Protestteilnehmer in Hongkong
Reuters/Athit Perawongmetha
Trotz Etappensiegs

Proteste in Hongkong reißen nicht ab

Die Hongkonger Regierung hat sich den Massenprotesten gegen ein Auslieferungsgesetz gebeugt und die Beratungen darüber auf Eis gelegt. Den Demonstrantinnen und Demonstranten geht das nicht weit genug. Sie gehen weiter mit der pekingtreuen Regierung auf Konfrontationskurs.

Die Erklärung von Hongkongs Regierungschefin Carie Lam am Samstag war ein Sieg für die Protestbewegung. Nach den Massendemonstrationen trat Lam vor die Presse und kündigte an, die Beratungen über das Auslieferungsgesetz vorerst auszusetzen.

Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass es in der Öffentlichkeit immer noch Bedenken und Zweifel an der Gesetzesvorlage gebe. Außerdem müsse in der Stadt wieder Ruhe herrschen. Das bedeute aber nicht, dass das Gesetz gänzlich zu den Akten gelegt sei, unterstrich Lam.

Großdemonstration in  Hong Kong
AP/Kin Cheung
Erneut Großkundgebungen am Wochenende

Das Auslieferungsgesetz würde Hongkongs Behörden erlauben, von China verdächtigte und gesuchte Personen an die Volksrepublik auszuliefern. Kritiker warnen, Chinas Justiz sei nicht unabhängig und diene als Werkzeug der politischen Verfolgung. Auch drohten Folter und Misshandlungen.

„Nicht lockerlassen“

Am vergangenen Wochenende hatten nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen Hunderttausenden und einer Million Hongkonger gegen das Vorhaben demonstriert. Die Demonstration war nach Einschätzung von Beobachtern die größte in Hongkong seit dem Protest gegen die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung in Peking vor drei Jahrzehnten am 4. Juni 1989. Danach kam es am Mittwoch zu schweren Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten, die offiziell als „Aufruhr“ eingestuft wurden. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas, Schlagstöcke, Wasserwerfer und Pfefferspray ein, um Tausende Demonstranten zu vertreiben.

Hongkong: Auslieferungsgesetz wird ausgesetzt

Bis zu eine Million Menschen sind in den vergangenen Tagen gegen das Gesetz auf die Straße gegangen. Jetzt setzt die Regierungschefin das Gesetz aus.

Doch trotz des Einlenkens von Lams Regierung wollen die Menschen am Sonntag weiter demonstrieren. „Wir müssen der Regierung sagen, dass die Menschen in Hongkong nicht lockerlassen und wir mit unserem Protest nicht aufhören werden, bis das Gesetz zurückgezogen wird“, sagte Jimmy Sham von der Civil Human Rights Front (CHRF), der größten Protestgruppe, vor Journalisten. Lam habe sich auch nicht für die Polizeigewalt bei den vorangegangenen Protesten entschuldigt.

Demonstration bewilligt

Die CHRF hatte die Großdemonstration für Sonntag offiziell beantragt. Die Polizei genehmigte die Protestaktion nach mehrstündigen Verhandlungen mit den Organisatoren. Durch die Proteste und Ausschreitungen hatte das nicht frei gewählte Parlament der chinesischen Sonderverwaltungszone seine Beratungen über das Gesetz diese Woche schon verschieben müssen. Eigentlich sollte die Mehrheit das Gesetz am kommenden Donnerstag annehmen.

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam
Reuters/Athit Perawongmetha
Lam gab den Protesten nach – das Gesetz will sie aber nicht ganz abschreiben

Großbritannien hatte im Jahr 1997 Hongkong an die Volksrepublik China zurückgegeben. Nach dem Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ wurden der Sonderwirtschaftszone Hongkong ein hohes Maß an Autonomie sowie Freiheiten garantiert, die es sonst in China nicht gibt.

Peking will sich offiziell nicht einmischen

Erleichtert hatte man in London auch am Samstag auf die Ankündigung reagiert, die Wogen glätten zu wollen. Großbritanniens Außenminister Jeremy Hunt beglückwünschte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter die Regierung in Hongkong dafür, dass sie auf die Besorgnis der „tapferen Bürger, die für ihre Rechte eintreten“, eingehe.

Das chinesische Außenministerium erklärte, die Belange in Hongkong seien eine interne Angelegenheit. Kein Land, keine Organisation und keine Einzelperson habe das Recht, sich einzumischen. Ein Sprecher des Ministeriums sagte, die Rechte und Freiheiten der Bevölkerung von Hongkong würden garantiert.

Die Unruhen in Hongkong erinnern an die „Regenschirm-Bewegung“ vor fünf Jahren. Damals hatten Demonstranten mit ihrem Ruf nach mehr Demokratie in Hongkong über Wochen Teile der asiatischen Wirtschafts- und Finanzmetropole lahmgelegt. Das Auslieferungsgesetz sahen nun viele als „Werkzeug zur Einschüchterung“ an.