Deutsche Schauspieler Jens Harzer
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„Geheimes Vermächtnis“

Ovationen für Iffland-Ring-Träger Harzer

Der deutsche Schauspieler Jens Harzer ist neuer Träger des prestigeträchtigen Iffland-Rings. Die Auszeichnung, die dem „Würdigsten“ unter den Schauspielern im deutschsprachigen Raum gilt, wurde ihm am Sonntag von Kulturminister Alexander Schallenberg im Burgtheater in Wien überreicht.

Der 47-jährige Harzer ist Ensemblemitglied des Hamburger Thalia Theaters und auf vielen Bühnen in Deutschland und Österreich aufgetreten. Der im Februar verstorbene Schweizer Schauspieler Bruno Ganz hatte den Ring testamentarisch Harzer zugesprochen. Der Ring gilt als Kronjuwel des deutschsprachigen Theaters und wird auf Lebenszeit getragen.

Harzer hielt am Sonntag keine Dankesrede mit eigenen Worten, sondern las stattdessen die Erzählung „Unverhofftes Wiedersehen“ von Johann Peter Hebel aus dem Jahr 1811. Darin stirbt ein Bergmann kurz vor der Hochzeit, seine unter Tage konservierte Leiche wird Jahrzehnte später geborgen und die Beerdigung von der immer noch trauernden Verlobten als Hochzeit inszeniert. Danach bedankte sich Harzer bei den Festrednern Peter Handke und Johan Simons, wurde minutenlang vom Publikum gefeiert – und verließ die Bühne.

Ring als Zeichen der Anerkennung

Die Intendantin des Burgtheaters, Karin Bergmann, bezeichnete die Auszeichnung als ein „geheimes Vermächtnis“, das unbeeinflusst von Feuilletons und öffentlicher Meinung zugedacht werde. Der Ring sei keine Goldmedaille, sondern ein Zeichen der „Anerkennung eines großen Künstlers an einen anderen großen Künstler“.

Deutsche Schauspieler Jens Harzer und Schriftsteller Peter Handke
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Handke (r.) hielt im Burgtheater die Festrede

Der Schriftsteller Handke erinnerte in seiner Festrede an das Geheimnis der Schauspielkunst. „Es ist nicht Menschenkenntnis, sondern es ist Menschenerkenntnis im Moment des Spiels.“ Simons, Intendant des Schauspielhauses Bochum, würdigte als Laudator die Präsenz Harzers auf der Bühne, den es zu beobachten lohne, auch wenn er scheinbar nur ruhig in der Ecke sitze.

Bereits mit dem Tod konfrontiert

In einem Interview mit der „New York Times“ sagte Harzer kürzlich: „Das Schöne an dem Ring ist, dass er eine subjektive Wahl ist. Das macht ihn fast sympathisch.“ In der Frage, ob die Auszeichnung künftig auch an eine Schauspielerin gehen sollte, positionierte sich Harzer eindeutig. Natürlich sollte eine Frau ihn bekommen können, meinte er. „Ich würde provokativ sagen, es ist unwichtig, ob der Name auf meinem Papier ein Mann oder eine Frau ist.“ In dem Interview betonte er auch die dunkle Seite des Rings. Die Auszeichnung mit der Pflicht zum künstlerischen Testament bedeute, sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen. Darin habe er Erfahrung. Vor zwei Jahren sei bei ihm eine lebensbedrohliche Erkrankung festgestellt worden. Aufgrund der Diagnose habe er seine Bühnenarbeit unterbrechen und sich diversen Operationen unterziehen müssen. „Mein Vorteil ist, dass ich in den letzten Jahren mit dem Tod konfrontiert war.“

Bereits als 24-Jähriger stand Harzer 1996 gemeinsam mit seinem Idol Ganz in der Botho-Strauß-Inszenierung „Ithaka“ auf der Bühne – Ganz spielte Odysseus, Harzer seinen Sohn Telemach. Ganz nannte Harzer in Interviews schon vor 15 Jahren einen „fantastischen Schauspieler“ – „ein junger, aber schon ganz großer“. Bei der Trauerfeier für Ganz verlas der 47-Jährige einen berührenden Brief des Dramatikers Strauß, der selbst nicht anwesend war.

Kultur- und Außenminister Alexander Schallenberg
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Schallenberg überreichte den Ring in seiner Funktion als Kulturminister

Als Tod im Salzburger „Jedermann“

Erste Schauspielerfahrungen sammelte Harzer unter anderem in der Theater-AG des Gymnasiums am Mosbacher Berg im deutschen Wiesbaden. Dort stand er als Josef K. in dem Stück „Der Prozess“ nach einem Roman von Franz Kafka und als Leonce in „Leonce und Lena“ von Georg Büchner auf der Bühne.

Harzer war nach seinem Studium an der Otto-Falckenberg-Schule in München Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele und des Bayerischen Staatsschauspiels. In Österreich war er wiederholt bei den Salzburger Festspielen zu sehen, zuletzt 2018 in „Penthesilea“. Von 2001 bis 2004 spielte er den Tod im Salzburger „Jedermann“. Ebenfalls bei den Salzburger Festspielen spielte er in Andrea Breths Inszenierung von „Verbrechen und Strafe“ die Hauptrolle und war in der Handke-Uraufführung „Immer noch Sturm“ zu sehen.

Jens Harzer (links) als Tod und Peter Simonischek (rechts) als Jedermann in Salzburg während einer Probe 2002
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Harzer war von 2001 bis 2004 als Tod im Salzburger „Jedermann“ zu sehen

Seit 2009 ist der Schauspieler festes Mitglied des Ensembles am Thalia Theater in Hamburg und ist auch dem Fernsehpublikum unter anderem durch seine Auftritte in „Tatort“-Folgen und zuletzt der Serie „Babylon Berlin“ bekannt. Im Kino war Harzer, der Mitglied der Akademie der Künste Berlin ist, mehrfach zu sehen – etwa in „Requiem“ von Hans-Christian Schmid, „Der Lebensversicherer“ von Bülent Akinci und in Wim Wenders Verfilmung von Handkes „Die schönen Tage von Aranjuez“. Harzer ist Träger zahlreicher Auszeichnungen und wurde zweimal von der Zeitschrift „Theater heute“ zum Schauspieler des Jahres gewählt.

23 Jahre lang in den Händen von Ganz

23 Jahre ist es her, dass der im Februar verstorbene Ganz den legendären Iffland-Ring als bester deutschsprachiger Schauspieler entgegennahm – gerührt und mit weichen Knien, sagte der damals 55-Jährige im Mai 1996 während der Festmatinee im Wiener Burgtheater.

Der schweizer Schauspieler Bruno Ganz zeigt den Iffland-Ring an seiner Hand
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Ganz wollte der Iffland-Ring nicht ganz passen

Der drei Monate zuvor verstorbene österreichische Volksschauspieler Josef Meinrad hatte Ganz in seinem Vermächtnis als neuen Träger des Preises bestimmt. Der Iffland-Ring – ein diamantenbesetzter Eisenring mit einem Porträt Ifflands – soll auf den Berliner Schauspieler und Theaterdirektor August Wilhelm Iffland (1759–1814) zurückgehen. Den Ring erhält der „jeweils bedeutendste und würdigste Bühnenkünstler des deutschsprachigen Theaters“ auf Lebenszeit. Zu den so Geehrten gehörten zuvor Albert Bassermann (1867–1952) und Werner Krauß (1884–1959).

Wer ihn bekommt, muss sich innerhalb von drei Monaten für eine Nachfolge entscheiden und den Namen in einem versiegelten Kuvert im Kulturministerium in Wien deponieren. Meinrad, Ringträger seit 1959, hatte seine letzte Verfügung 1984 geändert: „Mein Wunsch ist es, dass nach meinem Tode Bruno Ganz den Iffland-Ring erhält“, hieß es in dem Brief ohne nähere Begründung. Ganz soll seinen fast gleichaltrigen Bühnenkollegen Gert Voss als Nachfolger bestimmt haben, der schon bei Meinrads Tod als Kandidat gehandelt worden war. Voss starb aber 2014, Ganz änderte daraufhin sein Vermächtnis.