Peter Gridling beim BVT-U-Ausschuss
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Gridling im U-Ausschuss

„Geheimprojekt“ lief an BVT-Chef vorbei

Bereits zum dritten Mal hat Peter Gridling am Montag vor dem BVT-U-Ausschuss Rede und Antwort stehen müssen. Seine Rolle als „Stammgast“ ist im Grunde kaum verwunderlich – schließlich ist er der Chef des Verfassungsschutzes. Diesmal drehte sich alles es um die zunehmende internationale Isolation, mangelnde Kommunikation mit Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), den „Ibiza-Skandal“ und „geheime Projekte“, von denen er als Chef nichts wissen sollte.

So gab Gridling an, Ex-Innenministeriumsgeneralsekretär Peter Goldgruber habe zwei Projekte im BVT gestartet, die als geheim eingestuft waren – und zwar so geheim, dass weder Gridling noch dessen Stellvertreter Einblick haben durften. Es ging dabei um eine Ausbildung für Informationsbeschaffer und eine Neugestaltung der Staatsschutzanalyse. „Wir haben das mittlerweile behoben“, so Gridling.

NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper fragte nach, wie er von dieser Geheimgruppe erfahren habe, wenn sie geheim gewesen sei. Man habe ja Personal für diese Projekte bereitstellen müssen – so habe er davon erfahren. Er habe dann Goldgruber darauf hingewiesen, „dass ich es für unsinnig halte“, dass Personal für Informationsbeschaffung fürs BVT ausgebildet werde und der Leiter des BVT nicht einmal wisse, wofür diese genau trainiert werden. Goldgruber habe darauf nicht reagiert.

Fokus auf Major F.

Gridling habe dann versucht, von Major F. (er sitzt in der Reformgruppe des BVT) Informationen zu bekommen – F. habe ihm aber gesagt, er könne Gridling gerne treffen, dürfe ihm aber bei dem Treffen nichts Relevantes sagen, schließlich sei das alles geheim. Er habe auch mit der Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, darüber gesprochen, auch sie habe sich die Geheimprojekte nicht erklären können.

Stephanie Krisper
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Krisper fragte Gridling zur „Geheimgruppe“ im Verfassungsschutz

Begonnen habe das Projekt im Vorjahr. Er, Gridling, habe auch Goldgruber gleich gesagt, dass das „nicht in Ordnung“ sei. „Wir mussten ja Personal abstellen. Nachdem die Ausbildung nicht im BVT, sondern in der Marokkanerkaserne stattgefunden hat, war für uns klar, dass wir hier Schwierigkeiten haben werden, unsere Dienst- und Fachaufsicht auszuführen“, so Gridling.

Informationen erst für Projektende angekündigt

Goldgruber habe ihm aber versichert, dass die BVT-Führung keine Verantwortung trage. Wie viel Personal für die Geheimprojekte abgestellt werden musste? Zumindest fünf inklusive Major F., so Gridling – und zusätzlich fürs Training wurden Mitarbeiter des BVT herangezogen. Ob der Minister über das Geheimprojekt informiert gewesen sei, konnte Gridling nicht sagen. Alles sei über Goldgruber gelaufen. Dieser habe Gridling angekündigt, ihn noch vor Projektende über die genauen Inhalte informieren zu wollen.

JETZT-Mandatarin Alma Zadic fragte, war Major F. dazu befähigt, an dieser „Geheimgruppe“ teilzunehmen. Gridling konnte dazu keine Angaben machen, seinen Personalakt habe er nie gesehen. Was F. qualifizierte, wisse er nicht, aber er „gehe davon aus, dass er ein Vertrauter des Herrn Generalsekretärs (Goldgruber) ist“. Er, Gridling, sei wenig glücklich mit solchen Zugriffen gewesen, auch Kardeis habe das gestört.

Vorgangsweise „nicht korrekt und okay“

Weder Gridling noch sein Vize Dominik Fasching seien in die Zuteilung des Major F. ins BVT involviert gewesen. Goldgruber habe Fasching erst am Vorabend informiert, „dass es einen Mitarbeiter gibt, den wir morgen aufnehmen müssen“. Dessen Namen habe man überhaupt erst an dessen erstem Arbeitstag im BVT erfahren. Auch erzählte Gridling von geplantem weiterem „Personalzuwachs“.

Wiederum spielte hier offenbar F., der neue Kollege, eine Rolle: So sei ihm, Gridling, bekanntgeworden, dass F. mehrfach Mitarbeiter des Heeresnachrichtendienstes (HNA) angesprochen habe, ob sie ins BVT wechseln wollen – und zwar am Leiter des HNA vorbei. „Die Vorgangsweise ist aus meiner Sicht nicht unbedingt korrekt und okay gewesen“, und er habe sich darüber mehrfach mit dem HNA-Leiter ausgetauscht, dem das ebenfalls missfallen habe.

Eines der beiden Geheimprojekte, die Arbeitsgruppe, um Analysearbeit im Staatsschutz neu zu definieren, sei nun eingestellt worden, so Gridling. Die Gruppe habe aus mehreren BVT-Mitarbeitern bestanden, die dafür laut Goldgruber abgestellt werden mussten – kürzlich habe man die Ergebnisse der Arbeitsgruppe diskutiert und festgestellt, dass sich aus diesem Projekt „kein Mehrwert“ ergebe.

Kein Kontakt mit Kurz

JETZT-Mandatarin Zadic brachte die Frage auf, ob Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) oder einer seiner Mitarbeiter zur BVT-Causa Kontakt mit ihm, Gridling, aufgenommen hätten. „Nein, mir ist keine Kontaktaufnahme bekannt“, so Gridling. Er sagte , dass Kanzler und Vizekanzler laut Regierungsprogramm regelmäßig informiert werden sollten. Dazu hätte es einen Termin im Frühjahr 2018 gegeben, wo Gridling jedoch suspendiert war. Ein Ersatztermin sei (nach Aufhebung seiner Suspendierung) aber nicht festgesetzt worden.

Alma Zadic
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Zadic fragte Gridling zu Kontakten zwischen ihm und Kurz

Zadic verwies darauf, dass Kurz die verschlechterte Kooperation mit Partnerdiensten laut dessen Aussage „nicht auf die politische Ebene“ heben wollte. Gridling wollte das nicht bewerten. Gleichzeitig betonte er, dass die Kontaktaufnahme normalerweise „von Kabinett zu Kabinett“ erfolge, eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Kanzler wäre daher „unüblich“ gewesen.

Kern bat einmal um Info

In diesem Zusammenhang versuchte die ÖVP naturgemäß der entstandenen Optik zu entgegnen: So fragte Mandatar Friedrich Ofenauer (ÖVP), ob die Ex-Kanzler Werner Faymann und Christian Kern (beide SPÖ) in Sonderfällen informiert wurden. Gridling verwies einmal mehr auf den Informationsfluss über die Kabinette. Kern habe ihn einmal um seine Einschätzung der Bedrohung Österreichs durch Terrorismus gebeten, so Gridling. Gridling habe Kern beruhigt, dass keine besondere Bedrohungslage bestehe.

Peter Gridling beim BVT-U-Ausschuss
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Gridling bei seiner Ankunft vor dem Ausschusslokal

Die SPÖ schwenkte zu Ex-Kanzler Kurz: Fraktionsführer Kai Jan Krainer fragte Gridling, wann der geplante Termin mit dem damaligen Kanzler anberaumt war, den Gridling wegen Suspendierung nicht wahrnehmen konnte. Gridling nannte den 18. März. Die Einladung dazu habe er bereits im Februar, vor der Razzia im BVT, erhalten – und der Grund war nicht die Razzia, sondern „weil man beginnen wollte mit dem vorgesehenen Informationsprozedere für Kanzler und Vizekanzler“, so Gridling.

„Ich hätte sicherlich Auskunft gegeben“

Seiner Erinnerung nach sei die Initiative für den Termin direkt vom Kanzler gekommen, so Gridling. Krainer beschwerte sich, dass der Termin dem Parlament hätte bekanntgegeben werden sollen. Dass das nicht passiert ist, sei Gridling aber nicht vorzuwerfen, er war ja suspendiert.

Später habe es keinen neuerlichen Kontaktversuch seitens Kurz’ gegeben, wiederholte Gridling auch auf eine entsprechende Frage Krainers. „Kurz hätte Sie aber jeden Tag anrufen können, Sie hätten ihm dann berichtet über den Stand der internationalen Zusammenarbeit?“ Gridling: „Ich hätte sicherlich Auskunft gegeben. Und ich hätte den Minister informiert, dass es diese Kontaktaufnahme gab“, so Gridling.

Gridling widerspricht Kurz’ Angaben

NEOS-Fraktionschefin Krisper zitierte Aussagen von Kurz im ORF-„Sommergespräch“ im September 2017. Damals stellte dieser dar, „dass es überhaupt keine veränderte Zusammenarbeit gibt“ und die Kooperation mit Partnerdiensten ungetrübt sei. Es habe angegeben, er wisse das aus Gesprächen mit Gridling. Krisper wollte von Gridling wissen, wie Kurz zu dieser Aussage kommen hatte können.

Gridling widersprach dieser Darstellung des Ex-Kanzlers und wiederholte, dass es kein Gespräch im Rahmen des Auskunftsrechts gegeben habe. „Und ich kann mich auch nicht entsinnen, dass wir im Detail über die Auswirkungen gesprochen hätten am Rande des Nationalen Sicherheitsrats.“

In Amtszeit Situation „nie“ derart schwierig

Die Razzia habe „vielfältige Auswirkungen“ auf das BVT gehabt, es gab viele „Fragen aus dem Ausland“. Das waren „sehr wichtige Fragen“, so der BVT-Chef. Die Vorbehalte aus dem Ausland seien mit Informationen ausgeräumt worden. Behauptungen, dass der Austausch mit ausländischen Geheimdiensten verknappt worden wäre, wies er zurück. Allerdings gab er an, dass es in seiner zehnjährigen Amtszeit zu keiner Zeit eine derart schwierige Situation mit Partnerdiensten gegeben habe.

„Ibiza-Video“ im BVT bekannt?

Auch Thema war der „Ibiza-Skandal“: JETZT-Mandatarin Zadic wollte wissen, ob es möglicherweise Verzweigungen ins BVT gab. Sie fragte, was in Gesprächen zwischen dem Ex-BVT-Spionagechef P. und dem ÖVP-Politiker Alexander Melchior besprochen wurde (deren SMS-Austausch zu „neuen Videos“ war zuletzt Thema im Ausschuss). Gridling sagte, er habe dazu „überhaupt keine Wahrnehmung“, was P. mit Kurz und dessen Mitarbeiter „auszutauschen“ hatte.

Ob BVT-Mitarbeiter das „Ibiza-Video“ vor dessen Veröffentlichung kannten, konnte Gridling nicht ausschließen: „Ausschließen kann ich gar nix“ – aber er habe „keine Hinweise“ darauf. Es gibt „keine Reiseakten, keine Ausgaben“, die man so klassifizieren könnte. Nach derzeitigem Stand gebe es keine Hinweise, dass bei der Herstellung des Videos BVT-Mitarbeiter involviert gewesen seien.

„Insbesondere in die ÖVP gut vernetzt“

Es sei bekannt gewesen, dass P. insbesondere in die ÖVP sehr gut vernetzt gewesen sei, so Gridling auf Fragen der SPÖ. Diese habe er wohl auch während seiner Tätigkeit im BVT weiter gepflegt. Erst später – im Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen – habe er erfahren, dass P. Kontakte zum Teil als Dienstbesprechungen verbucht und Bewirtungsspesen abgerechnet hatte.

FPÖ-Fraktionsführer Hans-Jörg Jenewein fragte Gridling, was er zur Münchner Detektivfirma sagen könne, die in das „Ibiza-Video“ involviert gewesen sein soll. Nichts, so Gridling, er kenne sie nicht. Jenewein fragte, warum diese Firma das Innenministerium und das Kriminalamt als Kunden angibt. Auch dazu konnte Gridling keine Angaben machen. Auch zu Spionagevorwürfen im Fall Plasser & Theurer, in die der Münchner Detektiv involviert war, konnte er nichts sagen.

„Fünf Punkte für das Wahlprogramm“

Auch kurz Thema war ein Aufreger in früheren Ausschussterminen: Es ging um das bereits oft erwähnte Ersuchen des Kabinetts von Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) um „fünf Punkte für das Wahlprogramm“, gerichtet ans BVT im Juli 2017. Gridling gab auf Fragen der SPÖ an, dass ein solches Ersuchen eher ungewöhnlich sei. Man habe aber nie Wahlprogramme für Parteien erstellt, sondern sich nur mit Verbesserungsvorschlägen zur sicherheitspolitischen Legistik zu Wort gemeldet.