Die designierte Kanzlerin  Brigitte Bierlein
APA/Hans Punz
Nächste Schritte

Bierlein sucht nach „Vertrauensregierung“

Die am Donnerstag präsentierte Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein stellt nun ihr Kabinett zusammen. Nachdem die bisherige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) schon bei ihrer Präsentation zwei künftige Regierungsmitglieder vorstellte, müssen noch zahlreiche Ressorts besetzt werden, ehe die künftige Kanzlerin und ihre Ministerinnen und Minister angelobt werden.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen nannte die Bildung einer „Vertrauensregierung“ als sein Ziel, der VfGH-Präsidentin Bierlein vorsitzen soll. Am Donnerstag benannte sie bereits die ersten Minister: Der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH), Clemens Jabloner, sei bereit, Vizekanzler und Justizminister zu werden. Der derzeitige Leiter der Europasektion im Bundeskanzleramt, Alexander Schallenberg, wurde von Bierlein zudem als Kandidat für das Außenministerium genannt.

Weitere Persönlichkeiten werden folgen, wobei Bierlein hier neben fachlicher Expertise auch politische Sensibilität als Voraussetzung nannte. Dass hier vor allem erfahrene Beamte zum Zug kommen sollen, ist laut Van der Bellen auch mit den Parteien bereits abgesprochen.

Brigitte Bierlein und Alexander van der Bellen
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Bierlein wurde am Donnerstag von Bundespräsident Van der Bellen in der Wiener Hofburg vorgestellt

„Für Sie sicher überraschend, für mich ist es das auch“

Bierlein werde dem Bundespräsidenten nun Vorschläge für Kandidaten für die einzelnen Ressorts machen, und nach seiner Zustimmung zu diesen Personen werde er diese – wie auch Bierlein selbst als Bundeskanzlerin – zu ernennen haben. Es solle sich um „erfahrene Beamte mit ausgezeichnetem Expertenwissen“ handeln, betonte er. Diese Bundesregierung werde dann im Amt sein, bis es nach der Nationalratswahl im Herbst eine neue Bundesregierung gebe.

Bierlein zeigte sich bei ihrer Vorstellung durch Van der Bellen stolz, von der Größe der Aufgabe aber durchaus auch beeindruckt. „Das ist jetzt für Sie sicher überraschend, für mich ist es das auch.“ Als der Bundespräsident sie gefragt habe, sei sie zunächst sprachlos gewesen und habe sich einige Stunden Bedenkzeit erbeten. Dann sei sie zum dem Schluss gelangt, „zum Wohl der Republik Österreich diese doch sehr verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen“.

Die künftige Übergangskanzlerin sprach vom gegenseitigen Vertrauensaufbau, zuvor hatte das auch schon der Bundespräsident getan. Er habe Gespräche mit allen Parteien geführt und hoffe auf eine weitere Verbesserung und Intensivierung des Dialogs, so Van der Bellen. „Auch wenn es den Parteien gegenwärtig nicht ganz leicht fällt, einander zu vertrauen, so hoffe ich doch, dass sie dieser Regierung in den nächsten Monaten das notwendige Vertrauen entgegenbringen.“

„In höchstem Maße kompetent“

Van der Bellen bezeichnete die mit der Regierungsbildung beauftragte Bierlein als „umsichtige, weitsichtige und in höchstem Maße kompetente Persönlichkeit“.

Vorschusslorbeeren aus allen Lagern

Von Bundespräsident Van der Bellen abwärts gab es quer durch alle Lager Vorschusslorbeeren für Bierlein. Er habe eine Person gesucht, die über umfassendes Wissen verfüge und von der der sorgfältigste Umgang mit der Bundesverfassung zu erwarten sei, sagte Van der Bellen. „Und wer wäre dafür besser geeignet als die oberste Hüterin der österreichischen Bundesverfassung?“

ÖVP-Chef Sebastian Kurz sieht Bierlein als „außerordentlich kompetente, erfahrene und integre Persönlichkeit“. Die ÖVP werde sie bestmöglich unterstützen. Erfreut, dass eine Frau zum Zug kam, ist SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Sie sei überzeugt, dass mit Bierlein an der Spitze der Übergangsregierung die Zusammenarbeit zwischen Regierung und dem Parlament im Sinne von Stabilität für das Land wieder von Dialogbereitschaft gekennzeichnet sein werde.

Lob für die neue Kanzlerin

Über die Ernennung Brigitte Bierleins zur Übergangskanzlerin zeigten sich die Parteien am Donnerstag erfreut.

Lobend äußerte sich auch FPÖ-Chef Norbert Hofer. Bierlein sei eine hoch angesehene, bestens qualifizierte und integre Persönlichkeit. Klubchef Herbert Kickl kündigte eine gute Zusammenarbeit auf parlamentarischer Ebene im Interesse der österreichischen Bevölkerung mit der neuen Bundeskanzlerin an.

„Ich freue mich sehr, dass wir erstmals eine Frau als Kanzlerin bekommen“, sagte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, die sich gleichzeitig davon überzeugt zeigte, dass Bierlein ihr Amt besonnen anlegen werde. JETZT-Klubobmann Bruno Rossmann bezeichnete Bierlein per Aussendung als „kompetente und erfahrene Persönlichkeit, die geeignet ist, die politische Stabilität in Österreich wiederherzustellen“. Auch in den Ländern wurde die Entscheidung begrüßt.

Politologin Stainer-Hämmerle: „Gerecht“

In der ZIB2 sagte die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle, dass die Ernennung Bierleins ein „schöner Höhepunkt“ zum 100-Jahr-Jubiläum des Frauenwahlrechts sei. Dass Bierlein nun Kanzlerin werde, sei nicht nur „sehr symbolträchtig“, sondern es sei „auch gerecht“, dass nun eine „Frau die Geschicke leitet“. Gleichzeitig verwies sie darauf, dass Frauen immer dann „zum Zug“ kommen, wenn „es darum geht, Scherben aufzuräumen“. Bei Bierlein sei jedoch nicht das Geschlecht ein Kriterium, sondern „vor allem ihre berufliche Qualifikation“. Durch ihre Arbeit als Richterin genieße sie „höchstes Vertrauen“, so die Politologin.

Analyse von Politologin Stainer-Hämmerle

Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle analysiert die Vorgänge rund um die Bestellung der Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein.

Wahltermin noch offen

Wie lange Bierlein für die Bildung einer Regierung brauchen wird, war am Donnerstag noch unklar. In Medien wird darüber spekuliert, dass Anfang nächster Woche das vollständige Kabinett präsentiert werden könnte. Unklar ist auch noch, wann die Neuwahl stattfindet.

Der von Van der Bellen angedachte Wahltermin Anfang September dürfte vom Tisch sein. Als frühester Termin kristallisierte sich bei einem APA-Rundruf bei den Parlamentsparteien der 15. September heraus, allenfalls auch der 22. oder 29. September. Die ÖVP drängt auf einen möglichst frühen Termin. Die Vorentscheidung fällt voraussichtlich kommende Woche. Für einen Wahltermin am 1. oder 8. September – also noch in den Sommerferien – spricht sich keine der Parteien aus. Die ÖVP plädiert für den 15. September, die SPÖ könnte sich auch den 22. September vorstellen. Spätestens Anfang übernächster Woche befasst sich der Verfassungsausschuss des Nationalrats mit dem Neuwahlantrag.