Sudanesische Soldaten
APA/AFP/Ashraf Shazly
Dutzende Tote im Sudan

Militär sagt Opposition den Kampf an

Der sudanesische Militärrat hat die Vereinbarung mit der Protestbewegung für einen politischen Übergang aufgekündigt. Am Montag hatten Soldaten bei der gewaltsamen Auflösung des zentralen Protestlagers in der Hauptstadt Khartum laut Ärzteangaben Dutzende Menschen getötet.

„Der Militärrat hat entschieden, die Verhandlungen mit der Allianz für Freiheit und Wandel zu beenden und aufzukündigen, was vereinbart wurde“, so der Chef des Militärrats, General Abdel Fattah al-Burhan, in der Nacht auf Dienstag im Staatsfernsehen. Er kündigte Wahlen an. Diese sollten von regionalen sowie internationalen Beobachtern durchgeführt und überwacht werden, sagte Burhan nach Angaben der Nachrichtenseite Sudan Tribune weiter.

In seiner Rede am frühen Dienstag sprach Burhan von Wahlen binnen neun Monaten, in einer schriftlichen Fassung von sieben Monaten, hieß es in der Zeitung weiter. Über die Wahl hinaus habe er alle bisher getroffenen Vereinbarungen mit der Opposition über eine Übergangsregierung aufgekündigt.

Sudanesische Demonstranten
APA/AFP/Ashraf Shazly
Demonstranten nehmen Steine aus dem Straßenbelag

Proteste gingen nach Baschir-Rückzug weiter

Nach drei Jahrzehnten an der Macht war Präsident Omar al-Baschir im April von den Streitkräften gestürzt worden. Dem Putsch waren monatelange Massenproteste vorausgegangen. Ein Militärrat übernahm die Führung. Mit diesem einigte sich die Protestbewegung Mitte Mai grundsätzlich darauf, dass in den kommenden drei Jahren ein gemeinsamer Übergangsrat die Geschicke des Landes lenken soll. Seither herrscht aber Streit darüber, welche Seite dieses Gremium führen soll. Die Sitzblockade in Khartum, die maßgeblich zum Sturz Baschirs beigetragen hatte, wurde nach dem Putsch fortgeführt.

Ärzte: Auch Hunderte Verletzte

Nach der gewaltsamen Auflösung eines Protestlagers am Montag stieg die Zahl der Toten auf „über 30“, wie das Zentralkomitee sudanesischer Ärzte mitteilte. Hunderte seien verletzt worden, viele von ihnen befänden sich in kritischem Zustand, teilte der Verband auf Facebook mit. Die genaue Anzahl der Opfer sei unklar, da bewaffnete Sicherheitskräfte Krankenhäuser umstellten und Ärzte festnähmen, hieß es weiter.

Eines der ärmsten Länder

Der große Flächenstaat im Nordosten Afrikas gehört zu den 25 ärmsten Ländern der Welt. Der Sudan mit seinen 41 Millionen Einwohnern steckt in einer schweren Wirtschaftskrise.

Nach Angaben des Ärztekomitees eröffneten die Sicherheitskräfte in Khartum auch in einem Krankenhaus das Feuer und vertrieben „friedliche Protestierende“. Ein weiteres Krankenhaus in der Nähe der Blockaden sei von Sicherheitskräften blockiert worden.

Burhan kündigte in seiner Rede eine Untersuchung der Vorfälle an, wie die Sudan Tribune weiter berichtete. Das Gewerkschaftsbündnis Sudanese Professionals Association (SPA), die Organisatoren der anhaltenden Massenproteste im Sudan, hatte von einem „blutigen Massaker“ an Demonstranten gesprochen. Es sei versucht worden, mit Gewalt die seit Wochen andauernde Sitzblockade im Zentrum der Hauptstadt Khartum aufzulösen, hatte das Gewerkschaftsbündnis getwittert.

Militär: „Gefährliche“ Gegend in Khartum

Die Militärregierung dementierte hingegen den Einsatz von Sicherheitskräften und Gewalt gegen die Protestkundgebung. „Wir haben die Blockade nicht gewaltsam aufgelöst“, sagte ein Sprecher. Vielmehr seien Sicherheitskräfte gegen ein weiteres Treffen in einer nahe gelegenen, „gefährlichen“ Gegend Khartums vorgegangen. Viele Teilnehmer dieser Versammlung seien „entkommen“ und hätten sich anschließend in die Gegend der Straßenblockaden begeben. Viele junge Demonstranten hätten die Blockaden daraufhin verlassen.

Auf den Straßen von Khartum wurde die Militärpräsenz deutlich verstärkt, wie ein AFP-Journalist berichtete. Mit Maschinengewehren bewaffnete Sicherheitskräfte in Geländewagen positionierten sich in großer Zahl in der Stadt.

Tausende seit Wochen vor Armeehauptquartier

Seit rund zwei Monaten hatten Tausende Demonstranten die Straßen um das Armeehauptquartier in Khartum besetzt. Sie forderten eine zivile Regierung für den Sudan. Der Militärrat hatte die Protestkundgebungen als „Gefahr für die Sicherheit und den öffentlichen Frieden“ bezeichnet. Die Allianz für Freiheit und Wandel, in der die Protestbewegungen zusammengeschlossen sind, erklärte, die Blockaden seien von Armee, Polizei und Milizen aufgelöst worden. Die Umgebung des Militärhauptquartiers sei leer – abgesehen von den Leichen getöteter Demonstranten.

Die an der Spitze der Proteste stehende SPA hatte die Bevölkerung zum „totalen zivilen Ungehorsam“ mit dem Ziel aufgerufen, den Militärrat zu stürzen. Der politische Kontakt und die Gespräche mit der Militärregierung seien vollständig abgebrochen worden, sagte das Oppositionsbündnis.

Internationale Kritik

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres kritisierte die Gewalt der Sicherheitskräfte scharf und forderte eine unabhängige Untersuchung der Todesfälle. Der für Afrika zuständige US-Außenstaatssekretär Tibor Nagy verurteilte die „brutale“ Niederschlagung der Proteste und forderte die Einsetzung einer Zivilregierung.

Der britische Botschafter in Khartum, Irfan Siddiq, twitterte, es gebe „keine Entschuldigung für derartige Angriffe“. Das Vorgehen gegen die Demonstranten müsse sofort eingestellt werden. Ägypten rief beide Seiten zu Ruhe und Gesprächen auf.

Das deutsche Außenministerium schrieb auf Twitter: „Gewalt gegen Protestierende ist nicht zu rechtfertigen und muss sofort aufhören. Wir rufen die Verhandlungspartner auf, Eskalation zu vermeiden und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.“ Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die internationale Gemeinschaft auf, „alle Formen friedlichen Drucks in Betracht zu ziehen“ einschließlich gezielter Sanktionen gegen die Übergangsregierung.