Sie dankte Bundespräsident Alexander Van der Bellen und ihrem frisch angelobten Ministerteam. Bierlein: „Ich bin überzeugt, dass der Dienst an der Allgemeinheit gut in ihren Händen liegt.“ Sie bitte aber um Verständnis, dass sich die neuen Regierungsmitglieder nun erst einen Überblick verschaffen müssten, bevor sie an die Medien herantreten könnten.
Es sei ihr ein großes Anliegen, dass sorgsam mit Steuergeldern umgegangen werde. In diesem Sinne habe diese Regierung weniger Ministerien und schlankere Kabinette. In den kommenden Monaten werde dem Parlament eine wichtige Rolle zukommen. Ähnlich wie schon der Bundespräsident appellierte auch Bierlein an die Parteien, „rasch Vorkehrungen für bevorstehende Neuwahlen in die Wege zu leiten“.
Erste Rede der Kanzlerin
Die neu angelobte Kanzlerin Brigitte Bierlein hielt am Montag ihre erste Rede. Sie forderte die Parteien auf, rasch die Vorkehrungen für die bevorstehende Neuwahl zu treffen.
„Das mach’ ma schon“
Am Vormittag waren Bierlein und ihr insgesamt zwölfköpfiges Kabinett von Van der Bellen angelobt worden. Zuvor war die wenige alte Tage interimistische Regierung unter Kurzzeitkanzler Hartwig Löger (ÖVP) ihres Amtes enthoben worden. Darin entwickelte Van der Bellen in den vergangenen Tagen bereits eine Routine. Er dankte dem ehemaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und den für wenige Tage eingesprungenen Ministern und der Kurzzeitministerin.
Weiterhin strahlte der Bundespräsident Zuversicht aus – etwas „typisch Österreichisches“. Auf den Punkt brachte er es mit den Worten: „Das mach’ ma schon.“ Zudem brauche es Mut und den Willen zum Gespräch. Er zeigte sich überzeugt, „dass unser Land politisch, diplomatisch und sympathisch vertreten wird“. Damit dankte er den neuen Regierungsmitgliedern, dass sie „staatspolitische Verantwortung“ zeigen.
Angelobung der Übergangsregierung
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat die zwölf Mitglieder der Übergangsregierung unter Führung von Österreichs erster Kanzlerin Brigitte Bierlein angelobt.
Van der Bellen machte „keinen Hehl“ daraus, dass er sich darüber freut, dass er erstmals eine Frau als Bundeskanzlerin angelobte und dass gleich viel Frauen wie Männer in der Regierung vertreten sind. Van der Bellen: „Künftig kann niemand mehr sagen: Es geht einfach nicht.“ Dieses Kabinett soll bis zum Ende der Regierungsverhandlungen nach der Nationalratswahl im Herbst im Amt bleiben. Noch ist allerdings keine Einigung der Parteien auf einen Wahltermin abzusehen. Van der Bellen warb aber bereits jetzt für Vertrauen in die Politik und rief zur Wahl auf.
Gute Kontakte zu ÖVP, SPÖ und FPÖ
Die Beamten und Beamtinnen, die nun in der Expertenregierung vertreten sind, sind durchwegs ohne Parteizugehörigkeit. Sie stehen aber entweder der ÖVP, der SPÖ oder der FPÖ nahe. Der parteilosen Bierlein selbst werden gute Kontakte zur ÖVP und auch zur FPÖ attestiert. Ihre größten Karriereschritte machte sie jeweils unter ÖVP-FPÖ-Regierungen – nämlich jenen zur Vizepräsidentin und später zur Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner wurde politisch stets der SPÖ zugerechnet.
Ein Kurz-Vertrauter, der Diplomat Alexander Schallenberg, ist nun Außenminister mit den Bereichen Europa, Kunst, Kultur und Medien. Das stößt in der Kulturszene auf Kritik. Sie sprach angesichts der Ressortzuteilung von einer „Degradierung“. Ebenfalls als ÖVP-nahe gilt Eduard Müller, der von der Leitung der Sektion I im Finanzministerium auf den Ministerposten wechselte. Er übernimmt auch die Agenden für öffentlichen Dienst und Sport.
Schüssel-Wegbegleiterin als Wirtschaftsministerin
Das Sozialministerium übernimmt die bisherige Sektionschefin im Sozialressort, Brigitte Zarfl. Sie wurde noch unter dem ehemaligen Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bestellt. Umwelt- und Landwirtschaftsministerin ist Maria Patek. Sie war zuletzt als Leiterin der Sektion III im Landwirtschaftsministerium tätig.
Als Wirtschaftsministerin kommt Elisabeth Udolf-Strobl zum Einsatz. Sie leitete bisher die Sektion V (kulturelles Erbe) in diesem Ressort. Die Tourismusexpertin gilt als Wegbegleiterin des ehemaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel (ÖVP). Bildungsministerin ist nun Iris Eliisa Rauskala, sie war bisher Leiterin der Präsidialsektion. Frauenministerin ist jetzt Ines Stilling. Sie war zuletzt Leiterin der Sektion für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung im Bundeskanzleramt und machte unter roten Ressortchefinnen – Doris Bures, Heidrun Silhavy und Gabriele Heinisch-Hosek – Karriere.
Innenminister heikle Besetzung
Besonders heikel war die Bestellung des Innenministers. Mit Wolfgang Peschorn, bisher Präsident der Finanzprokuratur, wurde nun ein Innenminister gefunden, der von allen Parteien akzeptiert wird. Er war bei der Aufarbeitung der Vorgänge um die Pleite der Hypo Alpe-Adria und der Eurofighter-Vergabe beteiligt. Peter Pilz (JETZT) lobte Peschorn als einen der „wenigen an der Spitze der Republik, die immer die Interessen der Republik Österreichs gegen Eurofighter und Airbus vertreten haben“.
Ins Verkehrsministerium wechselt der Burschenschafter und frühere Generalsekretär von Norbert Hofer (FPÖ), Andreas Reichhardt. Er soll Medienberichten zufolge auch auf Fotos gemeinsam mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bei rechtsextremen Wehrsportübungen zu sehen sein. Laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) gab es in seiner Verbindung Zimbria auch personelle Überschneidungen mit der früheren Volkstreuen außerparlamentarischen Opposition (VAPO) des Neonazis Gottfried Küssel.
Mit Kritik ist auch der neue Verteidigungsminister Thomas Starlinger, zuvor Generalmajor des Bundesheeres und seit Jänner 2017 Adjutant des Bundespräsidenten, konfrontiert. Milizverbandspräsident Michael Schaffer zeigte sich mit dessen Bestellung unglücklich. Starlinger sei ein „Berufsheer-Hardliner“ und komme „aus der wehrpolitischen Giftküche des Peter Pilz“, kritisierte er.
„Proporz auf Beamtenebene“
Die Reaktionen auf die neue Regierung zeugen von Zuversicht. Ein „tolles frauenpolitisches Signal“ sieht SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Sie sieht „gute Voraussetzungen, dass wieder Ruhe ins Land einkehrt“ und dass es eine Chance für Sachpolitik und Inhalte gebe. Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich zufrieden, dass mit der Expertenregierung nun wieder Stabilität einkehre. Die Geschlechterparität sei zudem „längst überfällig“ gewesen.
Klar sei aber auch, dass die nun angelobte Ministerriege einen parteipolitischen Hintergrund habe. Das dürfe nun keine Rolle spielen: „Es ist schon erstaunlich, wie weit der Proporz auf Beamtenebene vorgedrungen ist, dass die anderen Parteien offensichtlich tagelang um Persönlichkeiten streiten müssen.“ Pilz lobte die Qualität und Unabhängigkeit der neuen Regierung, er kritisierte aber auch Proporz auf der mittleren Ebene und Verkehrsminister Reichhardt als „Paintball-Minister“.
Gratulationen auch von FPÖ
Der designierte FPÖ-Obmann Hofer gratulierte der neuen Regierung zu ihrem Amtsantritt und bedankte sich bei Van der Bellen und Bierlein für deren „umsichtiges Handeln und die konstruktiven Gespräche in den letzten Tagen“. Auch der geschäftsführende FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl zeigte sich zuversichtlich, dass die Regierung die Verwaltung gut weiterführen werde, ehe sich im Herbst bei der Wahl die Gelegenheit für neue politische Weichenstellungen ergebe.
ÖVP-Klubobmann August Wöginger hatte der neuen Regierung bereits am Sonntag Unterstützung der ÖVP zugesichert. Die EU-Kommission habe „volles Vertrauen“ in Österreichs Übergangsregierung, sagte ein Sprecher der Behörde am Montag. Vertrauen habe man auch in Van der Bellen. Die Regierung sei präzise im Rahmen der Verfassung gebildet worden.