Bundeskanzlerin Bierlein
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Nach Angelobung

Kanzlerin Bierlein bemüht sich um Vertrauen

Kurz nach der Angelobung hat sich die erste Bundeskanzlerin Österreichs, Brigitte Bierlein, am Montag mit einer ersten Ansprache an die Öffentlichkeit gewandt: „Wir werden uns um Vertrauen bemühen“, nämlich der Bürger, Parteien, Amtsträger, der Zivilgesellschaft und der Religionsgemeinschaften. Sie sei sich der Verantwortung ihres Amtes bewusst und nehme dieses in Demut an.

Sie dankte Bundespräsident Alexander Van der Bellen und ihrem frisch angelobten Ministerteam. Bierlein: „Ich bin überzeugt, dass der Dienst an der Allgemeinheit gut in ihren Händen liegt.“ Sie bitte aber um Verständnis, dass sich die neuen Regierungsmitglieder nun erst einen Überblick verschaffen müssten, bevor sie an die Medien herantreten könnten.

Es sei ihr ein großes Anliegen, dass sorgsam mit Steuergeldern umgegangen werde. In diesem Sinne habe diese Regierung weniger Ministerien und schlankere Kabinette. In den kommenden Monaten werde dem Parlament eine wichtige Rolle zukommen. Ähnlich wie schon der Bundespräsident appellierte auch Bierlein an die Parteien, „rasch Vorkehrungen für bevorstehende Neuwahlen in die Wege zu leiten“.

Erste Rede der Kanzlerin

Die neu angelobte Kanzlerin Brigitte Bierlein hielt am Montag ihre erste Rede. Sie forderte die Parteien auf, rasch die Vorkehrungen für die bevorstehende Neuwahl zu treffen.

„Das mach’ ma schon“

Am Vormittag waren Bierlein und ihr insgesamt zwölfköpfiges Kabinett von Van der Bellen angelobt worden. Zuvor war die wenige alte Tage interimistische Regierung unter Kurzzeitkanzler Hartwig Löger (ÖVP) ihres Amtes enthoben worden. Darin entwickelte Van der Bellen in den vergangenen Tagen bereits eine Routine. Er dankte dem ehemaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und den für wenige Tage eingesprungenen Ministern und der Kurzzeitministerin.

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Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein
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Die frühere Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), Brigitte Bierlein (69), übernimmt als erste Kanzlerin Österreichs die Regierungsgeschäfte. Vor dem Wechsel in den VfGH 2003 war sie zwölf Jahre Generalanwältin in der Generalprokuratur.
Justizminister und Vizekanzler Clemens Jabloner
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Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner (70) war langjähriger Präsident des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH). Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde Jabloner, als er von 1998 bis 2003 Vorsitzender der Historikerkommission der Republik Österreich war. 1991 wurde er Vizepräsident des VwGH, zwei Jahre später Präsident.
Verkehrsminister Andreas Reichhardt
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Verkehrsminister Andreas Reichhardt (50) war seit 2018 Generalsekretär seines Vorgängers Norbert Hofer (FPÖ), er ist auch Mitglied im Aufsichtsrat der ASFINAG und im ÖBB-Aufsichtsrat. Seinen Fuß auf die politische Ebene setzte der parteilose Jurist mit seiner Tätigkeit als parlamentarischer Wirtschaftsreferent im Büro des Nationalratspräsidenten Thomas Prinzhorn (FPÖ).
Finanzminister Eduard Müller
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Finanzminister Eduard Müller (56) war Leiter der Sektion I seines Ressorts. Er war auch Geschäftsführer des Linde Verlages, wo er etwa das „SteuerSparBuch“ publizierte. Seit 2015 ist Müller auch Bundesvorsitzender der Prüfungskommission für Steuerberater in der Kammer der Wirtschaftstreuhänder und stellvertretender Generalsekretär im Finanzministerium.
Sozialministerin Brigitte Zarfl
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Sozial- und Gesundheitsministerin Brigitte Zarfl (56) wurde 2015 zur Leiterin der Präsidialsektion im Sozialministerium bestellt. Die Ernährungswissenschaftlerin war in der EU-Sozialpolitik aktiv und vertrat Österreich im EU-Sozialschutzausschuss.
Wirtschaftsministerin Elisabeth Udolf-Strobl
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Wirtschaftsministerin Elisabeth Udolf-Strobl (63) war Leiterin der Sektion V (kulturelles Erbe). Ab 1995 arbeitete sie ein Jahr lang im Außenministerium, wechselte danach aber wieder in ihr Stammressort unter Minister Johann Farnleitner (ÖVP).
Außenminister Alexander Schallenberg
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Als zweites Mitglied der neuen Regierung wurde Außenminister Alexander Schallenberg vorgestellt. Der 1969 geborene Diplomat leitete zuerst in Brüssel die Rechtsabteilung der österreichischen EU-Vertretung, später war er Pressesprecher zweier ÖVP-Minister. Nach dem Aufstieg von Sebastian Kurz (ÖVP) ins Bundeskanzleramt leitete Schallenberg dort die EU-Koordinationssektion.
Maria Patek, Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus
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Maria Patek (60), Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, war seit 2018 Leiterin der Sektion Forstwirtschaft und Nachhaltigkeit im Bundesministerium. Von 1993 bis 2016 hatte sie verschiedene Funktionen im Bereich der Wildbach- und Lawinenverbauung im Landwirtschaftsministerium inne.
Innenminister Wolfgang Peschorn
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Innenminister Wolfgang Peschorn (54) war seit 2006 Leiter der Finanzprokuratur, der die anwaltliche Vertretung und Beratung der Republik Österreich obliegt. Mediale Bekanntheit erlangte Peschorn durch seine Tätigkeit bei der Aufarbeitung der Vorgänge um die Pleite der Hypo Alpe-Adria und der Eurofighter-Vergabe.
Verteidigungsminister Thomas Starlinger
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Verteidigungsminister Thomas Starlinger (56) war seit 2017 Militäradjutant von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Vier Jahre war er Vizechef des Stabes beim multinationalen Kommando „Operative Führung Eingreifkräfte“ in Ulm. Starlinger galt laut Medienberichten übrigens als Befürworter der Abschaffung der Wehrpflicht und der Einführung eines Berufsheeres in Österreich.
Frauen- und Familienministerin Ines Stiling
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Frauenministerin Ines Stilling (42) kommt aus der im Kanzleramt angesiedelten Sektion für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung, die sie seit 2012 leitete. Die Juristin machte Karriere unter den SPÖ-Ressortchefinnen Doris Bures, Heidrun Silhavy und Gabriele Heinisch-Hosek.
Bildungsministerin Iris Eliisa Rauskala
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Die neue Bildungsministerin Iris Eliisa Rauskala (41) war seit 2018 Leiterin der Präsidialsektion im Bildungsministerium. Sie wurde in Helsinki geboren und war unter anderem Referentin im Büro der einstigen ÖVP-Bildungsminister Johannes Hahn, Beatrix Karl und Karlheinz Töchterle.

Weiterhin strahlte der Bundespräsident Zuversicht aus – etwas „typisch Österreichisches“. Auf den Punkt brachte er es mit den Worten: „Das mach’ ma schon.“ Zudem brauche es Mut und den Willen zum Gespräch. Er zeigte sich überzeugt, „dass unser Land politisch, diplomatisch und sympathisch vertreten wird“. Damit dankte er den neuen Regierungsmitgliedern, dass sie „staatspolitische Verantwortung“ zeigen.

Angelobung der Übergangsregierung

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat die zwölf Mitglieder der Übergangsregierung unter Führung von Österreichs erster Kanzlerin Brigitte Bierlein angelobt.

Van der Bellen machte „keinen Hehl“ daraus, dass er sich darüber freut, dass er erstmals eine Frau als Bundeskanzlerin angelobte und dass gleich viel Frauen wie Männer in der Regierung vertreten sind. Van der Bellen: „Künftig kann niemand mehr sagen: Es geht einfach nicht.“ Dieses Kabinett soll bis zum Ende der Regierungsverhandlungen nach der Nationalratswahl im Herbst im Amt bleiben. Noch ist allerdings keine Einigung der Parteien auf einen Wahltermin abzusehen. Van der Bellen warb aber bereits jetzt für Vertrauen in die Politik und rief zur Wahl auf.

Gute Kontakte zu ÖVP, SPÖ und FPÖ

Die Beamten und Beamtinnen, die nun in der Expertenregierung vertreten sind, sind durchwegs ohne Parteizugehörigkeit. Sie stehen aber entweder der ÖVP, der SPÖ oder der FPÖ nahe. Der parteilosen Bierlein selbst werden gute Kontakte zur ÖVP und auch zur FPÖ attestiert. Ihre größten Karriereschritte machte sie jeweils unter ÖVP-FPÖ-Regierungen – nämlich jenen zur Vizepräsidentin und später zur Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner wurde politisch stets der SPÖ zugerechnet.

Ein Kurz-Vertrauter, der Diplomat Alexander Schallenberg, ist nun Außenminister mit den Bereichen Europa, Kunst, Kultur und Medien. Das stößt in der Kulturszene auf Kritik. Sie sprach angesichts der Ressortzuteilung von einer „Degradierung“. Ebenfalls als ÖVP-nahe gilt Eduard Müller, der von der Leitung der Sektion I im Finanzministerium auf den Ministerposten wechselte. Er übernimmt auch die Agenden für öffentlichen Dienst und Sport.

Schüssel-Wegbegleiterin als Wirtschaftsministerin

Das Sozialministerium übernimmt die bisherige Sektionschefin im Sozialressort, Brigitte Zarfl. Sie wurde noch unter dem ehemaligen Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bestellt. Umwelt- und Landwirtschaftsministerin ist Maria Patek. Sie war zuletzt als Leiterin der Sektion III im Landwirtschaftsministerium tätig.

Als Wirtschaftsministerin kommt Elisabeth Udolf-Strobl zum Einsatz. Sie leitete bisher die Sektion V (kulturelles Erbe) in diesem Ressort. Die Tourismusexpertin gilt als Wegbegleiterin des ehemaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel (ÖVP). Bildungsministerin ist nun Iris Eliisa Rauskala, sie war bisher Leiterin der Präsidialsektion. Frauenministerin ist jetzt Ines Stilling. Sie war zuletzt Leiterin der Sektion für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung im Bundeskanzleramt und machte unter roten Ressortchefinnen – Doris Bures, Heidrun Silhavy und Gabriele Heinisch-Hosek – Karriere.

Innenminister heikle Besetzung

Besonders heikel war die Bestellung des Innenministers. Mit Wolfgang Peschorn, bisher Präsident der Finanzprokuratur, wurde nun ein Innenminister gefunden, der von allen Parteien akzeptiert wird. Er war bei der Aufarbeitung der Vorgänge um die Pleite der Hypo Alpe-Adria und der Eurofighter-Vergabe beteiligt. Peter Pilz (JETZT) lobte Peschorn als einen der „wenigen an der Spitze der Republik, die immer die Interessen der Republik Österreichs gegen Eurofighter und Airbus vertreten haben“.

Ins Verkehrsministerium wechselt der Burschenschafter und frühere Generalsekretär von Norbert Hofer (FPÖ), Andreas Reichhardt. Er soll Medienberichten zufolge auch auf Fotos gemeinsam mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bei rechtsextremen Wehrsportübungen zu sehen sein. Laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) gab es in seiner Verbindung Zimbria auch personelle Überschneidungen mit der früheren Volkstreuen außerparlamentarischen Opposition (VAPO) des Neonazis Gottfried Küssel.

Mit Kritik ist auch der neue Verteidigungsminister Thomas Starlinger, zuvor Generalmajor des Bundesheeres und seit Jänner 2017 Adjutant des Bundespräsidenten, konfrontiert. Milizverbandspräsident Michael Schaffer zeigte sich mit dessen Bestellung unglücklich. Starlinger sei ein „Berufsheer-Hardliner“ und komme „aus der wehrpolitischen Giftküche des Peter Pilz“, kritisierte er.

„Proporz auf Beamtenebene“

Die Reaktionen auf die neue Regierung zeugen von Zuversicht. Ein „tolles frauenpolitisches Signal“ sieht SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Sie sieht „gute Voraussetzungen, dass wieder Ruhe ins Land einkehrt“ und dass es eine Chance für Sachpolitik und Inhalte gebe. Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich zufrieden, dass mit der Expertenregierung nun wieder Stabilität einkehre. Die Geschlechterparität sei zudem „längst überfällig“ gewesen.

Klar sei aber auch, dass die nun angelobte Ministerriege einen parteipolitischen Hintergrund habe. Das dürfe nun keine Rolle spielen: „Es ist schon erstaunlich, wie weit der Proporz auf Beamtenebene vorgedrungen ist, dass die anderen Parteien offensichtlich tagelang um Persönlichkeiten streiten müssen.“ Pilz lobte die Qualität und Unabhängigkeit der neuen Regierung, er kritisierte aber auch Proporz auf der mittleren Ebene und Verkehrsminister Reichhardt als „Paintball-Minister“.

Gratulationen auch von FPÖ

Der designierte FPÖ-Obmann Hofer gratulierte der neuen Regierung zu ihrem Amtsantritt und bedankte sich bei Van der Bellen und Bierlein für deren „umsichtiges Handeln und die konstruktiven Gespräche in den letzten Tagen“. Auch der geschäftsführende FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl zeigte sich zuversichtlich, dass die Regierung die Verwaltung gut weiterführen werde, ehe sich im Herbst bei der Wahl die Gelegenheit für neue politische Weichenstellungen ergebe.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger hatte der neuen Regierung bereits am Sonntag Unterstützung der ÖVP zugesichert. Die EU-Kommission habe „volles Vertrauen“ in Österreichs Übergangsregierung, sagte ein Sprecher der Behörde am Montag. Vertrauen habe man auch in Van der Bellen. Die Regierung sei präzise im Rahmen der Verfassung gebildet worden.