihn dabei unterstützen werden.“

Kurz: „Löger die richtige Entscheidung“

Seine Abwahl als Kanzler bezeichnete Sebastian Kurz (ÖVP) in der ZIB2 als nachvollziehbar – nicht verstehen kann er den Misstrauensantrag, der die gesamte Regierung zu Fall brachte.

Kurz sieht keine Rüge Van der Bellens

Bei der Zeremonie in der Hofburg richtete Van der Bellen mahnende Worte an die Politik, die von Beobachterinnen und Beobachtern als Rüge an Kurz gewertet wurden: „Es reicht eben nicht, in einer Demokratie, wenn man mit den anderen nur redet, wenn man sie gerade braucht. Das rächt sich dann im Laufe der Zeit“, hatte Van der Bellen gesagt.

Darauf angesprochen, erklärte Kurz in der ZIB2, er habe Van der Bellen vor der Sendung getroffen und ihn gefragt, ob das Gesagte als Vorwurf in seine Richtung zu interpretieren sei. Van der Bellen habe gesagt, dass er „unsere Zusammenarbeit ordentlich, gut und wertschätzend wahrgenommen hat und dass das nicht als Vorwurf in meine Richtung zu interpretieren ist“.

„Würde Entscheidungen wieder so treffen“

Neben der ZIB2 gab Kurz auch einem Dutzend Printmedien Interviews. Gefragt, ob nicht auch er nach dem Koalitionsende (infolge des „Ibiza-Videos“ von Ex-FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache) Fehler gemacht habe, sagte Kurz zur „Kronen Zeitung“, natürlich mache jeder Fehler. „Aber was die letzte Woche und auch das Ergebnis der Abstimmung im Parlament betrifft, da muss ich ehrlich sagen: Ich würde alles wieder so machen. Denn ich habe so gehandelt, wie es die Verfassung vorsieht.“ Und: „Ich würde alle Entscheidungen wieder so treffen.“

In mehreren Tageszeitungen kritisierte Kurz erneut, dass SPÖ, FPÖ und JETZT nicht nur ihm als Bundeskanzler das Misstrauen aussprachen, sondern gleich der gesamten Regierung. „Nach dem Ibiza-Video haben sich FPÖ und SPÖ in einem gemeinsamen Ziel gefunden, nämlich mich abzuwählen. Was niemand nachvollziehen kann, ist der Umstand, dass sie nicht nur mich, sondern die gesamte Bundesregierung abgewählt haben (…) Das ist nicht gut für das Land“, meinte er im „Standard“. Und zur „Krone“ sagte er: „Das versteht kein Mensch.“

Löger als Interimskanzler angelobt

Als provisorischer Bundeskanzler ist Hartwig Löger (ÖVP) am Dienstag angelobt. Seine Amtszeit wird allerdings nur kurz sein.

Auf die Frage, warum er sein Parlamentsmandat nicht annimmt, sagte Kurz u. a. in der „Presse“ und der ZIB2, er habe für sich die Entscheidung getroffen, „nachzuholen, was in den vergangenen Jahren nur sehr eingeschränkt möglich war“, nämlich den direkten Kontakt mit den Menschen zu pflegen. „Und wir haben mit August Wöginger zudem einen hervorragenden Klubobmann, der den Klub bis zu den Wahlen weiterführen wird.“

„Wer sich in FPÖ durchsetzt, werden wir sehen“

Ein klares Nein kam von Kurz indes neuerlich zu allfälligen Änderungen an Beschlüssen, die während der noch intakten Koalition zwischen ÖVP und FPÖ gefällt wurden: „Wir stehen voll zum Kurs dieser Bundesregierung“, sagte Kurz etwa in der „Tiroler Tageszeitung“. Und er warnte davor, bis zur Neuwahl unüberlegte Beschlüsse zu fällen: „Ich hoffe, dass im Parlament keine Casino-Mentalität um sich greift“, so Kurz im „Kurier“.

In der ZIB2 lobte Kurz neuerlich die Arbeit der zerbrochenen Koalition. „Die inhaltliche Arbeit ist ausgezeichnet gelaufen“, so Kurz. Er sei „hochzufrieden mit allem, was wir umgesetzt haben“, etwa beim „Kampf gegen die illegale Migration“, dem „Ende der Schuldenpolitik“ und der „Steuersenkung“. Auf die Frage, ob die FPÖ in fünf Monaten wieder als Partner infrage komme, sagte Kurz: „Im Moment sieht es nicht so aus.“ Wie sich die FPÖ in den nächsten Monaten und Jahren entwickle, werde man sehen. „Im Moment gibt es einen Norbert Hofer, der aus meiner Sicht sehr betroffen auf dieses Video und die Vorwürfe reagiert, und einen Herbert Kickl, der einen anderen Weg geht. Wer sich da durchsetzt, werden wir sehen.“

„Lust auf Koalitionen überschaubar“

Bei der Sozialdemokratie sieht er weiterhin kaum Anknüpfungspunkte, sagte Kurz am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal – Audio dazu in oe1.ORF.at. „Das Ende der Schuldenpolitik, der Kampf gegen illegale Migration, Senkung der Steuerlast, notwendige Reformmaßnahmen – all das ist konträr zu den Vorstellungen der Sozialdemokratischen Partei“, so Kurz. Aber auch bei der FPÖ habe es herausfordernde Tage gegeben. „Meine Lust auf Koalitionen ist im Moment überschaubar.“

Kurz signalisiert aber die Bereitschaft seiner Partei zu einer Rücknahme der Aufhebung des Rauchverbots in der Gastronomie. „Vielleicht tun wir das – unser oberstes Ziel für die Arbeit im Parlament ist es, dass nicht Steuergeld verschleudert wird“, so Kurz.

Einhalten werde die ÖVP (im Gegensatz zur letzten Nationalratswahl) die vorgeschriebene Wahlkampfkostenobergrenze bei der Neuwahl im Herbst: „Ja, definitiv, das werden wir tun“, sagte er dem „Standard“. Spenden anzunehmen an sich sei aber „nichts Unanständiges“, sagte er gegenüber der „Tiroler Tageszeitung“, es müsse nur Transparenz herrschen.

„Das ist kein antisemitischer Code“

Was die Entstehung des „Ibiza-Videos“ betrifft, brachte Kurz erneut den Namen Silberstein ins Spiel. „Es gibt klare Indizien, von wem dieses Video erstellt wurde. Es gibt auch erste Indizien, wer die Geldgeber und Auftraggeber gewesen sein könnten. Nach meinen eigenen Erfahrungen mit Tal Silberstein, der von der SPÖ beauftragt wurde, im Nationalratswahlkampf antisemitische Homepages zu erstellen, die dann mir in die Schuhe geschoben wurden, um uns bei Medien und Bevölkerung in ein schlechtes Licht zu rücken, weiß ich nicht nur, dass es solche Methoden gibt, sondern auch, dass am Ende jeder Spuren hinterlässt und alles irgendwann immer ans Tageslicht kommt“, sagte er in der „Presse“.

Den Vorwurf, er würde damit antisemitische Codes bedienen, wies er in der „Krone“ zurück: „Tal Silberstein ist der Name einer Person, die weltweit mit üblen Methoden Wahlkämpfe macht und damit sehr viel Geld verdient. Das ist kein antisemitischer Code. Ich habe immer gegen Antisemitismus angekämpft und bin ein starker Unterstützer des Staates Israels, aber einen Namen wird man aussprechen dürfen und auch müssen.“