Fernsehkamera und Blick in den Nationalratssaal
ORF.at/Roland Winkler
Grabenkämpfe der Parteien

Die Strategien hinter den Wahlterminen

Der 1., 8., 15., 22. – oder doch der 29. September? Während sich die ÖVP einen möglichst frühen Termin für die Nationalratswahl wünscht, pocht die SPÖ auf einen eher späten. Dahinter stecken strategische Überlegungen, wie Politikexpertin Kathrin Stainer-Hämmerle zu ORF.at sagt. Als „Sandkastenspiele“ bezeichnet Politologe Peter Filzmaier das Gerangel der Parteien.

„Die ÖVP hat aktuell gute Umfrageergebnisse, die brauchen einen Intensivwahlkampf nicht mehr und würden am liebsten nächsten Sonntag wählen“, analysiert die Politologin Stainer-Hämmerle die Strategie der ÖVP gegenüber ORF.at. Die Partei hätte mit Rücksicht auf den Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) ein Interesse daran, dass die Wahl nicht auf den 22. September fällt. Denn da wählt Vorarlberg seinen Landtag. Eine Zusammenlegung beider Urnengänge wäre aber möglich.

Laut einer Umfrage von Unique Research im Auftrag der „Kronen Zeitung“ käme die ÖVP in der Sonntagsfrage auf 38 Prozent – ein deutliches Plus zur letzten Wahl 2017. Platz zwei belegte die SPÖ mit 21 Prozent (minus sechs Prozentpunkte), dahinter folgt die FPÖ mit 19 Prozent (minus sieben Prozentpunkte). NEOS und Grüne legten deutlich auf jeweils zehn Prozent zu. JETZT erreichte nur ein Prozent. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen auch erste Umfragen der Tageszeitungen „Österreich“, „Kurier“ und „Kleine Zeitung“.

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und Präsident Alexander Van der Bellen
APA/AFP/Joe Klamar
Bundeskanzlerin Bierlein und Bundespräsident Van der Bellen wünschen sich einen raschen Wahltermin

Politologin: „Kurz entzaubern, Ibiza-Video relativieren“

„All jene, die schlecht in den Umfragen liegen, profitieren“, so Stainer-Hämmerle mit Verweis auf SPÖ, FPÖ und JETZT. Viel schlechter könne es für die Sozialdemokraten ohnehin nicht werden. Durch einen möglichst späten Termin gebe es „wohl die Hoffnung, Sebastian Kurz bis dahin ein wenig zu entzaubern und die eigene Kandidatin besser ins Spiel bringen zu können“. Für die SPÖ gelte: „Je mehr Zeit ich im Wahlkampf habe, desto besser.“

Die FPÖ hätte wiederum ein Interesse daran, viel Zeit zu dem „Ibiza-Video“ vergehen zu lassen, um die Geschehnisse relativieren zu können. Für JETZT wäre mehr Zeit da, um mit den Grünen über eine Zusammenführung zu verhandeln.

Glaubwürdigkeit für Filzmaier großes Problem

„Diese Strategie Sandkastenspiele gibt es. Es ist auch durchaus möglich, dass der eine oder andere Wahltermin auch besser oder schlechter für die eine oder andere Partei ist – aber das weiß ich auch erst, wenn ich den Ereignisverlauf im September international und weltpolitisch kenne“, so der Politologe Peter Filzmaier in der ZIB.

Studioanalyse über die neue Regierung

Politikwissenschafter Peter Filzmaier und ORF-Innenpolitikchef Hans Bürger analysieren die Übergangsregierung.

Er könne sich aber nicht vorstellen, dass die Wahl durch einen früheren oder späteren Wahltermin entschieden werde. Man könne noch nicht sagen, wie sich die Kandidaten in den Wahlduellen schlagen, oder auch, wer in manchen Parteien – etwa bei den Grünen – als Spitzenkandidat ins Rennen geht, so Stainer-Hämmerle außerdem. „Die Parteien haben momentan allesamt ein anderes Problem, das heißt Vertrauen und Glaubwürdigkeit und nicht, welchen Wahltermin suche ich aus“, analysierte Filzmaier.

ÖVP: Glauben an SPÖ-FPÖ-Allianz

Die ÖVP pochte zuletzt darauf, die Bevölkerung schnellstmöglich an die Urnen zu rufen. ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer begründete das in der Diskussionssendung „Im Zentrum“ damit, dass die Wählerinnen und Wähler einen „kurzen Wahlkampf haben“ sollten und „nicht ewig belastet sind mit dem Thema“.

Ex-Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) übte in dem Zusammenhang scharfe Kritik an SPÖ und FPÖ: „SPÖ und FPÖ wollen die Zeit bis zum Wahlgang offenbar künstlich verlängern.“ Auch nach Angaben von ÖVP-Klubobmann August Wöginger beharren die beiden Parteien auf dem 29. September, wie dieser nach einem Treffen mit seinen Klubchefkollegen am Dienstag der APA berichtete. Die Volkspartei hätte hingegen den 15. September präferiert.

SPÖ gegen „überhasteten“ Termin

Der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried beharrte unterdessen am Dienstag weiter auf dem 29. September als Wahltermin. „Einen Wahlkampf im Hochsommer, wenn viele Wahlberechtigte ihren wohlverdienten Urlaub verbringen, und einen überhasteten Wahltermin direkt nach Schulbeginn lehnen wir ab“, argumentierte Leichtfried.

„Die Wählerinnen und Wähler müssen die Möglichkeit haben, sich über Positionen und Pläne der Parteien ausreichend zu informieren. Wenn wir davon ausgehen, dass am 8. September die Ferien zu Ende sind, erscheinen drei Wochen bis zum 29. September als kurzer, aber angemessener Zeitraum dafür“, sagte der stellvertretende SPÖ-Klubobmann.

FPÖ für 29. September

Auch innerhalb der FPÖ habe sich der 29. September als Wunschtermin „herauskristallisiert", teilten die Freiheitlichen am Dienstag in einer Aussendung mit. „Ein September-Wahltermin – und damit ein möglichst rascher Termin – nach dem Ende des ÖVP-FPÖ-Koalitionspakts ist sowohl Wunsch des Bundespräsidenten als auch der Parlamentsparteien. Diesem Wunsch kommen wir nach und haben uns nach internen Beratungen auf den 29. September 2019 verständigt“, hieß es.

„Der Vorteil dieses Wahltermins: Der Sommer wird vom Wahlkampf nicht gestört. Vier Wochen Intensiv-Wahlkampf ab September bieten allen Parteien noch ausreichend Zeit, um mit ihren Botschaften an die Wählerinnen und Wähler heranzutreten“, erklärten der designierte FPÖ-Obmann Norbert Hofer und der geschäftsführende FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl.

Pilz will erst U-Ausschuss zu „Ibiza-Video“

Bei NEOS gab es indes noch keine wirkliche Präferenz. Die Partei verwies aber ebenso auf den Wunsch des Bundespräsidenten. JETZT-Gründer Peter Pilz will erst einen U-Ausschuss die Hintergründe des „Ibiza-Videos“ aufklären lassen und die Regeln zur Parteienfinanzierung so verschärfen, dass die ÖVP zu „Sauberkeit“ gezwungen ist. Wählen sollte man etwas später, aber noch heuer, sagte er am Dienstag bei einer Pressekonferenz.

Van der Bellen: „Gehen Sie im Herbst zur Wahl“

Die Bestimmung eines Stichtags für die Nationalratswahl zählt überdies zu den ersten wichtigen Amtshandlungen der neuen Übergangsregierung. Dass die Parteien im Nationalrat „möglichst rasch die Vorkehrungen für die bevorstehenden Neuwahlen in die Wege leiten“, wünschte sich am Montag bereits die frisch angelobte Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein. „Prüfen Sie in den nächsten Monaten bis zur Nationalratswahl (…), wem Sie ihre Vertrauen schenken, und ich bitte Sie jetzt schon: Gehen Sie im Herbst zur Wahl“, appellierte Van der Bellen vor der Angelobung.

In den vergangenen Wochen schwirrten bereits allerhand Wahltermine, die allesamt rein rechnerisch möglich wären, durch die mediale Berichterstattung. Theoretisch könnte sogar Ende August gewählt werden, was vor allem wegen der Sommerferien mehr als unwahrscheinlich ist. Schnell vom Tisch waren offenbar auch die ersten beiden September-Termine, die noch in den Ferien bzw. sehr knapp daran liegen. Damit wäre auch das ursprünglich für Anfang September von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angedachte Datum kein Thema mehr.

Jedenfalls genug Zeit, das nötige Prozedere – vom Auflösungsbeschluss des Nationalrates bis zur Ausschreibung der Wahl – abzuwickeln, gebe es für die restlichen Termine. Denn zwischen dem mit der Ausschreibung der Wahl zu fixierenden Stichtag und der Wahl müssen laut Nationalratswahlordnung 82 Tage liegen. Beschlossen wird der Wahltermin im Hauptausschuss des Nationalrats.