Daria Nosik, Sabrina Reiter, Margarita Breitkreiz
Thimfilm/Ioan Gavriel
„Kaviar“

Wenn der Rubel rollt

Für ein paar Millionen Rubel Investitionsspielgeld muss schon eine Gegenleistung her: Elena Tikhonovas rasante Politkomödie „Kaviar“ macht sich über russische und österreichische Schlitzohren gleichermaßen lustig. Ihr Regiedebüt ist ein Buddymovie über drei Frauen, die mitten in einem Korruptionsskandal zu besten Freundinnen werden.

Wenn die Summe stimmt, ist alles käuflich. So ist Igor (Mikhail Evlanov) das gewöhnt. Er ist ein klischeegemäß schmieriger russischer Oligarch, reist im Sportwagen an, und wenn er etwas will, hat seine Dolmetscherin und Mädchen-für-alles Nadja (Margarita Breitkreiz) das für ihn zu organisieren – es könnte sonst Tote geben. Alles auf der Welt ist eine Frage des Preises – warum soll das in Wien anders sein als in Moskau?

„Kaviar“ ist der erste Spielfilm der russisch-österreichischen Regisseurin Elena Tikhonova, einer studierten Dokumentarfilmerin, die seit fast 20 Jahren in Wien lebt. Tikhonova hat mit einem Österreicher eine Familie gegründet und kennt die kulturellen Unterschiede in- und auswendig. Vor allem aber kenne sie die russische Community in Wien, sagt sie im ORF.at-Interview, und bekomme da die wildesten Geschichten erzählt: „Im Ausland trifft man auf einmal Leute, denen man in seiner Heimat nie begegnet wäre, von der Interpol-Agentin bis zur Übersetzerin – und genau das ist auch der Ausgangspunkt für ‚Kaviar‘.“

Daria Nosik, Sabrina Reiter, Margarita Breitkreiz
Thimfilm/Ioan Gavriel
Gegen die drei kommt keiner an: Vera (Daria Nosik), Teresa (Sabrina Reiter), Nadja (Margarita Breitkreiz).

Putzfrau, Dolmetscherin, Katalogschönheit

Für Nadja, die Übersetzerin im Film, ist Igor ein lukrativer, aber anstrengender Arbeitgeber. Sie ist Russin, Alleinerzieherin zweier Kinder, und schlägt sich mit viel Multitaskingtalent durchs Leben. Zum Glück hat sie in Teresa (Sabrina Reiter) eine Babysitterin und Putzfrau gefunden, die zwar blaue Haare hat und gelegentlich weiche Drogen oder irgendwelche Kunstprojekte mitbringt, aber sonst zuverlässig ist.

Manchmal leistet Nadja Liebeskummer-Erste-Hilfe für ihre beste Freundin Vera (Daria Nosik), wenn die wieder einmal befürchtet, dass ihr schlitzohriger Ehemann Klaus (Georg Friedrich) fremdgeht. Dabei hat Klaus seine Vera einst so sorgfältig im Internet ausgesucht, jetzt fadisiert sie sich halt als überkandidelte Wiener Hausfrau in Leopardenprint. Nadja hingegen hätte gern wieder einmal Sex, aber für Intimsphäre ist in ihrem Leben einfach kein Platz. So weit, so normal.

Eine Villa wie in Florenz

Weniger normal allerdings sind die Ansprüche, die Igor neuerdings stellt: Er will eine Villa in der Wiener Innenstadt, mitten auf der Schwedenbrücke über dem Donaukanal, „so wie in Florenz, auf dem Ponte Vecchio!“ Dafür ist Igor bereit, einiges an Schmiergeld springen zu lassen. Klaus und sein Anwalt Dr. Ferdinand Braunrichter (Simon Schwarz) sollen ihm den Kontakt zu einem Wiener Stadtpolitiker herstellen, man trifft sich bei der Jagd, dann wird das schon.

Georg Friedrich
Thimfilm/Ioan Gavriel
Mehr Gier als Hirn: Geschäftsmann Klaus (Georg Friedrich) hält sich für wesentlich schlauer, als das für ihn gesund ist

Womit die Herren aber nicht gerechnet haben: Die Dolmetscherin, die dekorative Hausfrau sowie die Babysitterin und Putzfrau haben einen ganz eigenen Plan für das viele schöne Schmiergeld. „Kaviar“ ist nämlich nicht nur eine genussvoll hinterfotzige Politsatire, sondern im Grunde seines Herzens ein Buddymovie um drei völlig gegensätzliche Frauen, die in ihrer Not zu besten Freundinnen werden.

Witzig wahr

Dass ihr erster Spielfilm eine Komödie ist, sei bewusste Strategie, sagt Tikhonova: „In Österreich gibt es im Kino eine sehr große Dramenkultur. Ich habe mir gedacht, man sollte da etwas quer dazu machen, damit man mit dem Debüt gleich Eindruck macht.“ Nicht jeder Schmäh im Film ist ein Volltreffer, doch der Mix aus warmherziger Freundschaft, Kulturenclash, kurzen animierten Sequenzen, böser treffsicherer Politsatire und schambefreitem Humor ist hocherfreulich und selten anzutreffen.

Produziert wurde „Kaviar“ von demselben Team, das auch hinter der ähnlich unverschämten Komödie „Anna Fucking Molnar“ steckte, nämlich Ursula Wolschlager, Alexander Glehr und Robert Buchschwenter, der hier auch Koautor ist. Internationale Erfolge kann der Film schon vorzeigen: Bei der Weltpremiere im Jänner beim Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken bekam „Kaviar“ den Publikumspreis. Beim Filmfestival in Moskau waren manche Zuschauer so angetan, dass sie nach der ersten Vorstellung gleich in die zweite auch gingen. Und am vergangenen Wochenende feierte Tikhonova beim Filmfestival Sydney ihre Australien-Premiere unter Beifall der dortigen Kritik.

„Eine Satire, die die politische Lage zwischen Österreich und Russland porträtiert“, schreibt da ein Kritiker. Ähnlichkeiten mit einer gewissen Affäre, die die österreichische Innenpolitik in den letzten Wochen in Atem gehalten hat, sind übrigens wirklich rein zufällig. Dazu Tikhonova: „Ich habe mir immer gedacht, ich würde in einer verdammten Komödie leben, aber offenbar lebt ganz Österreich in einer Satirecomedy.“