Andreas Pilsl
picturedesk.com/EXPA/Michael Gruber
Übergangsregierung

FPÖ gegen Pilsl als Innenminister

Bei der Suche nach Personal für die Übergangsregierung der designierten Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein dürften sich ÖVP, FPÖ und SPÖ in den vergangenen Tagen bereits auf zahlreiche Namen verständigt haben. Eine kolportierte Personalie sorgt aber nun für Gegenwind: Die Freiheitlichen stellten sich am Sonntag öffentlich gegen die Besetzung des Innenministeriums mit dem oberösterreichischen Landespolizeidirektor Andreas Pilsl.

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker erklärte in einer Aussendung, Pilsl sei ein „Strasser-Mann und Kandidat der alten schwarzen BMI-Netzwerke“. Der Landespolizeidirektor wird als neuer Innenminister gehandelt – mehr dazu in ooe.ORF.at. Dies mache die „wahren Interessen der ÖVP seit dem Bekanntwerden des ‚Ibiza-Videos‘ immer deutlicher sichtbar“, so Hafenecker.

„Erst ging es der ÖVP einzig und allein um den Kopf von Herbert Kickl und darum, dass das Innenministerium unbedingt wieder in schwarze Hände kommt. Jetzt will sie dort einen Mann installieren, der mittendrin war, als die schwarzen Netzwerke geknüpft wurden und – unter (Ernst) Strasser, (Günther) Platter und (Liese) Prokop – vom Kabinett aus an der schwarzen Einfärbung des Ministeriums und der Polizei maßgeblich beteiligt gewesen sein dürfte“, so Hafenecker.

Pilsl in den Posten „gehievt“

Pilsl sei in seinen Posten in Oberösterreich „gehievt“ worden, „obwohl er die sonst für Landespolizeidirektoren vorgesehene Qualifikation eines abgeschlossenen Jusstudiums nicht aufweist“, erklärte der FPÖ-Generalsekretär. Auch das sei ein „Indiz für seine tiefe Verankerung in den höchsten Machtzirkeln der schwarzen BMI-Ära“.

Andreas Pilsl
APA/EXPA/Michael Gruber
„Schwarze Netzwerke“: Die FPÖ übte scharfe Kritik an der Personalie Pilsl

„Wenn sich die ÖVP für diesen Strasser-Mann starkmacht, so zeigt sich, dass ihr an einem parteiübergreifenden Konsens bei der Zusammensetzung der Übergangsregierung nichts liegt“, meinte Hafenecker. Er mutmaßt, dass das „eigentliche Ziel“ der ÖVP die „Rückeroberung des BMI“ sei. Um das zu erreichen, sei Ex-Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz sogar bereit gewesen, die Regierungszusammenarbeit „und am Ende sich selbst und die bisherigen ÖVP-Minister“ zu opfern, sagte er. „Warum dieses Ziel für die ÖVP just einen Tag nach Auftauchen des ‚Ibiza-Videos‘ eine so zentrale Bedeutung erlangt hat, ist die spannendste Frage in diesen politisch hochinteressanten Tagen“, so Hafenecker.

Pilz gegen Pilsl

Auch bei JETZT stößt Pilsl als Innenminister auf Ablehnung. Er sei 2006 maßgeblich daran beteiligt gewesen, vom Ministerkabinett unter Innenminister Strasser aus die BAWAG-Aktion vor den Nationalratswahlen gegen die SPÖ zu steuern, so Peter Pilz (JETZT) in einer Aussendung: „Die Installierung Pilsls als Innenminister ist der Versuch der ÖVP, das Innenministerium von der FPÖ wieder zurück in den Besitz der eigenen Partei zu bringen.“ Sollte er Innenminister werden, bliebe „nichts anderes übrig, als den nächsten Misstrauensantrag (…) zu stellen“.

Bevor der Name Pilsl ins Spiel kam, war immer wieder der ehemalige VfGH-Präsident Gerhart Holzinger als möglicher Innenminister genannt worden. Zudem wurde kolportiert, dass auch der derzeitige Innenminister Eckart Ratz seinen Posten behalten könnte.

Zahlreiche Namen kursieren

Bereits am Samstag kursierten die Namen von sieben möglichen Ministerinnen und Ministern. Als neue Verantwortliche für Wirtschaft und Digitales ist offenbar Elisabeth Udolf-Strobl im Gespräch. Sie ist Sektionschefin im Wirtschaftsministerium und gilt als ÖVP-nah. Zurzeit ist sie mit der Leitung des Bereichs „Kulturelles Erbe“ betraut, dabei geht es um Erhalt und Verwaltung kultureller Bauten sowie Denkmäler. Als Bildungsministerin fix sein dürfte mehreren Berichten zufolge Iris Rauskala. Die 40-Jährige ist derzeit Chefin der Präsidialsektion des Ressorts.

Brigitte Bierlein und Alexander Van der Bellen
APA/Hans Punz
Bierleins Kabinett nimmt langsam Gestalt an

Kemperle dürfte Verteidigungsminister werden

Gute Chancen auf das Finanzministerium soll dem Vernehmen nach Eduard Müller haben – er leitet derzeit die Sektion I (Finanzverwaltung, Management und Services). Müller ist Autor mehrerer Publikationen zu Steuerrecht und Verwaltung. Auch er steht offenbar der ÖVP nahe. Verteidigungsminister könnte laut Ö1-Mittagsjournal Christian Kemperle werden, er ist ebenfalls Sektionsleiter im Ministerium (Recht und Personal).

 Eduard Müller
APA/Hans Klaus Techt
Müller steht als Finanzminister hoch im Kurs

Sozialministerin soll dem „Standard“ zufolge die derzeitige Sektionschefin Brigitte Zarfl werden. Sie wurde noch unter dem ehemaligen Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bestellt. Für das Amt der Familienministerin ist laut „Kurier“ Ines Stilling vorgesehen. Im Bundeskanzleramt war sie zuletzt Leiterin der Sektion für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung.

Dem Infrastrukturministerium soll laut „Standard“ bald Hartwig Hufnagl vorstehen. Er wurde unter Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) Anfang des Jahres zum Betriebsvorstand der Autobahngesellschaft ASFINAG bestellt. Hufnagl war einst im Kabinett unter Hubert Gorbach (FPÖ) tätig und war zuletzt im Ministerium von Hofer dessen stellvertretender Kabinettschef.

Hartwig Hufnagl
APA/Helmut Fohringer
Hufnagl könnte Norbert Hofer als Infrastrukturminister nachfolgen

Zwei Namen hat Bierlein bereits selbst genannt. Clemens Jabloner, über zwei Jahrzehnte Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, wird nicht nur Justizminister, sondern auch Vizekanzler. Botschafter Alexander Schallenberg, derzeit Leiter der Europasektion im Bundeskanzleramt und enger Mitarbeiter von Kurz, ist als Außen- und Europaminister vorgesehen.

Angelobungstermin in Schwebe

Eine Bestätigung für alle genannten Kandidatinnen und Kandidaten gab es auch am Sonntag nicht. Der Termin der Angelobung stand ebenfalls noch nicht fest. Sollte diese wie erwartet Anfang der Woche stattfinden, müsste sie wohl bis spätestens Montagnachmittag über die Bühne gehen. Denn am Montagabend beginnt das zweitägige Treffen der deutschsprachigen Staatsoberhäupter Europas zum Thema „Demokratie und Digitale Gesellschaft“ in Linz, bei dem Bundespräsident Alexander Van der Bellen als Gastgeber fungiert.

Offen ist nach wie vor auch, ob sich die Übergangsregierung schon kommende Woche dem Parlament vorstellen wird. Sollte die Angelobung am Montag über die Bühne gehen, könnte es am Dienstag oder Mittwoch eine Präsidialsitzung geben und dann für Donnerstag oder Freitag eine Nationalratssondersitzung anberaumt werden. Das ist aber noch alles in der Schwebe.

Faktum ist nur, dass je später die Angelobung stattfindet, desto unwahrscheinlicher eine Sondersitzung wird. Am 12. und 13. Juni findet ohnehin eine reguläre Sitzung des Nationalrates statt, in der die Regierung bereits vorgestellt werden könnte.

Termin für Neuwahl noch offen

Auch auf einen Termin für die Neuwahl im September haben sich die Fraktionen noch nicht geeinigt. Die SPÖ bestätigte zwar, dass sie den 29. September für am sinnvollsten halte, dass man sich darüber mit der FPÖ bereits geeinigt haben soll, dementierten aber beide Parteien. Es sei noch alles offen, sagte ein Sprecher von FPÖ-Klubobmann Norbert Hofer am Samstag. Man werde den Termin für die Nationalratswahl kommende Woche mit den Parlamentsparteien besprechen.

Im Zusammenhang mit einem möglichen späten Wahltermin übte Ex-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) scharfe Kritik an SPÖ und FPÖ. „SPÖ und FPÖ wollen die Zeit bis zum Wahlgang offenbar künstlich verlängern, so Köstinger. „Der Bundespräsident hat sehr klar die Bitte geäußert, möglichst schnell und Anfang September zu wählen. Damit hat er vermutlich nicht den 29. September gemeint." Die ÖVP trete für einen möglichst frühen Wahltermin ein.