Misstrauensantrag gegen Innenminister Kickl im Nationalrat
APA/Roland Schlager
Nationalrat

Startschuss für freies Spiel der Kräfte

Nach dem Sturz der ÖVP-FPÖ-Regierung und der Angelobung des von Kanzlerin Brigitte Bierlein angeführten Expertenkabinetts stehen am Mittwoch und Donnerstag zwei mit Spannung erwartete Plenarsitzungen im Nationalrat auf dem Programm. Dabei gilt das freie Spiel der Kräfte – und dieses wollen die Abgeordneten offenbar auch intensiv nutzen.

Einen ersten Vorgeschmack gab es am Dienstag im Verfassungsausschuss, in dem mit einer SPÖ-FPÖ-Mehrheit der von der ÖVP als zu spät kritisierte 29. September als Neuwahltermin so gut wie fixiert wurde. Eine Mehrheit zeichnet sich auch für das allgemeine Rauchverbot in der Gastronomie ab. SPÖ, NEOS und JETZT einigten sich auf einen gemeinsamen Antrag, wie am Mittwoch vor Beginn der Nationalratssitzung bekanntwurde.

Zudem werde man einen Fristsetzungsantrag einbringen, damit die Gesetzesmaßnahme noch im Juli beschlossen werden kann, hieß es nach dem Treffen der Gesundheitssprecher der drei Parteien. Sie hoffen, dass sich die ÖVP dem Antrag anschließen wird.

Das an sich bereits 2015 von SPÖ und ÖVP beschlossene Rauchverbot wurde Ende 2018 als Koalitionsbedingung der FPÖ wieder gekippt. Mit dem Sturz von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dessen Regierung steht hier nun eine neuerliche Kehrtwende im Raum. Die ÖVP hat jedenfalls bereits ihre Zustimmung signalisiert, will zuvor aber ein mögliches dahingehendes Urteil des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) abwarten.

Wasserschutz, Papamonat und Plastiksackerlverbot

Ebenfalls per Initiativantrag will Ex-Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) das Verbot von Plastiksackerln ab 1. Jänner 2020 noch umsetzen. Es könnte nach der Behandlung im Umweltausschuss im Juli im Plenum beschlossen werden. Auch einer der insgesamt fünf vom stellvertretenden SPÖ-Klubvorsitzenden Jörg Leichtfried angekündigten Anträge befasst sich mit dem Thema Plastiksackerlverbot.

Dazu kommt die Forderung nach einem gesetzlichen Anspruch auf einen Papamonat für alle Arbeitnehmer, zudem sollen freiwillige Helfer und Helferinnen von Feuerwehren, Rotem Kreuz und anderen Hilfsorganisationen im Katastropheneinsatz eine Entgeltfortzahlung bis zu fünf Tage lang aus dem Katastrophenfonds bekommen, und per Verfassungsgesetz soll dem Bund, den Ländern und den Gemeinden untersagt werden, öffentliches Trinkwasser zu privatisieren.

NEOS nimmt zudem die Causa um den ehemaligen Generalsekretär im Justizministerium, Christian Pilnacek, zum Anlass, um am ersten Plenartag die Einsetzung eines unabhängigen Bundesstaatsanwalts zu beantragen. JETZT-Klubobmann Bruno Rossmann kündigte zudem Anträge zur Unterhaltsgarantie und zur Valorisierung des Pflegegeldes an. Von JETZT kommt auch der Antrag, der darauf abzielt, die Ministeranklage zu einem parlamentarischen Minderheitsrecht zu machen. Im Verfassungsausschuss wurde der Antrag von einer ÖVP-FPÖ-Mehrheit abgelehnt. Bei der am Mittwoch anstehenden Abstimmung im Plenum ist damit die notwendige Zweidrittelmehrheit wohl außer Reichweite.

Thema Parteienfinanzierung landet in Unterausschuss

Auf der Tagesordnung des Verfassungsausschusses waren indes auch einige Anträge zur Neuregelung der Parteienfinanzierung. Nach Angaben der Parlamentskorrespondenz werden die Reformvorschläge nun in einem Unterausschuss vorberaten werden. Diskutiert werde über Reformen „schon länger“, das Thema habe durch das „Ibiza-Video“ zuletzt aber „zusätzlich Brisanz“ erhalten, wie das Parlament per Aussendung dazu weiter mitteilte.

Weiter gemeinsame Sache machen die einstigen Koalitionspartner indes beim Thema Bildung. Konkret wollen ÖVP und FPÖ nun mittels Initiativantrags die Mittel für die Nachmittagsbetreuung der sechs- bis 14-jährigen Schüler für die nächsten Jahre auf parlamentarischem Weg sicherstellen. ÖVP-Bildungssprecher Rudolf Taschner und Wendelin Mölzer (FPÖ) teilten dazu bereits am Montag mit, dass man weiter „zu den wichtigen gemeinsamen Projekten“ stehe.

Bierlein: Wollen für „Verlässlichkeit“ stehen

Im Fokus der Nationalratssitzung stand gleich zu Beginn der erste Auftritt des Kabinetts Bierlein. Die Kanzlerin und Vizekanzler Clemens Jabloner gaben eine Erklärung ab. Bierlein sagte, ihr Kabinett wolle für Verlässlichkeit stehen. Als Prinzipien nannte sie „größtmögliche Sparsamkeit und Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern“.

Vizekanzler und Justizminister Jabloner sprach von einer „ungewöhnlichen und heiklen Zeit“, die man durchlaufe. In eine Staatskrise sei man dennoch nicht geschlittert, so Jabloner. In der anschließenden Debatte wollen auch Innenminister Wolfgang Peschorn, Außenminister Alexander Schallenberg und Finanzminister Eduard Müller das Wort ergreifen.

Am Mittwoch kommt schließlich auch der am Vortag vom Verfassungsausschuss beschlossene Neuwahlantrag im Nationalrat zur Abstimmung. Am Donnerstag soll schließlich der FPÖ-Abgeordnete Markus Tschank „ausgeliefert“ werden, gegen den die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts der verdeckten Parteienfinanzierung ermitteln will. Zuvor werden die drei neuen Volksanwälte Bernhard Achitz (SPÖ), Werner Amon (ÖVP) und Walter Rosenkranz (FPÖ) gewählt.