Junge Familie auf Zebrastreifen
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WIFO-Studie

Junge Familien unter Druck

Im Gegensatz zu anderen Ländern hat die Wirtschaftskrise in Österreich keinen Anstieg der Ungleichheit bewirkt. Das geht aus einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) über Umverteilung und Armut hervor. Sehr wohl unter Druck gekommen sind aber Jüngere und Familien mit Kindern – deren Einkommen sind in den Jahren nach der Krise gesunken.

Das erläuterte Studienleiterin Silvia Rocha-Akis im Gespräch mit der APA. „Haushalte mit jüngeren Erwachsenen und Haushalte mit Kindern sind in der Verteilung abgerutscht.“ Im Detail heißt das: Für Haushalte mit älteren Erwachsenen ab 46 und Pensionistinnen und Pensionisten sind die verfügbaren Einkommen von 2010 bis 2015 inflationsbereinigt gestiegen (plus 5,5 bzw. 7,6 Prozent), während sie für jüngere Erwachsene ohne Kinder (minus 3,2 Prozent) und jüngere bzw. ältere Erwachsene mit Kindern (minus 2,6 bzw. minus 2,8 Prozent) gesunken sind.

Ohne Umverteilungsmaßnahmen wäre der Rückgang noch weit stärker ausgefallen (bis zu 9,2 Prozent). Der seit heuer geltende Steuerbonus für Familien könnte dem laut Rocha-Akis teilweise entgegenwirken, wird aber alleine nicht ausreichen, um den Verlust auszugleichen. Den Gründen für das Abrutschen vieler Familien werde man näher nachgehen müssen. Möglicherweise wirke sich die instabile Beschäftigungslage für Junge stärker negativ aus.

Grafik zur Umverteilung und Armut in Österreich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Wifo

Sozialstaat: 40 bis 60 Prozent der Haushalte profitieren

Gleichzeitig verweist die Studie auf die Wichtigkeit des Sozialstaats: So wird gezeigt, dass vom Sozialstaat nicht nur die unteren Einkommensgruppen profitieren. Je nach Definition sind nämlich 40 bis 60 Prozent der österreichischen Haushalte „Nettoempfänger“. Ihr Einkommen steigt durch die staatliche Umverteilung also stärker an, als es im Gegenzug durch Steuern und Sozialabgaben belastet wird.

Expertin Rocha-Akis erklärt, dass von klassischen Sozialleistungen wie Mindestsicherung, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe zwar tatsächlich arme Haushalte am stärksten profitieren. Vom Ausmaß her wichtiger als die direkten Geldzahlungen seien jedoch Dienstleistungen wie Schulen, Hochschulen, Kindergärten und vor allem das Gesundheitswesen. Hier fließen drei Viertel der staatlichen Sozialtransfers (ohne Pensionen) hin.

Ungleichheit seit Wirtschaftskrise nicht erhöht

„Diese Sachleistungen sind viel gleichmäßiger verteilt. Auch die oberen Einkommen profitieren von einem Gesundheits- und Bildungssystem, das allen unentgeltlich zur Verfügung steht“, so die WIFO-Ökonomin. Aber auch für untere Einkommen leisten staatliche Dienstleistungen einen wesentlichen Umverteilungsbeitrag: „Kürzungen würden diese Einkommensgruppen empfindlich treffen.“

Überrascht hat die Studienautoren, dass die seit 2000 steigende Ungleichheit durch die Wirtschaftskrise nicht weiter befeuert wurde. Im Gegenteil: Die Einkommensverteilung ist seither weitgehend stabil geblieben. Dies deshalb, weil niedrige Zinsen die oberen Einkommen gedämpft haben, während die unteren gestiegen sind. Allerdings schränkt Rocha-Akis ein, dass von Letzterem nicht alle gleichermaßen profitieren. „Wir sehen, dass die Dinge je nach Haushaltstyp nicht so rosig sind“, so die Studienleiterin.

Nur Lohn würde meist nicht reichen

Die Studie zeigt auch, wie stark der Sozialstaat die Armut reduziert. Müssten alle Österreicherinnen und Österreicher ausschließlich von dem Geld leben, das sie auf dem Arbeitsmarkt verdienen können, wäre jeder Dritte armutsgefährdet (34,8 Prozent). Durch staatliche Zuschüsse sinkt die Armutsgefährdung auf 15,5 Prozent, durch Sachleistungen (Kindergärten etc.) und Steuern auf 10,5 Prozent.

Finanziert wird das durch Sozialabgaben und Steuern. Wobei das Einkommen der unteren 40 Prozent der Haushalte durch die Umverteilung steigt, inklusive Pensionen sind sogar 60 Prozent der Haushalte Nettoempfänger. Ob die Pensionen als Umverteilungsmaßnahme oder als Teil des Einkommens zu werten sind, ist aber strittig, weil ein guter Teil der Pensionsbezüge durch eigene Beiträge finanziert wird. An einer Verbesserung der Datenbasis in diesem Bereich würde für künftige Studien gearbeitet.