Brigitte Bierlein
APA/Georg Hochmuth
Übergangsregierung

Bierleins Kabinett ist komplett

Die designierte Kanzlerin Brigitte Bierlein hat ihr Team für die Übergangsregierung zusammengestellt. Das gab die ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs am Sonntag gegenüber der APA bekannt. Einige Namen waren bereits im Vorfeld kolportiert worden. Für das Innenministerium wählte sie allerdings nach Kritik eine neue Person.

Bierlein überreichte Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach Gesprächen mit den zukünftigen Regierungsmitgliedern sowie mit den Vorsitzenden der im Parlament vertretenen Parteien ihre Personalvorschläge. Van der Bellen akzeptierte diese und führte bereits mit allen zu ernennenden Ministerinnen und Ministern Gespräche.

Heftigen Widerstand hatte es zuvor vor allem wegen der Besetzung des Innenministeriums gegeben. Die Freiheitlichen, aber auch JETZT hatten sich am Sonntag öffentlich gegen den oberösterreichischen Landespolizeidirektor Andreas Pilsl als Innenminister gestellt. Nun soll der bisherige Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, das Amt des Innenministers übernehmen.

Wolfgang Peschorn
APA/Herbert Neubauer
Peschorn wurde für den Übergang als Innenminister vorgeschlagen

Müller als Übergangsfinanzminister

Zwei Namen hatte Bierlein bereits selbst genannt. Clemens Jabloner, über zwei Jahrzehnte Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, wird nicht nur Justizminister, sondern auch Vizekanzler. Botschafter Alexander Schallenberg, derzeit Leiter der Europasektion im Bundeskanzleramt und enger Mitarbeiter des bisherigen Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP), ist als Außen- und Europaminister vorgesehen. Schallenberg soll auch die Agenden für Kunst, Kultur und Medien übernehmen.

Finanzminister wird Eduard Müller, bisher Leiter der Sektion I (Finanzverwaltung, Management und Services). Sein Name war bereits zuvor in Medien kolportiert worden. Müller wird auch die Agenden für öffentlichen Dienst und Sport übernehmen. Müller ist Autor mehrerer Publikationen zu Steuerrecht und Verwaltung. Er steht offenbar der ÖVP nahe. Müller war bereits unter der ehemaligen Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) im Finanzministerium, wechselte von dort in die Privatwirtschaft als Geschäftsführer des Linde Verlags. Im Herbst 2015 holte der damalige ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling Müller wieder ins Ministerium.

 Eduard Müller
APA/Hans Klaus Techt
Müller hat bereits mehrere Jahre Erfahrung im Finanzministerium gesammelt

Hofers Ex-Generalsekretär für Verkehrsministerium

Verkehrsminister wird Andreas Reichhardt, der unter Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) als Generalsekretär fungiert hatte. Er dürfte wohl ein Wunschkandidat der FPÖ gewesen sein. Der 50-Jährige startete seine politische Karriere als Referent des Zweiten bzw. Dritten Nationalratspräsidenten Thomas Prinzhorn (FPÖ), unter Ex-Minister Hubert Gorbach (FPÖ) wurde er stellvertretender Kabinettschef, 2018 Generalsekretär von Hofer.

Seit dem Frühjahr 2018 ist er zudem Aufsichtsratsmitglied der Asfinag und der ÖBB. „Profil“ berichtete bereits vor rund zwei Jahren, dass der Burschenschafter Reichhardt gemeinsam mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Fotos bei rechtsextremen Wehrsportübungen zu sehen ist.

Analyse von Hans Bürger (ORF)

ZIB-Innenpolitikchef Hans Bürger erklärt die Hintergründe der neuen Minister. Außerdem neu: Erstmals sind gleich viele Frauen wie Männer in einer Regierung.

Für das Verteidigungsministerium ist Thomas Starlinger, Generalmajor des Bundesheeres und seit Jänner 2017 Adjutant des Bundespräsidenten Van der Bellen, vorgesehen. Starlinger galt Medienberichten zufolge als Befürworter der Abschaffung einer Wehrpflicht und für die Einfühung eines Berufsheeres in Österreich.

Patek folgt Köstinger

Die bisherige Sektionschefin im Sozialressort, Brigitte Zarfl, wird Sozialministerin. Sie wurde noch unter dem ehemaligen Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bestellt. Für die Nachfolge von Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger schlägt Bierlein Maria Patek vor. Sie war zuletzt als Leiterin der Sektion III im Landwirtschaftsministerium tätig.

Als Wirtschaftsministerin schlägt Bierlein wie kolportiert Elisabeth Udolf-Strobl vor, sie leitet derzeit die Sektion V (Kulturelles Erbe) in diesem Ressort. Die Tourismusexpertin gilt als Wegbegleiterin des ehemaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel (ÖVP).

Brigitte Zarfl
APA/Sozialministerium
Zarfl wurde als neue Sozialministerin vorgeschlagen

Bildungsministerin wird Iris Eliisa Rauskala, sie ist Leiterin der Präsidialsektion. Für das Frauenministerium wird Ines Stilling vorgeschlagen. Sie war zuletzt Leiterin der Sektion für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung im Bundeskanzleramt und machte unter roten Ressortchefinnen – Doris Bures, Heudrun Silhavy und Gabriele Heinisch-Hosek – Karriere.

Pilsl für FPÖ „Kandidat der alten BMI-Netzwerke“

Der ursprünglich kolportierte Pilsl war auf heftigen Widerstand gestoßen. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker erklärte in einer Aussendung, Pilsl sei ein „Strasser-Mann (Anmerkung: ehem. Innenminister Ernst, ÖVP) und Kandidat der alten schwarzen BMI-Netzwerke“. Dies mache die „wahren Interessen der ÖVP seit dem Bekanntwerden des ‚Ibiza-Videos‘ immer deutlicher sichtbar“, so Hafenecker.

Pilsl sei in seinen Posten in Oberösterreich „gehievt“ worden, „obwohl er die sonst für Landespolizeidirektoren vorgesehene Qualifikation eines abgeschlossenen Jusstudiums nicht aufweist“, erklärte der FPÖ-Generalsekretär. Auch das sei ein „Indiz für seine tiefe Verankerung in den höchsten Machtzirkeln der schwarzen BMI-Ära“.

Lob für Peschorn

Auch bei JETZT stieß Pilsl als Innenminister auf Ablehnung. Peter Pilz hatte sogar via Aussendung gedroht, sollte Pilsl Innenminister werden, bliebe „nichts anderes übrig, als den nächsten Misstrauensantrag (…) zu stellen“. Umso größer nun das Lob von Pilz für Peschorn: „Das ist eine ausgezeichnete Personalentscheidung. Peschorn ist ebenso qualifiziert wie unabhängig.“

TV-Hinweis

Die Angelobung der neuen Regierung wird am Montag im Rahmen einer ZiB Spezial ab 10.45 Uhr live in ORF2 übertragen. Um 20.15 Uhr widmet sich am Montag eine ZiB Spezial der neuen Regierung, danach berichtet ein Report Spezial über die innenpolitischen Entwicklungen – mehr dazu in tv.ORF.at.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zeigte sich über die vorgeschlagene Regierung an sich erfreut und sie lobte das „professionelle und umsichtige“ Vorgehen Bierleins: „Das sind gute Voraussetzungen für Stabilität in den kommenden Monaten.“ Auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sprach angesichts der Vorschläge von einer „guten Mischung“ – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Angelobungstermin für Montag geplant

Das Übergangskabinett wird bereits am Montag um 11.00 Uhr in der Hofburg von Van der Bellen angelobt werden. Offen ist nach wie vor auch, ob sich die Übergangsregierung schon kommende Woche dem Parlament vorstellen wird. Geht die Angelobung am Montag über die Bühne, könnte es am Dienstag oder Mittwoch eine Präsidialsitzung geben und dann für Donnerstag oder Freitag eine Nationalratssondersitzung anberaumt werden.

Termin für Neuwahl noch offen

Auf einen Termin für die Neuwahl im September haben sich die Fraktionen noch nicht geeinigt. Die SPÖ bestätigte zwar, dass sie den 29. September für am sinnvollsten halte, dass man sich darüber mit der FPÖ bereits geeinigt haben soll, dementierten aber beide Parteien. Es sei noch alles offen, sagte ein Sprecher von FPÖ-Klubobmann Norbert Hofer am Samstag. Man werde den Termin für die Nationalratswahl kommende Woche mit den Parlamentsparteien besprechen.

Im Zusammenhang mit einem möglichen späten Wahltermin übte Köstinger scharfe Kritik an SPÖ und FPÖ. „SPÖ und FPÖ wollen die Zeit bis zum Wahlgang offenbar künstlich verlängern, so Köstinger. „Der Bundespräsident hat sehr klar die Bitte geäußert, möglichst schnell und Anfang September zu wählen. Damit hat er vermutlich nicht den 29. September gemeint." Die ÖVP trete für einen möglichst frühen Wahltermin ein.