Zerstörte wohnstraße nach Luftangriff in Sanaa
Reuters/Mohamed Al-Sayaghi
Über eine Mrd. Euro

Deutsche Rüstungsdeals mit Jemen-Allianz

Aus Deutschland sollten eigentlich keine Rüstungsgüter in Staaten exportiert werden, die am Konflikt im Jemen beteiligt sind. Das ist aber offensichtlich nur graue Theorie. Zahlen zeigen laut einer Anfrage aus dem Bundestag in Berlin: Der Handel floriert.

Deutsche Medien wiesen darauf hin, dass Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vor mehr als einem Jahr festgelegt hatten, dass Rüstungsexporte in die betreffenden Länder – darunter Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), der Sudan und andere – eingeschränkt würden. Doch das geschehe „nur auf dem Papier“, hieß es am Sonntag. Neue Zahlen „sprechen eine andere Sprache“.

Die deutsche Bundesregierung habe seit Jahresbeginn Lieferungen von militärischem Material für mehr als eine Milliarde Euro an die von Saudi-Arabien geführte Allianz im Jemen-Krieg, die unter anderem auch von den USA und Großbritannien logistisch unterstützt wird, genehmigt.

Lieferungen auch an Saudi-Arabien

Trotz der Exportbeschränkungen im Koalitionsvertrag wurden zwischen 1. Jänner und 5. Juni allein 13 Exporte für 801,8 Mio. Euro nach Ägypten und 43 Exporte für 206,1 Millionen Euro an die VAE genehmigt, wie aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hervorgeht. Diese lag nach eigenen Angaben am Wochenende der dpa vor. Ägypten, hieß es in früheren Berichten, habe ein Kriegsschiff in Deutschland gekauft und wolle weitere bestellen.

Zerstörtes Haus nach Luftangriff
APA/AFP/Mohammed Huwais
Zerstörtes Gebäude in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa

Die deutsche Regierung erlaubte laut dem Papier sogar zwei Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien, obwohl für das Land seit November eigentlich ein kompletter Exportstopp gilt. Dabei handle es sich um die Lieferung von „sondergeschützten Geländewagen“ für 831.003 Euro, wie der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Ulrich Nußbaum, mitteilte.

Humanitäre Krise im Jemen

Insgesamt wurden für die Länder der Allianz 122 Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter im Wert von über einer Milliarde Euro erteilt. Saudi-Arabien hatte die Koalition überwiegend arabischer Länder 2015 geformt, um die jemenitische Regierung in ihrem Kampf gegen die vom Iran geförderten schiitischen Huthi-Rebellen zu unterstützen. Der Krieg hat eine enorme humanitäre Krise ausgelöst.

Menschen sammeln Wasserkanister in Taez
APA/AFP/Ahmad Al-Basha
Anstellen um Trinkwasser in der Stadt Tais im Südwesten des Jemen

Die SPD hatte vor diesem Hintergrund in den Koalitionsverhandlungen Anfang vergangenen Jahres auf einen Exportstopp für Rüstungsgüter für die an dem Krieg beteiligten Länder gepocht. Die Union willigte nur in eine deutlich abgeschwächte Formulierung ein: Rüstungslieferungen in „unmittelbar“ beteiligte Länder wurden untersagt, bereits genehmigte Geschäfte wurden davon ausgenommen. Im November 2018 folgte ein kompletter Exportstopp für Saudi-Arabien, der nach dem Mord an dem saudischen Regierungskritiker Jamal Khashoggi verhängt wurde.

Er wurde im März lediglich für Zulieferungen für Gemeinschaftsprojekte mit Bündnispartnern leicht gelockert. Wenige Tage später wurde auf dieser Grundlage der Export von „Technologie für Satteltiefladerfertigung“ eines Unternehmens aus Ulm nach Frankreich genehmigt. Der Export der „sondergeschützten Geländewagen“, der jetzt in dem Schreiben von Wirtschaftsstaatssekretär Nußbaum auftaucht, war dagegen bisher nicht bekannt.

Über Rüstung spricht man nicht

Heikel sind auch die zahlreichen Exportgenehmigungen in die VAE. Die erdölreichen Golfemirate führen die Allianz zusammen mit Saudi-Arabien an und haben Soldaten im Jemen stationiert. Bis Anfang Juni hat die Bundesregierung mit einem Volumen von 206 Millionen Euro trotzdem schon fast genauso umfangreiche Exportgenehmigungen für die VAE erteilt wie im gesamten Jahr 2017 – bevor die Jemen-Klausel in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde. Damals waren es 214 Millionen Euro.

Am vergangenen Mittwoch war mit dem Kronprinzen von Abu Dhabi, Scheich Mohammed bin Said Al Nahjan, faktischer Herrscher der VAE und einer der mächtigsten Männer der Golfregion, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Besuch. Die beiden vereinbarten in einer Erklärung mit 46 Punkten den Ausbau der strategischen Partnerschaft zwischen beiden Ländern. Das Streitthema Rüstungsexporte kam darin aber nicht vor.

Neben Ägypten, den VAE und Saudi-Arabien wurden in vier weitere Staaten der Jemen-Kriegsallianz Rüstungsexporte genehmigt: für Kuwait, Jordanien, Bahrain und den Sudan, wenn auch Letztere über ein Minimalvolumen von wenigen tausend Euro. Nur für Senegal wurden keine Exportgenehmigungen erteilt.