Präsident Alexander Van der Bellen
Reuters/Lisi Niesner
Zwölf Mitglieder

Übergangskabinett vor Angelobung

Sonntagnachmittag hat die designierte Kanzlerin Brigitte Bierlein ihr insgesamt zwölfköpfiges Team, bestehend aus Beamten und Beamtinnen, für die Übergangsregierung vorgestellt. Bereits am Montag um 11.00 Uhr wird das Kabinett von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Präsidentschaftskanzlei angelobt. Besonders heikel war die Auswahl des Innenministers.

Nach der Angelobung wird voraussichtlich entschieden, ob und wann sich die neuen Regierungsmitglieder im Nationalrat präsentieren. Das Kabinett soll bis zum Ende der Regierungsverhandlungen nach der Nationalratswahl im Amt bleiben. Wahltermin gibt es bisher keinen. Offenbar um weitere Misstrauensanträge zu vermeiden, versuchte Bierlein ein ausgewogenes Kabinett aufzustellen. Die drei großen Parteien dürften dabei mitgeredet haben.

Die für Ministerposten ausgewählten Beamten sind durchwegs ohne Parteizugehörigkeit. Sie stehen aber entweder der ÖVP, der SPÖ oder der FPÖ nahe. Der parteilosen Bierlein selbst werden gute Kontakte zur ÖVP und auch zur FPÖ attestiert. Ihre größten Karriereschritte machte sie jeweils unter ÖVP-FPÖ-Regierungen – nämlich jenen zur Vizepräsidentin und später zur Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Der künftige Vizekanzler Clemens Jabloner wurde politisch stets der SPÖ zugerechnet.

Zarfl als Sozialministerin

Auch beim Geschlechterverhältnis gibt es eine Balance. Die bisher kleinste Regierung der Zweiten Republik mit zwölf Mitgliedern besteht aus sechs Frauen und sechs Männern. Erstmals steht mit Bierlein eine Kanzlerin an der Spitze. Das Sozialministerium soll während der Übergangsregierung ebenfalls von einer Frau geleitet werden. Die bisherige Sektionschefin im Sozialressort, Brigitte Zarfl, wird Sozialministerin. Sie wurde noch unter dem ehemaligen Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bestellt.

Grafik zum neuen Kabinett
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA; Fotos: APA

Für die Nachfolge von Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) schlägt Bierlein Maria Patek vor. Sie war zuletzt als Leiterin der Sektion III im Landwirtschaftsministerium tätig. Als Wirtschaftsministerin schlägt Bierlein wie kolportiert Elisabeth Udolf-Strobl vor, sie leitet derzeit die Sektion V (kulturelles Erbe) in diesem Ressort. Die Tourismusexpertin gilt als Wegbegleiterin des ehemaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel (ÖVP). Bildungsministerin wird Iris Eliisa Rauskala, sie ist Leiterin der Präsidialsektion.

Für das Frauenministerium wird Ines Stilling vorgeschlagen. Sie war zuletzt Leiterin der Sektion für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung im Bundeskanzleramt und machte unter roten Ressortchefinnen – Doris Bures, Heidrun Silhavy und Gabriele Heinisch-Hosek – Karriere.

„Quadratur des Kreises“

Der Politologe Peter Filzmaier bezeichnete in der ZIB2 die Auswahl eines passenden Innenministers als „Quadratur des Kreises“. Noch am Sonntag war heftige Kritik vor allem von FPÖ und JETZT gegen den oberösterreichischen Landespolizeidirektor Andreas Pilsl als Innenminister laut geworden. Pilsl sei ein „Kandidat der alten schwarzen BMI-Netzwerke“, so die Kritik. Dem Vernehmen nach zeigten sich auch SPÖ und NEOS reserviert.

Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, wurde der Kompromissvorschlag für das Innenministerium. Peschorn wurde bekannter durch seine Tätigkeit bei der Aufarbeitung der Vorgänge um die Pleite der Hypo Alpe-Adria und der Eurofighter-Vergabe. Peter Pilz (JETZT) lobte Peschorn als einen der „wenigen an der Spitze der Republik, die immer die Interessen der Republik Österreichs gegen Eurofighter und Airbus vertreten haben“.

Kurz-Vertrauter als Außenminister

Zwei Namen standen bereits seit Donnerstag fest: Jabloner, der über zwei Jahrzehnte Präsident des Verwaltungsgerichtshofs war, soll neben dem Amt des Vizekanzlers das Justizressort inklusive der Agenden Verfassung, Reformen und Deregulierung übernehmen. Der Botschafter und Vertraute des ehemaligen Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP), Alexander Schallenberg, wird Außenminister der Übergangsregierung. Er übernimmt auch die Europaagenden. Zusätzlich wird der derzeitige Leiter der Europasektion im Bundeskanzleramt auch die Bereiche Kunst, Kultur und Medien innehaben. Diese waren bisher bei Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) beheimatet, dessen Funktion in der neuen Regierung eingespart wird.

Grafik zum neuen Kabinett
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA; Fotos: APA

Als Finanzminister wurde der bisherige Leiter der Sektion I, Eduard Müller, vorgeschlagen. Er soll auch die Agenden für öffentlichen Dienst und Sport übernehmen. Müller steht offenbar der ÖVP nahe. Bereits unter der ehemaligen Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) war er im Finanzministerium, wechselte von dort in die Privatwirtschaft als Geschäftsführer des Linde Verlags. Im Herbst 2015 holte der damalige ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling Müller wieder ins Ministerium.

FPÖ-naher Reichhardt für Infrastrukturministerium

Überraschend war der Vorschlag, Andreas Reichhardt für das Verkehrsministerium einzusetzen. Zuvor war in Medien noch der Name von ASFINAG-Vorstand Hartwig Hufnagl die Rede gewesen. Reichhardt, der unter Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) als Generalsekretär fungiert hatte, dürfte wohl ein Wunschkandidat der FPÖ gewesen sein.

Analyse von Hans Bürger (ORF)

ZIB-Innenpolitikchef Hans Bürger erklärt die Hintergründe der neuen Minister. Außerdem neu: Erstmals sind gleich viele Frauen wie Männer in einer Regierung.

Der 50-Jährige startete seine politische Karriere als Referent des Zweiten bzw. Dritten Nationalratspräsidenten Thomas Prinzhorn (FPÖ), unter Ex-Minister Hubert Gorbach (FPÖ) wurde er stellvertretender Kabinettschef, 2018 Generalsekretär von Hofer. Seit dem Frühjahr 2018 ist er zudem Aufsichtsratsmitglied der ASFINAG und der ÖBB. „Profil“ berichtete bereits vor rund zwei Jahren, dass der Burschenschafter Reichhardt gemeinsam mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Fotos bei rechtsextremen Wehrsportübungen zu sehen sein soll.

TV-Hinweis

Die Angelobung ist am Montag in einer ZIB Spezial ab 10.45 Uhr in ORF2 zu sehen. Um 20.15 Uhr widmet sich eine ZIB Spezial der neuen Regierung, danach berichtet ein „Report Spezial“ – mehr dazu in tv.ORF.at.

Auch Thomas Starlinger, Generalmajor des Bundesheeres und seit Jänner 2017 Adjutant des Bundespräsidenten, als Verteidigungsminister war nicht erwartet worden. Zuvor war Sektionschef Christian Kemperle für diese Position kolportiert worden. Starlinger gilt als SPÖ-nahe. Medienberichten zufolge soll er Befürworter der Abschaffung einer Wehrpflicht und für die Einführung eines Berufsheeres sein.

Lob von ÖVP, SPÖ und JETZT

Explizites Lob am Verhandlungsgeschick Bierleins kam von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, JETZT-Mandatar Pilz zeigte sich angesichts der Wahl Bierleins für Peschorn hochzufrieden. Auch ÖVP-Klubobmann August Wöginger freute sich via Aussendung, dass Van der Bellen und Bierlein „so rasch eine Übergangsregierung bilden konnten“. Er verwies darauf, dass die Volkspartei dem Bundespräsidenten und der Übergangskanzlerin „von Anfang an ihre Unterstützung zugesichert“ habe, das werde man auch weiterhin tun.

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), derzeit auch Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, reagierte mit einem „Vertrauensvorschuss“ auf das vorgestellte Team. Er hoffe auf Arbeitsgespräche für Länderanliegen mit der designierten Kanzlerin. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sprach angesichts der Vorschläge von einer „guten Mischung“ – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Auch Sepp Schellhorn (NEOS) sprach Bierlein in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ das Vertrauen aus. Es herrsche allerdings auch hier der „klassische Proporz“, so Schellhorn.