Der Bundespräsident dankte dem ehemaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) für dessen Einsatz für die Republik. In Bezug auf die neue Regierung zeigte sich Van der Bellen in seiner Ansprache überzeugt, „dass unser Land politisch, diplomatisch und sympathisch vertreten wird“. Erneut wies er auf das typisch Österreichische hin, auf dem man aufbauen könne: auf die Zuversicht – „das mach’ ma schon“ – und auf gemeinsames Reden.
Van der Bellen machte „keinen Hehl“ daraus, dass er sich darüber freut, dass er erstmals eine Frau als Bundeskanzlerin angelobte und dass gleich viel Frauen wie Männer in der Regierung vertreten sind. Van der Bellen: „Künftig kann niemand mehr sagen: Es geht einfach nicht.“ Dieses Kabinett soll bis zum Ende der Regierungsverhandlungen nach der Nationalratswahl im Herbst im Amt bleiben. Noch ist allerdings keine Einigung der Parteien auf einen Wahltermin abzusehen.
„Vertrauensvorschuss“ für Bierlein
Das Echo auf das Team von Bierlein war weitgehend positiv. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner lobte Bierleins Verhandlungsgeschick, ÖVP-Klubobmann August Wöginger sicherte die Unterstützung der ÖVP zu, und der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), gab Bierlein einen „Vertrauensvorschuss“. Auch Sepp Schellhorn (NEOS) sprach Bierlein in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ am Sonntag das Vertrauen aus. Es herrsche allerdings auch hier der „klassische Proporz“, so Schellhorn.
Der designierte FPÖ-Obmann Norbert Hofer gratulierte der neuen Regierung zu ihrem Amtsantritt und bedankte sich bei Van der Bellen und Bierlein für deren „umsichtiges Handeln und die konstruktiven Gespräche in den letzten Tagen“.
Naheverhältnis zu ÖVP, SPÖ und FPÖ
Die Beamten und Beamtinnen, die nun in der Regierung sind, sind durchwegs ohne Parteizugehörigkeit. Sie stehen aber entweder der ÖVP, der SPÖ oder der FPÖ nahe. Der parteilosen Bierlein selbst werden gute Kontakte zur ÖVP und auch zur FPÖ attestiert. Ihre größten Karriereschritte machte sie jeweils unter ÖVP-FPÖ-Regierungen – nämlich jenen zur Vizepräsidentin und später zur Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner wurde politisch stets der SPÖ zugerechnet.
Angelobung der Übergangsregierung
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat die zwölf Mitglieder der Übergangsregierung unter Führung von Österreichs erster Kanzlerin Brigitte Bierlein angelobt.
Mit dem Diplomaten Alexander Schallenberg übernimmt ein Vertrauter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) das Außenministerium. Er zeichnet auch für die Europaagenden und die Bereiche Kunst, Kultur und Medien verantwortlich. Ebenfalls als ÖVP-nahe gilt Eduard Müller, der von der Leitung der Sektion I im Finanzministerium auf den Ministerposten wechselt. Er übernimmt auch die Agenden für öffentlichen Dienst und Sport.
Sektionschefinnen wechseln in Ministeramt
Das Sozialministerium wird während der Übergangsregierung ebenfalls von einer Frau geleitet. Die bisherige Sektionschefin im Sozialressort, Brigitte Zarfl, ist nun Sozialministerin. Sie wurde noch unter dem ehemaligen Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bestellt.
Das Amt von Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) übernimmt Maria Patek. Sie war zuletzt als Leiterin der Sektion III im Landwirtschaftsministerium tätig. Als Wirtschaftsministerin kommt Elisabeth Udolf-Strobl zum Einsatz. Sie leitete bisher die Sektion V (kulturelles Erbe) in diesem Ressort. Die Tourismusexpertin gilt als Wegbegleiterin des ehemaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel (ÖVP). Bildungsministerin ist nun Iris Eliisa Rauskala, sie war bisher Leiterin der Präsidialsektion.
Frauenministerin ist jetzt Ines Stilling. Sie war zuletzt Leiterin der Sektion für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung im Bundeskanzleramt und machte unter roten Ressortchefinnen – Doris Bures, Heidrun Silhavy und Gabriele Heinisch-Hosek – Karriere.
Innenminister heikle Besetzung
Besonders heikel war die Bestellung des Innenministers – für den Politologen Peter Filzmaier sogar eine „Quadratur des Kreises“. Der vorgeschlagene oberösterreichische Landespolizeidirektor Andreas Pilsl war auf heftigen Widerstand von FPÖ und JETZT gestoßen. Pilsl sei ein „Kandidat der alten schwarzen BMI-Netzwerke“, so die Kritik. Dem Vernehmen nach zeigten sich auch SPÖ und NEOS reserviert.

Pilsl sah es als „große Auszeichnung für die Polizei Oberösterreich und für meine Person“, in die engste Auswahl gezogen worden zu sein. „Es ist aber anders gekommen.“ Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, wurde nun der Kompromissvorschlag für das Innenministerium. Peschorn wurde bekannter durch seine Tätigkeit bei der Aufarbeitung der Vorgänge um die Pleite der Hypo Alpe-Adria und der Eurofighter-Vergabe. Peter Pilz (JETZT) lobte Peschorn als einen der „wenigen an der Spitze der Republik, die immer die Interessen der Republik Österreichs gegen Eurofighter und Airbus vertreten haben“.
Überraschung im Verkehrs- und Verteidigungsministerium
Überraschend war der Vorschlag, Andreas Reichhardt für das Verkehrsministerium einzusetzen. Zuvor war in Medien noch von ASFINAG-Vorstand Hartwig Hufnagl die Rede gewesen. Reichhardt, der unter Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) als Generalsekretär fungiert hatte, dürfte wohl ein Wunschkandidat der FPÖ gewesen sein. Der Burschenschafter soll Medienberichten zufolge auch auf Fotos gemeinsam mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bei rechtsextremen Wehrsportübungen zu sehen sein.
Auch Thomas Starlinger, Generalmajor des Bundesheeres und seit Jänner 2017 Adjutant des Bundespräsidenten, als Verteidigungsminister war nicht erwartet worden. Zuvor war Sektionschef Christian Kemperle für diese Position kolportiert worden. Starlinger gilt als SPÖ-nahe. Medienberichten zufolge soll er Befürworter der Abschaffung einer Wehrpflicht und für die Einführung eines Berufsheeres sein.