Früherer Außenminister Boris Johnson
Reuters/Andrew Yates
„Brexit-Zahlung zurückhalten“

Boris Johnson will EU erpressen

Der Favorit auf den Posten des britischen Premierministers, Boris Johnson, will offenbar die Europäische Union erpressen. Er droht damit, die vereinbarten Ausstiegszahlungen in Milliardenhöhe zurückzuhalten. Er nimmt damit auch eine Empfehlung von US-Präsident Donald Trump auf.

Der „Sunday Times“ sagte der Brexit-Hardliner Johnson nach Angaben der britischen Nachrichtenagentur PA, man werde die von Brüssel geforderten 39 Milliarden Pfund (rund 44 Mrd. Euro) so lange nicht bezahlen, bis es bessere Bedingungen und „mehr Klarheit“ über das weitere Vorgehen gebe.

„Für den Abschluss eines guten Deals ist Geld ein großartiges Lösungs- und ein großartiges Schmiermittel.“ Er habe es immer merkwürdig gefunden, den gesamten Scheck zu unterschreiben, bevor ein endgültiges Abkommen abgeschlossen sei.

Früherer Außenminister Boris Johnson
APA/AFP/Tolga Akmen
Boris Johnson vor seinem Haus in London

Trump-Lob für Johnson

Vergangene Woche hatte bereits US-Präsident Trump den Briten empfohlen, diese Schulden nicht zu bezahlen – und Johnson bescheinigt, ausgezeichnete Fähigkeiten für das Amt des Partei- und Regierungschefs zu haben. Bei den Brexit-Verhandlungen mit der EU hatte London zugesagt, eine Schlussrechnung in Höhe von 44 Milliarden Euro zu begleichen. Brüssel besteht darauf, dass London seinen Anteil für gemeinsam getroffene Finanzentscheidungen bezahlt – für den EU-Haushalt, gemeinsame Fonds und Pensionslasten.

Aus dem Umfeld des französischen Präsidenten Emmanuel Macron kamen Warnungen vor den Folgen von Johnsons Vorhaben: „Wenn man seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, verstößt man gegen internationale Zusagen, was einem Zahlungsausfall von Staatsschulden entspricht“, sagte eine Macron nahestehende Person. „Die Konsequenzen daraus sind wohlbekannt.“

Der frühere Außenminister Johnson gilt als Favorit im Rennen um die Nachfolge der scheidenden britischen Premierministerin Theresa May. Am Freitag hatte sie die Führung ihrer Konservativen Partei abgegeben. Sie wird bis Ende Juli auch als Regierungschefin ersetzt. Johnson gilt als Erzfeind Mays und war im vergangenen Jahr aus Protest gegen Mays Brexit-Kurs als Außenminister zurückgetreten.

US-Präsident Donald Trump und britische Premierministerin Theresa May
AP/Pool Photo/Chris Jackson
US-Präsiden Donald Trump und Theresa May bei Trumps Besuch in London

Johnson doch nicht vor Gericht

Für Johnson, der auch ehemaliger Bürgermeister von London ist, gab es am Freitag gute Nachricht: Er muss sich wegen möglicherweise wissentlich falscher Aussagen vor dem Brexit-Referendum doch nicht vor Gericht verantworten. Auf Antrag seines Anwalts wies der High Court in London eine gerichtliche Vorladung zurück. Damit ist eine Hürde für Johnsons Bewerbung um das Amt des Premierministers beseitigt.

Eine Bezirksrichterin hatte Ende Mai beschlossen, Johnson zu Vorwürfen des Fehlverhaltens im Amt anzuhören. Sie hatte erklärt, eine Vorladung Johnsons zu einer gerichtlichen Voranhörung sei der Sache angemessen. Nach der Anhörung werde entschieden, ob der Fall vor ein Strafgericht komme. Nur dort könne über die Anschuldigungen verhandelt werden.

Hinter der Klage steht der Geschäftsmann Marcus Ball. Er wirft dem konservativen Politiker vor, die Öffentlichkeit mit falschen Angaben beim Referendum 2016 und bei der Neuwahl 2017 in die Irre geleitet zu haben. Er beschuldigt Johnson, fälschlicherweise angegeben zu haben, Großbritannien zahle wöchentlich 350 Millionen Pfund (knapp 400 Mio. Euro) an die EU. Dieser Betrag war ein zentraler Punkt der Kampagne des Brexit-Lagers vor dem Referendum im Jahr 2016, bei dem eine knappe Mehrheit der Briten für ein Ausscheiden aus der Europäischen Union stimmte.

Bildcombo zeigt: Angela Leadsom, Boris Johnson, Jeremy Hunt, Michael Gove; Sajid Javid und Dominic Raab
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Andrea Leadsom, Boris Johnson, Jeremy Hunt, Michael Gove, Sajid Javid, Dominic Raab (v. l. n. r.)

May-Nachfolgekandidat gestand Kokainkonsum ein

Bisher haben elf Politiker ihr Interesse an dem Posten als Chef oder Chefin der Konservativen Partei und damit auch als Premierminister bzw. Premierministerin bekundet. Die offizielle Bewerbungsfrist für die Kandidaten endet am Pfingstmontag.

Einer der Topkandidaten für den Parteivorsitz der britischen Konservativen, Umweltminister Michael Gove, hat den Konsum von Kokain vor zwei Jahrzehnten eingeräumt. „Vor etwa 20 Jahren, bevor ich verheiratet war, habe ich Drogen genommen“, sagte Gove der Zeitung „Daily Mail“ (Samstag-Ausgabe). Das sei bei mehreren Anlässen der Fall gewesen. Er bedauere das „zutiefst“. „Es war ein Fehler.“

Sieben gestanden Cannabiskonsum ein

Er sei „ein junger Journalist“ gewesen, als er Kokain genommen habe, und damals habe er nicht vorgehabt, in die Politik zu gehen. Wenn er jetzt zurückblicke, „wünschte ich, es nicht getan zu haben“. Er glaube aber nicht, „dass Fehler in der Vergangenheit dich disqualifizieren“, fügte der 51-jährige Parlamentsabgeordnete der Torys hinzu. Die Entscheidung, ob er neuer Parteichef werde, liege bei seinen Kollegen im Parlament und den Mitgliedern der Konservativen Partei.

Sieben andere Kandidaten, darunter der amtierende Außenminister Jeremy Hunt und Ex-Brexitminister Dominic Raab, gaben zu, früher Cannabis geraucht zu haben. Der Minister für internationale Entwicklung, Rory Stewart, räumte ein, vor 15 Jahren bei einer Hochzeit im Iran Opium geraucht zu haben. Er bedauerte diesen „dummen Fehler“.

Theresa May
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May Ende Mai bei der Ankündigung ihres Rückzugs vor Journalisten und Journalistinnen

Riesige Aufgaben nach Mays Abgang

Auf Mays Nachfolger bzw. Nachfolgerin kommt eine schwierige Aufgabe zu. Er oder sie soll Partei und Parlament einen. May hatte es nicht geschafft, das Parlament auf einen gemeinsamen Brexit-Kurs einzuschwören. Sie war mit ihrem Brexit-Deal dreimal im Unterhaus durchgefallen. Einige der Bewerber wollen nun das gescheiterte Abkommen mit Brüssel nachverhandeln und im Zweifel auch ohne Deal austreten. Die Frist für den EU-Austritt wurde inzwischen zweimal verlängert. Sie endet nun am 31. Oktober.

Die Konservativen stehen seit der Europawahl Ende Mai stark unter Druck von rechts. Die neue Brexit-Partei von Nigel Farage hatte es mit knapp 32 Prozent der Stimmen aus dem Stand zur stärksten Kraft geschafft. Die Torys wurden abgestraft und kamen nur noch auf rund neun Prozent.