Einsatzkräfte am Unglücksort
APA/AFP/Attila Kisbenedek
Schiffsunglück

28 Tote in Budapest befürchtet

Nach dem schweren Schiffsunglück auf der Budapester Donau in der Nacht auf Donnerstag sind die Rettungsarbeiten bisher erfolglos verlaufen. Noch immer gelten 21 Personen als vermisst, sieben Menschen starben bei dem Zusammenstoß zwischen einem Ausflugs- und einem Kreuzfahrtschiff. Der Kapitän des Kreuzfahrtsschiffs wurde festgenommen.

Gegen den 64-Jährigen Ukrainer sei nach einer Vernehmung Haftbefehl beantragt worden, erklärte die Polizei in Budapest am Donnerstagabend. Am Abend untersuchten unterdessen Taucher die Unglücksstelle, wie die ungarische Tageszeitung „Nepszava“ berichtete.

„Alle, die bei der Suche mithelfen, werden weiterhin alles in ihrer Macht stehende tun (…) und die vermissten Personen zu finden“, zitiert die US-Presseagentur AP die Budapester Polizei. Die Aussicht, die vermissten Personen lebend zu finden, wurde von den ungarischen Behörden als gering eingeschätzt.

Die Rettungsarbeiten gestalteten sich schwierig, die Donau würde mit „9 bis 11 Kilometer pro Stunde“ fließen, heißt es vonseiten der Polizei. Den Großteil des Tages war aufgrund des hohen Wasserstandes, der Strömung und der schlechten Sicht kein Tauchgang möglich.

Unklarheit über Ursache für Unglück

Am Donnerstag wurde auch ein Video veröffentlicht, auf dem der Unfallhergang ersichtlich ist. Dabei dürfte das Ausflugsschiff „Hableany“ (Nixe) unter der Brücke scharf nach links gesteuert haben und damit vor den Bug des größeren Hotelschiffs „Viking Sigyn“, so ORF-Korrespondent Ernst Gelegs in der ZIB1. Damit konnte das größere Schiff nicht mehr ausweichen. Warum das Schiff plötzlich ausriss, ist unklar, so Gelegs, menschliches Versagen könne jedoch nicht ausgeschlossen werden.

Überwachungskameras filmten Unfallhergang

Überwachungskameras auf einer Brücke über die Donau nahmen das Schiffsunglück auf. (Videoquelle: EBU/Ungarische Polizei)

Südkoreanische Reisegruppe an Bord

Es gebe nur „minimale Hoffnung“ auf weitere Überlebende, hieß es schon zuvor von einem Sprecher der Rettungskräfte untertags. Laut Berichten der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap befanden sich 30 südkoreanische Touristen, die eine Sechs-Länder-Reise nach Osteuropa gebucht hatten, auf der gesunkenen „Hableany“. Dazu kämen noch drei Reisebegleiter sowie die zwei ungarischen Besatzungsmitglieder. Die meisten Reisenden seien 40 bis 50 Jahre alt gewesen. Auch ein sechsjähriges Kind sei an Bord gewesen.

Passanten beobachten die Suchaktion auf der Donau nahe der Magaretenbrücke
Reuters/Bernadett Szabo
Die Suche wurde auch am Tag weitergeführt und noch ausgedehnt

Sieben Menschen konnten gerettet werden, im Fernsehen wurde berichtet, dass mittlerweile alle bis auf eine Person bereits aus dem Krankenhaus entlassen wurden. Unter den 21 Vermissten sind 19 Südkoreaner, zwei Menschen gehören zur Besatzung – es soll sich dabei um den Kapitän und seinen Assistenten handeln.

Bergung könnte Tage dauern

Die Bergung des Wracks könne sich verzögern, berichtete unterdessen das Internetportal 24.hu am Donnerstag. Wegen der sich wahrscheinlich im Wrack befindlichen Opfer drängen die Behörden auf eine baldmöglichste Lösung. Laut Katastrophenschutz könnte deren Bergung Tage dauern, zitierte das Portal.

Die Suche nach Opfern wurde untertags auf 100 Kilometer Länge entlang des Donau-Ufers festgelegt. Zwei der sieben Toten seien mehrere Kilometer weit von der Unfallstelle entfernt geborgen worden, die Behörden veröffentlichten eine Karte mit den genauen Zeiten und Fundorten der Opfer.

Rettungsboot vor der Freiheitsbrücke auf der Donau in Budapest
Reuters/Bernadett Szabo
Die Suche in der Donau ging die ganze Nacht weiter – hier bei der Freiheitsbrücke

Unglück überraschte Menschen unter Deck

Angesichts des schlechten Wetters sollen sich die Touristen und Touristinnen zum Zeitpunkt des Unglücks unter Deck befunden haben. Das Ausflugsboot sei nach dem Zusammenstoß mit einem großen Hotelschiff dramatisch schnell gesunken, berichteten Medien. Das Hotelschiff soll unter Schweizer Flagge gefahren sein. Die „Viking Sigyn“ gehört den Viking River Cruises mit Sitz in Basel.

Auf Fotos ist das Schiff nach der Kollision auf der Donau in Budapest zu sehen. Die Viking River Cruises waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Auf dem Hotelschiff soll niemand zu Schaden gekommen sein.

Ernst Gelegs berichtet aus Budapest

Die Suche mit Hilfe von Tauchern gestaltet sich schwierig, so ORF-Korrespondent Ernst Gelegs.

Laut Mitteilung des südkoreanischen Außenministeriums hätten die Passagiere des Ausflugsschiffes zum Zeitpunkt des Unglücks keine Rettungswesten getragen. Der nächtliche Schiffsausflug sei einer der letzten Programmpunkte der Touristengruppe in Ungarn gewesen.

„Routinemäßige Stadtbesichtigung“

Die Leitung des Schiffseigners Panorama Deck GmbH wurde von der Polizei vernommen. Laut Firmensprecher Mihaly Toth nahm die zweiköpfige, erfahrene Besatzung des Schiffes unter Einsatz ihres eigenen Lebens an den Rettungsarbeiten teil.

Polizisten suchen von einer Brücke aus nach Überlebenden in der Donau in Budapest
AP/MTI/Zsolt Szigetvary
Auch von den Brücken aus wurde das Wasser beobachtet

Laut Toth, soll es sich bei der Ausflugsfahrt um eine „routinemäßige Stadtbesichtigung“ gehandelt haben. Die „Hableany“ war ein 27 Meter langes Doppeldeckerboot und bot Platz für etwa 60 Personen, hieß es vom Schiffseigentümer. Seit 2003 war das Schiff für die Panorama Deck GmbH im Einsatz.

Der erste Notruf war um 21.15 Uhr, zehn Minuten nach der Kollision, bei der Polizei eingegangen. Unmittelbar darauf begannen große Such-und Rettungseinsätze von Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienst.

Auch Spezialtaucher hinzugezogen

Ein Militärschiff mit Spezialtauchern traf am Donnerstagvormittag an der Budapester Margaretenbrücke ein, um die Lage des in einer Tiefe von drei bis vier Metern liegenden Schiffswracks zu untersuchen. Das Wrack soll schließlich in mehreren Phasen geborgen werden.

Schwierige Suche nach Vermissten

Die Suche nach den Opfern der Schiffskatastrophe in Budapest ging auch am Donnerstag weiter. Der Auslöser des Unglücks ist unklar. (Videoquelle: APTN/MTI)

Menschliches Versagen als Ursache des Unglücks sei nicht ausgeschlossen, betonte der Generalsekretär des Ungarischen Schifffahrtsverbandes, Imre Horvath, laut Medien. Schiffe seien heute mit Satellitenortung ausgestattet, sodass sie die eigene oder die Position anderer Schiffe sowie deren Bewegung mit hoher Präzision bestimmen können.

Südkorea schickt „schnelle Einsatzgruppe“

Der südkoreanische Reiseveranstalter Verygoodtour bat um Entschuldigung. Das Unternehmen werde alles tun, um den Opfern und deren Familien zu helfen, sagte der Leiter des Kundenservice, Lee Sang Moo, im südkoreanischen Fernsehen. Inzwischen wurden die Angehörigen der Todesopfer mit Hilfe des Reiseveranstalters nach Budapest geflogen.

Nach Informationen der ungarischen Nachrichtenagentur MTI wurde die südkoreanische Außenministerin Kang Kyung Wha in Budapest erwartet. Die Regierung in Seoul will die Suche nach den vermissten Passagieren unterstützen. Das südkoreanische Außenministerium kündigte am Donnerstag an, eine „schnelle Einsatzgruppe“ mit 18 Beamten und Rettungskräften an den Unglücksort nach Budapest zu schicken. Ungarns Gesundheitsministerin Ildiko Horvath begab sich an die Unglücksstelle, um den Familien der Opfer ihr Beileid auszudrücken.

Hilfe wurde auch aus Österreich geschickt: Drei Teams mit insgesamt zehn Einsatztauchern des Einsatzkommandos Cobra wurden nach Budapest entsandt. „Mein aufrichtiges Beileid gilt den Angehörigen der verunglückten Passagiere. Bei solchen tragischen Unglücken ist es wichtig, dass wir unseren Nachbarn mit Einsatzkräften und modernster Technik zur Verfügung stehen“, so Innenminister Eckart Ratz.