Unter tosendem Applaus wurde die 16-Jährige am Nachmittag auf der Bühne am Wiener Schwarzenbergplatz begrüßt. „Gemeinsam verändern wir die Welt“, rief die Schwedin den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu. Millionen Menschen auf allen Kontinenten seien bereits fürs Klima auf die Straße gegangen. Sie würden noch immer streiken, in Extremfällen dadurch sogar ihre Freiheit riskieren, sagte die Aktivistin.
Dass so viele Schülerinnen und Schüler entschieden haben, an den Schulstreiks teilzunehmen, sei ein „klares Zeichen, dass etwas sehr falsch rennt“, betonte Thunberg. Erwachsene und Entscheidungsträger „hören noch immer nicht auf uns“. „Sie sagen uns, dass wir zurück in die Schule gehen sollen“, kritisierte die 16-Jährige. Aber: „Unsere Zukunft wird uns genommen.“
Menschen aller Altersgruppen demonstrierten zusammen
Deshalb benötige es auch die Unterstützung der Erwachsenen. „Wir brauchen sie mehr als je zuvor“, appellierte die Klimaaktivistin. Auch wenn in wenigen Wochen Ferien seien, werde die „Fridays For Future“-Bewegung fortgeführt. „Wir werden nicht aufhören.“ Ihrem Aufruf zum Streik am Fenstertag waren nicht nur Schüler, sondern Menschen quer durch alle Altersgruppen gefolgt.
Auch Familien nutzten den Tag, um sich für mehr Klimaschutz einzusetzen. Aus ganz Österreich reisten die Demonstrierenden an. Während die Veranstalter von 35.000 Teilnehmern sprachen, zählte die Polizei auf dem Schwarzenbergplatz 5.000 Personen. Der Mitorganisator Johannes Stangl sagte gegenüber der APA, die große Teilnehmerzahl sei ein Zeichen für die künftige Regierung. „Umweltschutz ist nicht verhandelbar", unterstrich Stangl. Und: Ich bin wirklich froh, dass wieder so viele gekommen sind. Greta Thunberg ist eine Inspiration für uns alle.“
„Make the climate great again“
Die Demonstrantinnen und Demonstranten kamen wieder mit jeder Menge Plakaten, auf denen etwa „Es gibt keinen Planet B“, „Make the climate great again“, „Klimawandel leugnen kann tödlich sein“ oder auch „Papas for future“ sowie „Greta ist not alone anymore“ zu lesen war. Einige hatten sich auch als Biene, Eisbär oder Einhorn verkleidet.
Pariser Klimaziele
195 Länder haben sich 2015 auf der Pariser Klimaschutzkonferenz auf einen globalen Aktionsplan geeinigt, der die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten begrenzen soll. Festgelegt wurde etwa ein festes CO2-Budget – eine Obergrenze für Emissionen, die maximal freigesetzt werden dürfen.
In ihrer Rede verwies Thunberg auch darauf, dass es laut Wissenschaft möglich sei, die Pariser Klimaziele noch zu erreichen. Aber nicht, „wenn wir so weitermachen wie bisher. Wir müssen unsere Lebensweise radikal ändern, um die Emissionen zu stoppen“, machte Thunberg deutlich. Die Schülerin kündigte in ihrer Rede in Wien an, dass sie im kommenden Jahr ein Sabbatical nehmen werde. Denn Thunberg will bei der Klimakonferenz im September in New York und der COP25 im Dezember in Chile teilnehmen. Wie sie dort hingelangen wird, sei noch eine Challenge, sie müsse es sich noch überlegen, denn „über den Atlantik fährt kein Zug, und ich fliege nicht“, sagte Thunberg. Aber „ich bin mir sicher, dass ich irgendwie hinkommen werde“, meinte die 16-Jährige. Während ihrer Rede gab es immer wieder spontanen Applaus.
Klimaschutz: Interesse bei Jugendlichen steigt
Am Freitag nahm Thunberg in Wien an der „Fridays for Future“-Demonstration statt – eine Jugendbewegung, die den Kampf gegen den Klimawandel als zentrales politisches Thema ansieht.
Mehr Anstrengungen der Politik gefordert
Sammelpunkt war der Wiener Heldenplatz, hier standen Statements von Aktivisten und der „Scientists 4 Future“ auf dem Programm. Die Redner forderten vor allem ein stärkeres Vorgehen der Politik gegen die Klimakrise und gegen das Aussterben von „einer Million Tier- und Pflanzenarten“. Zudem sollte das 1,5-Grad-Ziel unbedingt eingehalten werden, da diese Erwärmung „das Maximum ist, das der Planet ertragen kann“, so „Fridays For Future“. In den kommenden zehn Jahren müssten dafür „beispiellose Umweltschutzmaßnahmen getroffen werden“.
Unter lautstarken Forderungen wie „There is no future on a dead planet“ oder „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr die Natur versaut“ ging der Demozug dann über den Ring zum Schwarzenbergplatz, wo Thunberg ihre Rede mit den Worten „Wir brauchen jeden. Seid ihr dabei?“ schloss, woraufhin jubelnde Zustimmung erklang. Als sie die Bühne und den Platz verließ, folgte ein Ansturm auf die 16-Jährige, viele Jugendliche wollten ein Selfie mit ihr. Aktivisten bildeten Menschenketten, um Greta aus der Menge zu geleiten.
Thunberg als Gesicht der Klimaschutzbewegung
Thunberg begann im August 2018 damit, vor dem Parlament in Stockholm für einen stärkeren Einsatz Schwedens gegen den Klimawandel zu protestieren. Ihr „Schulstreik fürs Klima“ fand Tausende Nachahmer in aller Welt, die 16-Jährige selbst wurde zum Gesicht der internationalen Klimaschutzbewegung.
Die Aktivistin wirft der Politik vor, Profite über den Schutz des Klimas zu stellen. „Da sich unsere Führer wie Kinder verhalten, werden wir die Verantwortung übernehmen müssen, die sie schon lange übernehmen hätten müssen“, sagte Thunberg auf dem UNO-Klimagipfel in Katowice im Dezember vergangenen Jahres.
Festnahmen bei Nebendemonstration
Neben der „Fridays For Future“-Demonstration wurde am Freitag unter anderem die Ringstraße bei der Urania von Aktivisten und Aktivistinnen besetzt. Zwei Personen seilten sich auch von der Aspernbrücke ab, zwei weitere hingen auf sogenannten Tripods, einem einfachen dreibeinigen Turm, auf der Straße. Die Aktivisten forderten einen radikalen Wandel des Mobilitätssystems. Zu den Protesten kam es im Rahmen des Aktionstags für Klimagerechtigkeit, zu dem das Klimacamp bei Wien eingeladen hatte.
Die Feuerwehr war mit einer Drehleiter im Einsatz. Von dieser seilten sich Beamte der Wega ab, um die hängenden Aktivisten zu fassen. Die Mehrzahl der Teilnehmer hätten sich gegenüber der Exekutive nicht kooperativ gezeigt und nicht an den Identitätsfeststellungen mitgewirkt, weshalb fast alle der 100 Demonstrierenden vorläufig festgenommen wurden, so die Polizei. Die Veranstalter der Aktion beklagten wiederum das „brutale“ Vorgehen der Polizei. Es habe mehrere Verletzte gegeben.