Polizeiwagen vor Walter Lüvckes Haus
Reuters/Ralph Orlowski
Deutschland

Mann nach Schüssen auf Politiker in Haft

Zwei Wochen nach dem gewaltsamen Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) in Deutschland ist am Sonntag ein dringend Tatverdächtiger gefasst worden. Die Spuren könnten Medienberichten zufolge ins rechtsextreme Milieu führen.

Die deutsche „Bild“-Zeitung meldete am Sonntag unter Berufung auf Ermittelnde, dass der festgenommene 45-Jährige der rechtsextremen Szene angehören könnte. Auch nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ stammt der Mann, der unter Mordverdacht in Kassel in Untersuchungshaft sitzt, aus dem rechtsextremistischen Milieu.

Den Berichten zufolge soll der Verdächtige zumindest früher Kontakte ins rechtsextremistische Milieu unterhalten haben. Unklar sei jedoch, ob er auch heute noch in der Szene aktiv ist. Ein Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft wollte sich auf Anfrage zu diesen Berichten nicht äußern.

Festnahme am Samstag

Die Ermittler fanden laut „Bild“ DNA-Spuren an der Kleidung des erschossenen Regierungspräsidenten. Es habe zu der Spur einen Treffer in der DNA-Analyse-Datei gegeben, die beim Bundeskriminalamt liegt. Der 45-Jährige sei polizeibekannt und habe bereits eine schwere Straftat begangen. Damals sei ihm eine DNA-Probe entnommen und in der Datenbank gespeichert worden. Er wurde Samstag in der Früh durch Spezialeinheiten der Polizei in Kassel festgenommen, wie die Staatsanwaltschaft und die Sonderkommission der Polizei am Sonntag mitteilten.

Kassel

Kassel ist als einer von drei Regierungsbezirken in Hessen eine kommunale Gebietskörperschaft mit einem eigenen Regierungspräsidenten.

Der Tatverdächtige wurde am Sonntagnachmittag dem Ermittlungsrichter am Amtsgericht Kassel vorgeführt. Aufgrund der Indizienlage wurde Untersuchungshaftbefehl gegen ihn erlassen, erklärten die Ermittlungsbehörden. Weitere Informationen zur Festnahme des Mannes und zum Stand der Ermittlungen wollen Polizei und Staatsanwaltschaft kommenden Woche bekanntgegeben.

Auf der Terrasse erschossen

Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni tot auf der Terrasse seines Wohnhauses im nordhessischen Wolfhagen-Istha gefunden worden. Laut Obduktion wurde der 65-Jährige mit einer Kurzwaffe aus nächster Nähe erschossen und starb an der Schussverletzung am Kopf.

Im Zuge der Ermittlungen war vor gut einer Woche ein Mann an einer Urlauberfähre in Ostfriesland vorübergehend festgenommen worden. Seine Befragung ergab aber keine Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung. Er wurde daraufhin freigelassen. Die Ermittler stellten klar, dass es sich bei dem am Samstag gefassten Tatverdächtigen nicht um den im Bereich des Fähranlegers in Harlesiel in Gewahrsam genommenen Mann handele.

Porträt von Walter Luebcke bei seiner Beisetzung
Reuters/Ralph Orlowski
Der deutsche CDU-Politiker starb an einem Schuss in den Kopf und wurde Anfang des Monats beigesetzt

Pietätlose rechte Reaktionen nach Tod

Vergangenen Donnerstag hatte es in Kassel in der Martinskirche eine Trauerfeier mit über 1.300 Teilnehmer und Teilnehmerinnen für den CDU-Politiker gegeben, bei der Polizei und Bundeswehr eine Ehrenwache hielten.

Nach seinem Tod hatten hasserfüllte und hämische Reaktionen aus der rechten Szene im Internet für Empörung gesorgt. Der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier sagte, wie sich manche in sozialen Netzwerken geradezu hermachten über Lübckes Tod, sei „zynisch, geschmacklos, abscheulich, in jeder Hinsicht widerwärtig“.

Morddrohungen nach Auftritt

Als Regierungspräsident war Lübcke im Jahr 2015 auch für die Einrichtung von Erstaufnahmelagern für Flüchtlinge in seinem Regierungsbezirk zuständig. Auf Anfeindungen bei einer Bürgerversammlung, die zum Teil aus dem PEGIDA-Umfeld stammten, sagte er einmal, es lohne sich, in Deutschland zu leben und für die hiesigen Werte einzutreten.

„Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen – das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“ Danach soll er laut Medienberichten Morddrohungen erhalten haben – unter anderem von „Reichsbürgern“. Spekulationen, dass die Tat mit diesen im Zusammenhang stehen, wies die Staatsanwaltschaft aber zurück, schrieb die „Zeit“.