Eindrücke vom BVT U-Ausschuss
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BVT-Ausschuss

ÖVP-naher Verein ProPatria geriet in Fokus

Nach Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat der BVT-Ausschuss am Dienstag den Ex-Spionagechef im BVT, Bernhard P., befragt. Er ist Hauptbeschuldigter in der Affäre. Er sei „kein Zirkelmann der ÖVP“ im Verfassungsschutz gewesen. P. musste Angaben zu einem ÖVP-nahen Verein machen und geriet auch sonst oftmals stark in die Defensive.

Zu Beginn hatte sich P. noch selbstbewusst und wortgewaltig gegeben: Er wolle die Aussagen einiger Zeugen „inhaltlich korrigieren“. Ein Teil davon sei „verhaltensauffällig durch Erinnerungslücken und Persönlichkeitsausprägungen“ gewesen. Sein politischer Hintergrund (die ÖVP) sei klar, seine Farbe habe bei seiner Arbeit im BVT aber zu keiner Zeit eine Rolle gespielt.

Überhaupt sei es „grotesk und falsch“, dass es ein „kriminelles schwarzes Netzwerk“ gegeben haben soll. Er habe „nie einen Auftrag erhalten, politische Ermittlungen“ zu führen. Natürlich habe es Rücksprachen mit dem Kabinett gegeben – Weisungen seien vom Kabinett an ihn aber nie ergangen. Wäre das so gewesen, hätte er abgelehnt. Doch kamen während der Befragung gleich mehrere Themen auf, die P. in Erklärungsnot brachten.

ÖVP-naher Verein bestand fast nur aus BVT-Mitarbeitern

JETZT-Fraktionsvorsitzender Peter Pilz zitierte aus einem SMS von P. an Philipp B.: „Bin im KBM (Kabinett, Anm.), ruf dich zurück“ (B. sei laut P. „ein ausgezeichneter, engagierter Mitarbeiter im BVT“). Mit B. habe er auch privat Kontakt. In der Folge stellte sich heraus, dass er mit B. in zwei Vereinen sei – es handelt sich um den CV und den 2004 gegründeten „Heimatverein ProPatria – Für Niederösterreich“, bei Letzterem ist P. Obmann.

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Pilz brachte den Verein ProPatria im U-Ausschuss auf

ProPatria rückte fortan im Ausschuss in den Fokus – ursprünglich handelt es sich um einen Verein zur Unterstützung von Ex-NÖ-Landeshauptmann Erwin Pröll. Obmann-Stellvertreter ist der Cybersicherheitschef des BVT (also besagter Philipp B.), Schriftführerin die Ehefrau P.s, als Kassier scheint bis 2016 Ex-Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) auf – abgelöst wurde dieser dann von einem Mitarbeiter des BVT.

JETZT, NEOS und SPÖ sahen einiges an Verdacht im Raum stehen – insbesondere Parteienfinanzierung und Datenweitergabe. Als Indiz dafür wertete unter anderen Pilz, dass sich neben P. auch der Chef der Cybersecurity im BVT – also eine „ÖVP-Achse“ – darin befinde. Aus den „miteinander verwobenen Personen“ ergebe sich ein Netzwerk, war für Pilz klar. Um dieses aufzuklären, müssten die Strukturen des Vereins geklärt werden.

„Schließe Parteienfinanzierung aus. Der Verein ist uralt“

Ex-BVT-Spionagemann P. rechtfertigte sich: „Ich schließe aus, dass es zu Parteienfinanzierung gekommen ist. Weil der Verein uralt ist. Da gibt es keinerlei Gegenflüsse.“ Pilz wollte wissen, wann P. Obmann war und was der Vereinszweck von ProPatria sei. „Vor vielen Jahren, sehr lange her, um die Nationalratswahl zu unterstützen“, sagte P. Der Verein sei vor vielen Jahren gegründet worden, „zur Unterstützung der ÖVP, der wertkonservativen Bewegung“.

Pilz unterstrich erneut, der Verein könnte zur illegalen Parteienfinanzierung gedient haben, aber das sei Thema „für einen anderen U-Ausschuss“. „Sie können diesen Verein anschauen, da gibt es keine Geldflüsse, es bestehen in keinerlei Weise Zusammenhänge“, beteuerte der Ex-BVT-Spionageabwehrchef. Er verzeichne ohnehin „keine Aktivitäten mehr“. Hinter ProPatria seien „keine Geheimnisse“ zu finden.

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Krainer und Krisper bedauern, dass der U-Ausschuss beendet werden muss

Schwarze Postenbesetzungen?

NEOS-Fraktionsvorsitzende Stephanie Krisper fragte P. – im Kontext bekannter Mails von Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) – zum Terminus „Rot-Weiß-Rot“. (Zur Erklärung: Zu verstehen ist das mutmaßlich als Tarnformel für schwarze Postenbesetzungen im Innenministerium). Er kenne es aus Medien, so P. Krisper wollte wissen, ob BVT-Chef Peter Gridling gegen die Postenbesetzung mit Bernhard P. war – dazu las sie Gridlings Aussagen im Ausschuss vor, wonach dieser gravierende Bedenken gegen P. hatte.

Diese Bedenken hatte er auch gegenüber seinen Vorgesetzten bis hin zum Ex-Kabinettschef des Innenministeriums, Michael Kloibmüller, geäußert. P. sagte dazu, es gebe im BVT einige, die auch keine Polizeiausbildung haben. „Ist Ihnen bewusst, dass Sie trotz dieser Kritik von Gridling Referatsleiter wurden?“, so Krisper. „Ich hab das jetzt durch die Aussagen mitbekommen.“ „Auch dass sich der außenpolitische Sprecher der ÖVP, (Günter, Anm.) Kössl laut Gridling an Gridling gewandt und sich für Sie starkgemacht hat?“ Das habe er nicht gewusst, auch nicht, was hinter seinem Rücken besprochen wurde.

„Authentische Informationen abseits der formellen Kanäle“

Auch sein Brief an den ehemaligen Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl, brachte P. gehörig in die Defensive. Darin hatte er sich für „Vernetzungsarbeit“ angeboten und „authentische Informationen abseits der formellen Kanäle“ angeboten. Im Ausschuss meinte P., er habe damit anstehende Personalvertretungswahlen gemeint.

In dem Brief an Anderls Privatadresse vom Februar 2009 stellte sich P. als „Bundesbruder“ (im CV) des Generaldirektors vor. Als Intention gab er an, „Vernetzungsarbeit“ betreiben zu wollen. „Ich will dich nicht nur über meine ‚Existenz‘ im BVT informieren, sondern dir auch mitteilen, dass ich dir selbstverständlich jederzeit für authentische Informationen abseits der formellen Kanäle und ebenso für eine persönliche Vorstellung meiner Möglichkeiten (…) zur Verfügung stehe“, schrieb er.

„Bekannt für meine unorthodoxe Art zu kommunizieren“

Im Ausschuss begründete P. sein Schreiben, dass es lediglich um die Frage der Personalvertretung hätte gehen sollen. SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer wollte daraufhin wissen, welche Funktion der einstige Generaldirektor bei der FCG (Fraktion Christdemokratischer Gewerkschafter) gehabt habe. „Ich weiß es nicht. Ich bin zum damaligen Zeitpunkt wahrscheinlich davon ausgegangen, dass er in Personalvertretungsfunktionen engagiert war“, so P. vor dem Ausschuss.

Dass P. in seinem Schreiben überhaupt nicht auf sein angebliches Anliegen einging, verwunderte Krainer: „Machen Sie das immer so, dass Sie den Inhalt, um den es geht, explizit nicht im Brief erwähnen?“ „Ich bin bekannt für meine unorthodoxe Art, Kommunikation zu betreiben“, rechtfertigte sich P. Krainer reagierte mit Verwunderung: „Und dann arbeiten Sie in einem Nachrichtendienst?“

Warnung an Kurz?

Auch zitierte Krainer aus dem SMS-Verkehr mit ÖVP-Geschäftsführer Axel Melchior aus dem Jahr („Es gibt neue Filme“). Dass es belastendes Filmmaterial über die FPÖ war, schloss P. aus. Er habe auch nicht gewusst, dass Videos über Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache im Umlauf waren. Später fragte Krainer, ob es sich um eine Warnung an Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) handeln könnte, „bestimmte Orte zu meiden?“ P. entschlug sich, er wolle das nicht beantworten.

„Schlacht verloren, aber den Krieg gewinnen wir :-)“

Auch ein im Ausschuss bereits bekannter Mail-Verkehr von Ex-Spionagechef P. mit dem Ex-Innenministeriums-Generalsekretär Kloibmüller wurde aufs Tapet gebracht. „Jetzt ist es definitiv: GL (Gabriel Lansky, Anm.) bekommt Computer retour. Wir sind alle ziemlich down“, hieß es darin von P. an Kloibmüller. Die Antwort damals: „Macht nichts. Schlacht verloren, aber den Krieg gewinnen wir :-)“.

Es sei niemals um eine parteipolitische Sache gegangen, sondern um die Causa Kasachstan. Im Fall Alijew seien diverse Medien, Parlamente, Ämter instrumentalisiert worden. Da sei es „nicht verwunderlich“, dass das BVT sich darum gekümmert habe und deswegen „SMS verschickt“ habe. Schließlich sei es um Spionage gegangen. Daten seien nie durchgesickert, so P. – „ich kann es für mich ausschließen und kenne meine Mitarbeiter sehr gut, kann es daher auch für sie ausschließen“.

„Emotionaler Ausbruch“

Krainer konfrontierte P. mit dem SMS-Verkehr, wonach im BVT alle „down“ seien wegen des verlorenen Computers von Lansky. P. erklärte, das sei wohl ein „emotionaler Ausbruch“ gewesen, man habe in dem komplexen Ermittlungsfall natürlich das Beste gegeben, und das sei nicht immer leicht gewesen. Krainer wollte wissen, was Kloibmüller meinte, als er sagte, man habe die „Schlacht“ verloren, aber „den Krieg gewinnen wir“ – „welcher Krieg?“, fragte Krainer. „Es hat keinen Krieg gegen einen Anwalt gegeben, keinen Krieg gegen eine Partei“, so P., sondern es sei um die Frage gegangen, „mit welchen Methoden die Republik Österreich geschädigt wird“, so P.

„Hat die Parteimitgliedschaft eine Rolle gespielt?“

Auch die nach Darstellung P.s „überraschende“ Anstellung beim BVT war Thema. Über die Interventionen in Bezug auf seine Person habe er „nie erfahren“, er bezweifle auch, dass es welche gab. Das machte die FPÖ zum Thema und zitierte aus einer E-Mail an Kloibmüller, in der er sich unmissverständlich für einen Posten im Innenministerium andiente. „Hat die Parteimitgliedschaft eine Rolle gespielt?“, fragte Hans-Jörg Jenewein.

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Jenewein sah einen Beleg für die „Machtkonzentration“ der ÖVP im BVT

„Ich weiß es nicht, vielleicht hätte ich es genauso geschrieben, wenn ein SPÖler Kabinettchef gewesen wäre“, so P. Die politische Rolle habe wohl nicht so viel Gewicht gehabt, schließlich sei er davor einmal abgelehnt worden. Dass jemand bei BVT-Chef Gridling interveniert habe, könne er „grundsätzlich nicht ausschließen“, er habe keine Wahrnehmungen dazu.

Deckname für Amon?

Auch die Bekanntschaft mit dem ÖVP-Mandatar Werner Amon war Thema: In diesem Zusammenhang tauchte die Frage auf, welcher Informant den Decknamen „V." (der vollständige Name darf nicht genannt werden) trug. Pilz äußerte die Vermutung, dass es sich um Amon handelt. Was Amon als Quelle für das BVT so schützenswert machte, dass man ihm einen Decknamen geben musste, fragte Pilz. Amon sei niemals als Gelegenheitsinformant geführt worden. „Bezeichnungen von mir hatten lediglich organisationstechnische Gründe. Hätte ich Amon als Informant geführt, wäre er wohl im Bereich der Quellenbewirtschaftung aufgeschlagen“, so P.

Pilz machte P. darauf aufmerksam, dass es für P. aus strafrechtlicher Sicht ja durchaus heikel sein könnte, wenn das BVT für Gespräche mit Amon bezahlte, ohne dass Amon fürs BVT nützlich war. P. wies aufs Schärfste zurück, dass Amon fürs BVT nicht von Nutzen war. Sollte Pilz das hier sagen, behalte er sich rechtliche Schritte vor.

„Ja, die Frage ist nur, welche Leistung. Welche Information in der Causa Lansky war für das BVT von Nutzen?“, fragte Pilz. „Diese feststellende Unterstellung, dass Informationen in der Causa Lansky von Amon ans BVT geflossen sind, weise ich zurück.“ Amon habe keine Informationen weitergegeben, „die zu inkriminieren wären“ – es habe sich lediglich um einen unterstützenden Austausch gehandelt. Dass Amon „Gelegenheitsinformant“ war, sei lediglich eine Annahme der Ermittler, sonst nichts.

„Sicherheitspolitische Apokalypse“

Später verblasst, hatte sich P. zu Beginn noch recht offensiv gezeigt: Das BVT sei durch die Hausdurchsuchung enorm geschädigt worden. „Das Vertrauen ist tot, da gibt es nichts zu rütteln“, sagt P., es handle sich um eine „sicherheitspolitische Apokalypse“. Ausländische Dienste werden die Schwäche des BVT jetzt ausnützen, mutmaßte P. – so sei es nämlich immer gewesen bei „Organisationen, die am Boden liegen“, „das können Sie in Geschichtsbüchern nachlesen“, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg.

FPÖ: „BVT-Skandal ist ein ÖVP-Skandal“

Nach der Befragung war für JETZT, NEOS und FPÖ klar, dass man auf das „schwarze Netzwerk“ gestoßen sei. „Die Spuren führen alle zu Blümel – er ist für mich der Kopf des ÖVP-Netzwerks“, so Pilz. „Wenn da nicht klar ist, wie das Netzwerk funktioniert …“, so Krisper. Sie bedauerte, dass der Ausschuss am Mittwoch seine Arbeit beenden muss. Die FPÖ sah einen Beleg für die „Machtkonzentration“ der ÖVP im BVT, es handle sich um einen „ÖVP-Skandal“, den man in einem neuen U-Ausschuss aufklären müsse, teilte Jenewein via Twitter mit.

Gabriela Schwarz (ÖVP) verwies darauf, dass es nicht verboten sei, in einem Verein engagiert zu sein, und ein Verein sei noch keine Parteiorganisation. Außerdem solle man in Sachen Vereinen auch bei anderen Parteien nachschauen.