Demonstranten in Hongkong zwischen Tränengasschwaden
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Hongkong

Tränengas gegen Demonstranten

Bei den Protesten gegen das umstrittene Auslieferungsgesetz in Hongkong ist es am Mittwoch erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Demonstrantinnen und der Polizei gekommen. Polizisten setzten Tränengas, Pfefferspray, Gummigeschoße und Schlagstöcke gegen Menschen ein, die versuchten, zum Parlamentsgebäude der chinesischen Sonderverwaltungszone zu gelangen.

Die Demonstranten hatten den Behörden bis zum Nachmittag (Ortszeit) Zeit gegeben, das geplante Gesetz, das Auslieferungen auch an das chinesische Festland ermöglichen soll, zurückzuziehen. Am Mittwoch wurde zunächst aber nur die zweite parlamentarische Lesung des Gesetzesentwurfs im Hongkonger Legislativrat verschoben. Zehntausende Menschen hatten am Morgen wichtige Verkehrsadern und das Regierungsviertel in Hongkong blockiert, das Parlament umstellt und Barrikaden errichtet.

Später versuchten Demonstranten, die sich mit Helmen und Regenschirmen schützten, näher an die Polizeiabsperrungen am Legislativrat heranzukommen. Sie bewarfen die Polizisten mit Wurfgeschoßen, rissen Absperrgitter um und schafften es laut BBC, in das Regierungsgebäude einzudringen. Die Polizei, die ein Großaufgebot an Sicherheitskräften mobilisiert hatte, konnte die Demonstranten wieder aus dem Gebäude drängen und verbarrikadierte sich darin laut BBC. Es herrsche „Chaos“.

Polizisten in Hongkong hinter Absperrungen vor Demonstranten in Tränengasschwaden
APA/AFP/Anthony Wallace
Die Polizei setzte Tränengas gegen die Demonstranten ein

Später konnte die Polizei die Demonstranten aus dem Gelände um das Regierungsgebäude mit einem laut Berichten massiven Einsatz von Tränengas zurückdrängen. Die Demonstranten zogen sich laut Berichten auch aufgrund des Regens etwas zurück, unter anderem in eine U-Bahn-Station und ein Einkaufszentrum. Es soll laut offiziellen Angaben mindestens 20 Verletzte geben. Eine unbekannte Zahl von Menschen wurde verhaftet.

Hartes Vorgehen angekündigt

Viele hatten sich für Mittwoch extra freigenommen, um an den Protesten teilnehmen zu können. Einige Firmen gaben ihren Mitarbeitern auch gezielt für die Demonstrationen frei, berichtete die BBC. Einige Banken im Finanzbezirk, in dessen Nähe die Proteste stattfinden, stellten unterdessen ihre Geschäfte ein. Die Polizei erklärte die Proteste zu einem Aufstand, worauf laut lokalen Medien bis zu zehn Jahre Gefängnis drohen.

Massenproteste in Hongkong gehen weiter

Im Streit über das geplante Auslieferungsgesetz haben am Mittwoch erneut Zehntausende Menschen auf den Straßen Hongkongs demonstriert. (Videoquelle: APTN/EBU)

Die Polizei hatte zuvor ein hartes Vorgehen angekündigt und die meist schwarz gekleideten Demonstranten aufgerufen, ihrerseits die Gewalt einzustellen und abzuziehen. Auch Wasserwerfer waren am Mittwoch im Einsatz. Gegen das geplante Gesetz hatten am Sonntag in Hongkong bereits Hunderttausende Menschen demonstriert. Die Organisatoren sprachen von mehr als einer Million Teilnehmern.

Es war die größte Demonstration seit der Übergabe der ehemaligen britischen Kronkolonie an China im Jahr 1997. Die Ausschreitungen und die Straßenblockaden am Mittwoch erinnerten an die „Regenschirmbewegung“ für mehr Demokratie vor fünf Jahren, die ihren Namen von den Regenschirmen gegen die Sonne und das Pfefferspray der Polizei erhalten hatte.

Regierung hält an Vorhaben fest

Hongkongs pekingnahe Regierungschefin Carrie Lam kündigte an, an dem Gesetzesvorhaben festzuhalten. Sie sagte allerdings Ergänzungen zum Schutz von Menschenrechten zu. Die Abstimmung soll nach bisheriger Planung am Donnerstag kommender Woche erfolgen. Verwaltungschef Matthew Cheung verlangte am Mittwoch ein Ende der Straßenblockaden. Er forderte die Demonstranten in einer Videobotschaft auf, „so viel Zurückhaltung wie möglich zu zeigen“, die Demonstration „friedlich“ aufzulösen und sich „nicht über das Gesetz hinwegzusetzen“.

Die Regierungschefin nannte die Proteste am Mittwoch „eindeutig organisiert“. „Es ist nichts, was man tut, wenn man Hongkong liebt“, sagte Lam in einem Video auf Facebook. Die Aktivisten verurteilten ihrerseits den gewaltsamen Polizeieinsatz. „Die Hongkonger haben keineswegs randaliert“, hieß es. „Der Protest heute fand allein deswegen statt, weil Carrie Lam den Willen von 1,03 Millionen Hongkongern ignoriert und es ablehnt, das Auslieferungsgesetz zurückzuziehen.“

Demonstranten in Hongkong mir Regenschirmen
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Mit Regenschirmen versuchen die Demonstranten sich vor Regen und Tränengas zu schützen

Bisher hatte Hongkong davon Abstand genommen, weil das chinesische Justizsystem wenig transparent und die Verhängung der Todesstrafe weit verbreitet ist. In dem asiatischen Finanzzentrum geht die Sorge um, dass die geplante Gesetzesänderung den Sonderstatus Hongkongs gefährden könnte und Investoren abschreckt. Hongkongs Regierung beteuert zwar, dass China-Kritiker nicht ausgeliefert werden sollen. Viele Menschen in Hongkong trauen diesen Zusagen aber nicht. Laut Experten könnten auch Ausländer von Auslieferungen nach China betroffen sein.

Großbritannien fordert „Pause“

Im Ausland waren die geplanten Gesetzesänderungen ebenfalls auf Kritik gestoßen. Am Mittwoch forderte der britische Außenminister Jeremy Hunt die Regierung in Hongkong auf, eine „Pause“ einzulegen und „über diese kontroversiellen Maßnahmen nachzudenken“. Es sei wesentlich, dass die Behörden Schritte unternähmen, die Rechte und Freiheiten in Hongkong zu erhalten. Die ehemalige britische Kronkolonie Hongkong müsse ihr hohes Ausmaß an Autonomie beibehalten, so Hunt weiter.

Gewalt bei Protesten in Hongkong

Bei den anhaltenden Protesten in Hongkong kam es am Mittwoch zu ersten Ausschreitungen. Die Demonstranten wollten ins Parlament eindringen, die Polizei reagierte mit Tränengas.

Bei der Rückgabe durch Großbritannien hatte Peking Hongkong unter der Formel „Ein Land, zwei Systeme“ für 50 Jahre weitreichende innere Autonomie zugesagt. In Hongkong gelten daher Grundrechte, die den Bürgerinnen und Bürgern der Volksrepublik vorenthalten werden, etwa Meinungs- und Pressefreiheit. Die Opposition wirft Peking jedoch vor, sich zunehmend in Hongkongs Angelegenheiten einzumischen und damit die Autonomievereinbarungen auszuhöhlen.

Auch Ausländer könnten betroffen sein

Chinas Außenministerium warnte unterdessen vor einer Einmischung in Hongkongs innere Angelegenheiten. Ein Sprecher dementierte zudem Berichte, wonach Sicherheitskräfte aus China nach Hongkong geschickt worden seien. China unterstütze das Gesetz aber entschieden.

Regierungschefin Lam sagt, das Gesetz sei notwendig, um „Schlupflöcher“ zu schließen. Es würde Überstellungen mutmaßlicher Straftäter an China und andere Länder ermöglichen, mit denen Hongkong bisher kein Auslieferungsabkommen hat. Es wurde auf einen Fall verwiesen, bei dem ein Mann seine schwangere Freundin in Taiwan umgebracht hatte, aber nicht von Hongkong ausgeliefert werden konnte. Taiwan hat aber bereits angekündigt, keine Auslieferungen beantragen zu wollen, weil es das Gesetz ebenfalls für bedenklich hält.