This Thursday, May 9, 2019, photo provided Friday, May 10, 2019, by the North Korean government shows a test of military weapon systems in North Korea. North Korea fired two suspected short-range missiles toward the sea on Thursday, South Korean officials said, its second weapons launch in five days and a possible warning that nuclear disarmament talks with Washington could be in danger. Independent journalists were not given access to cover the event depicted in this image distributed by the North Korean government. The content of this image is as provided and cannot be independently verified. Korean language watermark on image as provided by source reads: „KCNA“ which is the abbreviation for Korean Central News Agency. (Korean Central News Agency/Korea News Service via AP)
AP/Korea News Service
Friedensforscher

Keine Anzeichen für nukleare Abrüstung

Obwohl die Zahl der Nuklearwaffen im Vergleich zum Vorjahr um vier Prozent zurückgegangen ist, sehen Friedensforscher keinen Grund zu Optimismus. Denn die Atommächte der Welt investieren wieder mehr in ihre nuklearen Waffenarsenale – vor allem in deren Modernisierung. Eine atomwaffenfreie Welt ist weiter nicht in Sicht, warnen Experten.

„Offen gesagt ist das ein negativer Trend“, sagte der Atomwaffenexperte Shannon Kile vom Stockholmer International Peace Research Institute (SIPRI) gegenüber der dpa. Der Rückgang bei den Atomwaffen habe sich in den vergangenen Jahren entscheidend verlangsamt und sei lediglich darauf zurückzuführen, dass die USA und Russland alte Waffen ausrangierten, die überflüssig geworden seien und nicht mehr benötigt würden.

Insgesamt gab es im Jänner 2019 schätzungsweise 13.865 Atomwaffen auf der Welt, wie aus dem am Montag veröffentlichten SIPRI-Jahresbericht 2019 hervorgeht. Ein Jahr zuvor waren es etwa 14.465 gewesen. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges Mitte der 1980er Jahre gab es etwa 70.000 Atomsprengköpfe auf dem Planeten.

Über 90 Prozent im Besitz von Russland und USA

Über 90 Prozent von ihnen befinden sich heute laut SIPRI im Besitz der USA und Russlands. Die beiden Länder verfügen den Schätzungen zufolge über 6.185 beziehungsweise 6.500 Atomsprengköpfe. Aber auch die weiteren drei UNO-Vetomächte Großbritannien (200), Frankreich (300) und China (290) sowie Israel (80–90) und die in einen Konflikt miteinander verstrickten Staaten Indien (130–140) und Pakistan (150–160) verfügen über solche Waffen. Indien, Pakistan und China hätten ihre Arsenale in den vergangenen Jahren schrittweise ausgebaut, so Kile.

Die Zahl der Atomwaffen im Besitz von Nordkorea schätzen die Friedensforscherinnen und Friedensforscher auf 20 bis 30 – nach zehn bis 20 ein Jahr zuvor. Doch lediglich Atomsprengköpfe der USA, Russlands, Großbritanniens und Frankreichs gelten als sofort einsatzbereit.

Umfassende Modernisierungsstrategien

Die Regierungen aller Atommächte seien zudem dabei, ihre nuklearen Arsenale zu modernisieren, sagte Kile. „Was wir sehen, ist, dass Atomwaffen bei nationalen Sicherheits- und Militärstrategien wieder wichtiger werden.“ Unter der Regierung von Präsident Donald Trump betrieben die USA eine umfassende Modernisierungsstrategie. „Das umfasst sowohl die Waffen als solche als auch Bomber, U-Boote, Marschflugkörper und die Produktionskapazitäten“, sagte der Experte. Einen ähnlichen Trend könne man in Russland beobachten. Eine atomwaffenfreie Welt sei somit weiter nicht in Sicht, sagte Kile.

Deutschlands Außenminister Heiko Maas und Irans Präsident Hassan Rouhani
APA/AFP/Iranian Presidency
Die Krise bei der nuklearen Abrüstung stelle eine Gefahr für den Weltfrieden dar, warnte der deutsche Außenminister Heko Maas bei seinem Besuch beim iranischen Präsidenten Hassan Rouhani

„Gefahr für den Weltfrieden“

Erst vor knapp einer Woche hatte der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) gewarnt, die Krise bei den Bemühungen um nukleare Abrüstung und Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen stelle eine Gefahr für den Weltfrieden dar.

Nach einem Treffen mit Ministern 15 anderer Länder ohne Atomwaffen in Stockholm kritisierte er, dass das Thema Abrüstung derzeit überhaupt nicht auf der politischen Agenda stehe. Dort gehöre es aber ohne Frage hin. Der Meinungsaustausch soll Anfang 2020 in Berlin in die nächste Runde gehen, nachdem die Stockholmer Konferenz in ihrer Abschlusserklärung klargemacht hatte: „Unser gemeinsames Ziel ist eine Welt ohne Atomwaffen.“ Ein potenzielles atomares Wettrüsten, das niemandem nütze, müsse unbedingt verhindert werden.

Politische Verhandlungen „in Sackgasse“

Wie wichtig die Atomdiplomatie ist, zeigt sich derzeit gleich an mehreren Schauplätzen – etwa in Teheran. Erst vergangene Woche sagte der iranische Präsident Hassan Rouhani, dass sich der Iran ungeachtet der Sanktionen der USA zwar vorerst weiter im Grundsatz an das Atomabkommen halten wolle, aber „positive Signale“ erwarte – andernfalls werde sich Teheran weiter von einigen der Verpflichtungen verabschieden.

Wiener Atomabkommen

Der Iran hatte das Wiener Atomabkommen im Jahr 2015 mit den fünf UNO-Vetomächten – USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien – sowie Deutschland geschlossen. Es soll den Iran am Bau einer Atombombe hindern. Im Gegenzug sollten gegen den Iran verhängte Strafmaßnahmen zurückgenommen werden.

Zugleich kritisierte der iranische Präsident einmal mehr den Ausstieg der USA aus dem Abkommen. Die USA stiegen im Mai 2018 einseitig aus dem Abkommen aus und setzen den Iran mit Wirtschaftssanktionen stark unter Druck, um das Abkommen neu zu verhandeln.

Auch die US-Diplomatie im Atomstreit mit Nordkorea stockt. Zwischen Russland und den USA steht zudem die Frage der Verlängerung des im Februar 2021 auslaufenden New-START-Vertrags über die allmähliche Reduzierung atomarer Angriffswaffen an. Anfang Juni drohte Russlands Präsident Wladimir Putin, den Waffenkontrollvertrag auslaufen zu lassen: „Wenn niemandem danach ist, das Abkommen zu verlängern, nun, dann werden wir es nicht tun.“

Warnung vor neuem Wettrüsten

Angesichts der politischen und militärischen Differenzen warnten auch deutsche Friedens- und Konfliktforscher vor einem neuen Wettrüsten mit Atomwaffen. Die nukleare Weltordnung sei in akuter Gefahr und mit ihr die Stabilität des internationalen Systems, hieß es in dem Anfang Juni in Berlin veröffentlichen Friedensgutachten 2019.

„Die nach dem Kalten Krieg vereinbarte Abrüstung zwischen den nuklearen Supermächten ist blockiert, und ein neues Wettrüsten zeichnet sich ab; bestehende Rüstungskontrollverträge werden gekündigt oder laufen in Kürze aus; regionale Nuklearkrisen drohen zu eskalieren“, hieß es in dem Papier weiter. Das Risiko einer nuklearen Katastrophe steige wieder.

Auch SIPRI-Experte Kile sprach von „trüben Aussichten“ für zukünftige Verhandlungen. Diese befänden sich derzeit in einer „Sackgasse“. Die Friedensforscher bezogen ihre Daten für die 50. Ausgabe ihres Jahresberichts wieder aus öffentlichen Quellen, unter anderem von Regierungen. Doch nicht alle Staaten legten Daten zu ihren Arsenalen transparent auf den Tisch.