Minister während Angelobung
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Übergangsregierung

Warten auf Pläne der neuen Ministerriege

In ihrer ersten Ansprache als neue Kanzlerin Österreichs hat Brigitte Bierlein am Montag noch um etwas Zeit gebeten. Die Regierungsmitglieder müssten sich nun einen Überblick verschaffen, bevor sie sich inhaltlich an die Öffentlichkeit wenden würden. Mit Spannung werden nun die ersten konkreten Ansagen und Pläne der neu angelobten Minister und Ministerinnen erwartet.

Die Übergangsregierung wird sich am 12. Juni dem Nationalrat vorstellen. Darauf hätten sich die Parteien in der Präsidialkonferenz am Montag geeinigt, teilte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) der APA mit. Somit ist keine Sondersitzung nötig. Am 12. Juni tritt der Nationalrat regulär zusammen.

Bereits am Mittwoch soll es einen ersten Ministerrat geben. Dabei sind aber noch keine größeren inhaltliche Entscheidungen vorgesehen, berichtet die APA. Es gehe vor allem um die Aufnahme der Amtsgeschäfte. Am Montag gab sich die Ministerriege gegenüber Journalisten und Journalistinnen nach der Angelobung noch wortkarg. Der neue Finanzminister, Eduard Müller, wolle sein Amt „mit Demut“ anlegen.

Heinz Fischer: „Regierung steht auf breiter Basis“

Mit dem Misstrauensantrag gegen die Regierung habe die Opposition sich nicht gegen den Bundespräsidenten gestellt. Die aktuelle Regierung stehe auf einer breiteren Basis.

Der frisch angelobte Infrastrukturminister Andreas Reichhardt geht mit „Zuversicht“ in sein neues Amt. Die Kritik in Sozialen Netzwerken, dass er gemeinsam mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache an rechtsextremen Wehrsportübungen teilgenommen haben soll, habe er wahrgenommen: „Aber ich schaue in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit“, sagte Reichhardt gegenüber der ZIB Spezial Montagmittag.

„Rasch Neuwahlen in die Wege leiten“

In einigen Ministerien erfolgte bereits am Montag die Amtsübergabe. Innenminister Wolfgang Peschorn übernahm offiziell das Amt von seinem kurzzeitigen Vorgänger Eckart Ratz. „Ich freue mich, dass ich im Bundesministerium für Inneres Ministerverantwortung übernehmen darf“, sagte Peschorn. Er stellte sich den Mitarbeitern des Ministeriums vor, inhaltliche Statements gab es aber keine.

Die neue Regierung wolle sich um das Vertrauen der Bürger, Parteien, Amtsträger, der Zivilgesellschaft und der Religionsgemeinschaften bemühen, betonte Bierlein nach der Angelobung. Sie sei sich der Verantwortung ihres Amtes bewusst und nehme dieses in Demut an. Sie dankte Bundespräsident Alexander Van der Bellen und ihrem frisch angelobten Ministerteam. Bierlein: „Ich bin überzeugt, dass der Dienst an der Allgemeinheit gut in ihren Händen liegt.“

Erste Rede der Kanzlerin

Die neu angelobte Kanzlerin Brigitte Bierlein hielt am Montag ihre erste Rede. Sie forderte die Parteien auf, rasch die Vorkehrungen für die bevorstehende Neuwahl zu treffen.

Es sei ihr ein großes Anliegen, dass sorgsam mit Steuergeldern umgegangen werde. In diesem Sinne habe diese Regierung weniger Ministerien und schlankere Kabinette. In den kommenden Monaten werde dem Parlament eine wichtige Rolle zukommen. Ähnlich wie schon der Bundespräsident appellierte auch Bierlein an die Parteien, „rasch Vorkehrungen für bevorstehende Neuwahlen in die Wege zu leiten“.

„Das mach’ ma schon“

Am Vormittag waren Bierlein und ihr insgesamt zwölfköpfiges Kabinett von Van der Bellen angelobt worden. Zuvor war die wenige alte Tage interimistische Regierung unter Kurzzeitkanzler Hartwig Löger (ÖVP) ihres Amtes enthoben worden. Weiterhin strahlte der Bundespräsident Zuversicht aus. Das sei etwas „typisch Österreichisches“, so Van der Bellen. Auf den Punkt brachte er es mit den Worten: „Das mach’ ma schon.“ Zudem brauche es Mut und den Willen zum Gespräch.

Angelobung der Übergangsregierung

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat die zwölf Mitglieder der Übergangsregierung unter Führung von Österreichs erster Kanzlerin Brigitte Bierlein angelobt.

Van der Bellen freute sich über die Geschlechterparität in der Regierung – sechs Frauen und sechs Männer: „Künftig kann niemand mehr sagen: Es geht einfach nicht.“ Dieses Kabinett soll bis zum Ende der Regierungsverhandlungen nach der Nationalratswahl im Herbst im Amt bleiben. Noch ist allerdings keine Einigung der Parteien auf einen Wahltermin abzusehen. Van der Bellen warb aber bereits jetzt für Vertrauen in die Politik und rief zur Wahl auf.

Misstrauensanträgen vorbeugen

Die nun angelobte Regierung besteht zum überwiegenden Teil aus Beamten und Beamtinnen, die zwar parteilos, aber dennoch politisch zuordenbar sind – und zwar den großen Parteien ÖVP, SPÖ und FPÖ. Das soll einen breiten Rückhalt im Parlament garantieren – womit auch etwaigen Misstrauensanträgen vorgebeugt werden soll.

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Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein
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Die frühere Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), Brigitte Bierlein (69), übernimmt als erste Kanzlerin Österreichs die Regierungsgeschäfte. Vor dem Wechsel in den VfGH 2003 war sie zwölf Jahre Generalanwältin in der Generalprokuratur.
Justizminister und Vizekanzler Clemens Jabloner
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Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner (70) war langjähriger Präsident des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH). Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde Jabloner, als er von 1998 bis 2003 Vorsitzender der Historikerkommission der Republik Österreich war. 1991 wurde er Vizepräsident des VwGH, zwei Jahre später Präsident.
Verkehrsminister Andreas Reichhardt
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Verkehrsminister Andreas Reichhardt (50) war seit 2018 Generalsekretär seines Vorgängers Norbert Hofer (FPÖ), er ist auch Mitglied im Aufsichtsrat der ASFINAG und im ÖBB-Aufsichtsrat. Seinen Fuß auf die politische Ebene setzte der parteilose Jurist mit seiner Tätigkeit als parlamentarischer Wirtschaftsreferent im Büro des Nationalratspräsidenten Thomas Prinzhorn (FPÖ).
Finanzminister Eduard Müller
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Finanzminister Eduard Müller (56) war Leiter der Sektion I seines Ressorts. Er war auch Geschäftsführer des Linde Verlages, wo er etwa das „SteuerSparBuch“ publizierte. Seit 2015 ist Müller auch Bundesvorsitzender der Prüfungskommission für Steuerberater in der Kammer der Wirtschaftstreuhänder und stellvertretender Generalsekretär im Finanzministerium.
Sozialministerin Brigitte Zarfl
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Sozial- und Gesundheitsministerin Brigitte Zarfl (56) wurde 2015 zur Leiterin der Präsidialsektion im Sozialministerium bestellt. Die Ernährungswissenschaftlerin war in der EU-Sozialpolitik aktiv und vertrat Österreich im EU-Sozialschutzausschuss.
Wirtschaftsministerin Elisabeth Udolf-Strobl
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Wirtschaftsministerin Elisabeth Udolf-Strobl (63) war Leiterin der Sektion V (kulturelles Erbe). Ab 1995 arbeitete sie ein Jahr lang im Außenministerium, wechselte danach aber wieder in ihr Stammressort unter Minister Johann Farnleitner (ÖVP).
Außenminister Alexander Schallenberg
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Als zweites Mitglied der neuen Regierung wurde Außenminister Alexander Schallenberg vorgestellt. Der 1969 geborene Diplomat leitete zuerst in Brüssel die Rechtsabteilung der österreichischen EU-Vertretung, später war er Pressesprecher zweier ÖVP-Minister. Nach dem Aufstieg von Sebastian Kurz (ÖVP) ins Bundeskanzleramt leitete Schallenberg dort die EU-Koordinationssektion.
Maria Patek, Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus
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Maria Patek (60), Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, war seit 2018 Leiterin der Sektion Forstwirtschaft und Nachhaltigkeit im Bundesministerium. Von 1993 bis 2016 hatte sie verschiedene Funktionen im Bereich der Wildbach- und Lawinenverbauung im Landwirtschaftsministerium inne.
Innenminister Wolfgang Peschorn
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Innenminister Wolfgang Peschorn (54) war seit 2006 Leiter der Finanzprokuratur, der die anwaltliche Vertretung und Beratung der Republik Österreich obliegt. Mediale Bekanntheit erlangte Peschorn durch seine Tätigkeit bei der Aufarbeitung der Vorgänge um die Pleite der Hypo Alpe-Adria und der Eurofighter-Vergabe.
Verteidigungsminister Thomas Starlinger
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Verteidigungsminister Thomas Starlinger (56) war seit 2017 Militäradjutant von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Vier Jahre war er Vizechef des Stabes beim multinationalen Kommando „Operative Führung Eingreifkräfte“ in Ulm. Starlinger galt laut Medienberichten übrigens als Befürworter der Abschaffung der Wehrpflicht und der Einführung eines Berufsheeres in Österreich.
Frauen- und Familienministerin Ines Stiling
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Frauenministerin Ines Stilling (42) kommt aus der im Kanzleramt angesiedelten Sektion für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung, die sie seit 2012 leitete. Die Juristin machte Karriere unter den SPÖ-Ressortchefinnen Doris Bures, Heidrun Silhavy und Gabriele Heinisch-Hosek.
Bildungsministerin Iris Eliisa Rauskala
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Die neue Bildungsministerin Iris Eliisa Rauskala (41) war seit 2018 Leiterin der Präsidialsektion im Bildungsministerium. Sie wurde in Helsinki geboren und war unter anderem Referentin im Büro der einstigen ÖVP-Bildungsminister Johannes Hahn, Beatrix Karl und Karlheinz Töchterle.

Der parteilosen Bierlein selbst werden gute Kontakte zur ÖVP und auch zur FPÖ attestiert. Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner wurde politisch stets der SPÖ zugerechnet. Ein Vertrauter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der Diplomat Alexander Schallenberg, ist nun Außenminister mit den Bereichen Europa, Kunst, Kultur und Medien. Das stößt in der Kulturszene auf Kritik. Hier wird angesichts der Ressortzuteilung von einer „Degradierung“ gesprochen. Ebenfalls als ÖVP-nah gilt Finanzminister Müller. Er übernimmt auch die Agenden für öffentlichen Dienst und Sport.

Das Sozialministerium übernimmt die bisherige Sektionschefin im Sozialressort, Brigitte Zarfl. Sie wurde noch unter dem ehemaligen Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bestellt. Umwelt- und Landwirtschaftsministerin ist Maria Patek. Als Wirtschaftsministerin kommt Elisabeth Udolf-Strobl zum Einsatz. Sie gilt als Wegbegleiterin des ehemaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel (ÖVP). Bildungsministerin ist nun Iris Eliisa Rauskala, sie war bisher Leiterin der Präsidialsektion. Frauenministerin ist jetzt Ines Stilling. Sie war zuletzt Leiterin der Sektion für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung im Bundeskanzleramt und machte unter roten Ressortchefinnen – Doris Bures, Heidrun Silhavy und Gabriele Heinisch-Hosek – Karriere.

Lob für Peschorn, Kritik an Starlinger

Besonders heikel war die Bestellung des Innenministers. Mit Peschorn, bisher Präsident der Finanzprokuratur, wurde nun ein Innenminister gefunden, der von allen Parteien akzeptiert wird. Er war bei der Aufarbeitung der Vorgänge um die Pleite der Hypo Alpe-Adria und der Eurofighter-Vergabe beteiligt. Peter Pilz (JETZT) lobte Peschorn als einen der „wenigen an der Spitze der Republik, die immer die Interessen der Republik Österreich gegen Eurofighter und Airbus vertreten haben“.

Vorstellung der neuen Bundesregierung

Das Kabinett Bierlein besteht aus sechs Ministern und sechs Ministerinnen, die Regierung hat im Vergleich zu ihren Vorgängern daher einen hohen Frauenanteil.

Mit Kritik ist der neue Verteidigungsminister Thomas Starlinger, zuvor Generalmajor des Bundesheeres und seit Jänner 2017 Adjutant des Bundespräsidenten, konfrontiert. Milizverbandspräsident Michael Schaffer zeigte sich mit dessen Bestellung unglücklich. Starlinger sei ein „Berufsheer-Hardliner“ und komme „aus der wehrpolitischen Giftküche des Peter Pilz“, kritisierte er.

„Vollstes Vertrauen in die Regierung“

Großteils waren die Reaktionen auf die Übergangsregierung positiv. Sobotka (ÖVP) erwartet eine gute Zusammenarbeit mit dem Parlament. Die Regierungsmitglieder brächten „die größte Expertise und langjährige Erfahrung für ihre Ressorts mit“: „Ich habe vollstes Vertrauen in die neue Regierung.“

Ein „tolles frauenpolitisches Signal“ sieht SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Sie erkennt „gute Voraussetzungen, dass wieder Ruhe ins Land einkehrt“ und dass es eine Chance für Sachpolitik und Inhalte gebe. Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich zufrieden, dass mit der Expertenregierung nun wieder Stabilität einkehre. Die Geschlechterparität sei zudem „längst überfällig“ gewesen.

Klar sei aber auch, dass die nun angelobte Ministerriege einen parteipolitischen Hintergrund habe. Das dürfe nun keine Rolle spielen: „Es ist schon erstaunlich, wie weit der Proporz auf Beamtenebene vorgedrungen ist, dass die anderen Parteien offensichtlich tagelang um Persönlichkeiten streiten müssen.“ Pilz lobte die Qualität und Unabhängigkeit der neuen Regierung, er kritisierte aber auch Proporz auf der mittleren Ebene und Verkehrsminister Reichhardt als „Paintball-Minister“.

Gratulationen auch von FPÖ

Der designierte FPÖ-Obmann Norbert Hofer gratulierte der neuen Regierung zu ihrem Amtsantritt und bedankte sich bei Van der Bellen und Bierlein für deren „umsichtiges Handeln und die konstruktiven Gespräche in den letzten Tagen“. Auch der geschäftsführende FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl zeigte sich zuversichtlich, dass die Regierung die Verwaltung gut weiterführen werde, ehe sich im Herbst bei der Wahl die Gelegenheit für neue politische Weichenstellungen ergebe.

Reaktionen der Parteien auf die neue Regierung

Die im Nationalrat vertretenen Parteien stehen der Übergangsregierung positiv gegenüber, sie finden nach der Angelobung lobende Worte.

Die EU-Kommission habe „volles Vertrauen“ in Österreichs Übergangsregierung, sagte ein Sprecher der Behörde am Montag. Vertrauen habe man auch in Van der Bellen. Die Regierung sei präzise im Rahmen der Verfassung gebildet worden.