Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein
APA/Georg Hochmuth
Pläne der Kanzlerin

Bierlein will nur eine Personalfrage klären

Kanzlerin Brigitte Bierlein will wichtige Personalentscheidungen der nächsten Regierung überlassen – mit einer Ausnahme: die Besetzung des österreichischen EU-Kommissars bzw. der EU-Kommissarin. Da sie auf die Zustimmung der Parteien angewiesen ist, will sie „eine mehrheitsfähige Persönlichkeit finden“. Die Person müsse jedenfalls fachlich kompetent und in Europafragen firm sein. Zur Vorgängerregierung geht Bierlein eher auf Distanz.

Inhaltlich nicht festlegen wollte sich Bierlein bei einem Gespräch mit Journalisten in der Frage des Kommissionspräsidenten oder der Kommissionspräsidentin. Sie verwies auf die Beratungen im Hauptausschuss des Nationalrats am Mittwoch. Wer österreichischer EU-Kommissar werden soll, werde erst im Anschluss an das Personalpaket an der Spitze der EU geklärt. Beim Personalpaket an der EU-Spitze – Kommission, Rat, Parlament und auswärtiger Dienst – will die Kanzlerin für Geschlechterparität eintreten.

Der EU-Kommissar ist aus jetziger Sicht allerdings der einzige Spitzenposten, den Bierleins Regierung vor der Wahl besetzen möchte. Andere Führungsfunktionen will man der nächsten Regierung überlassen: „Wir haben uns geeinigt, dass wir etwa ab Stufe Sektionschef nach Möglichkeit nicht mehr nachbesetzen.“ Auch Bierleins Nachfolge an der Spitze des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) wird ihre Regierung nicht selbst regeln – selbst für den Fall, dass eine Ausschreibung rechtlich nötig sein sollte.

Bisher wenig Kontakt mit Kurz?

Ihr Vorgänger Sebastian Kurz (ÖVP) hatte zuletzt gemeint, er gehe davon aus, dass Bierlein seinen deutschen Parteifreund Manfred Weber bei der Wahl zum Kommissionspräsidenten unterstützen werde. Bierlein wollte dazu im Vorfeld des EU-Gipfels am Donnerstag nichts sagen: „Wovon mein Vorgänger ausgeht, will ich nicht kommentieren.“

Wie Bierlein am Dienstag sagte, hat sie den ÖVP-Chef seit ihrer Angelobung weder getroffen noch mit ihm telefoniert. „Ich wollte nicht, dass wir die türkis-blaue Regierung einfach nur fortführen“, betonte Bierlein vor Journalisten. Allerdings soll es demnächst ein Treffen von Bierlein und Kurz geben. Die beiden hätten am Dienstag telefoniert und ein Treffen vereinbart, sagte ihr Sprecher. Die Kanzlerin sei um ein konstruktives Verhältnis zu ihrem Vorgänger bemüht.

In den Abendstunden ließ Bierlein noch über ihre Sprecher ein „mediales Missverständnis“ klarstellen: Sie stehe zum „ÖVP-Parteiobmann wie auch zu allen anderen Parteichefs im guten, vertrauensvollen Einvernehmen“. Es gebe seit der „professionellen Übergabe der Regierungsgeschäfte“ einen „guten laufenden telefonischen Kontakt“ und sie freue sich auf die „weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit“.

Keine tagespolitischen Kommentare

Auch dass sie Peter Launsky-Tieffenthal als Regierungssprecher durch Alexander Winterstein ersetzt hat, begründet Bierlein mit dem Bemühen um Distanz zur Vorgängerregierung. Sie schätze Launsky-Tieffenthal sehr, aber: „Er war das Gesicht der türkis-blauen Regierung, und das wollte ich vermeiden.“ Apropos: Winterstein soll künftig auch die Medienbriefings nach dem Ministerrat leiten. Sie selbst will nur „bei Bedarf“ auftreten und tagespolitische Umstände nicht kommentieren, denn: „Wir sind keine Politikerinnen und Politiker.“

„Schmales Budget“

Für den Rest der Legislaturperiode verspricht Bierlein einen sparsamen Haushalt. „Wir haben uns vorgenommen, ein schmales Budget zu fahren.“ Interessenkonflikte könnte es schon bald mit Verteidigungsminister Thomas Starlinger geben: Der machte in seinem Antrittsinterview für mehrere Medien am Dienstag klar, dass das Bundesheer budgetär am Ende sei. „Die Vorratskammer ist leer. Im Herbst zeichnet sich eine Dramatik ab.“ Es sind laut Starlinger drei Mrd. Euro zusätzlich erforderlich. Er kündigte die Erstellung eines Zustandsberichtes bis Mitte September an.

Bierlein von aktivem Parlament „überrascht“

Sollte das Parlament vor der Wahl noch weitreichende, das Budget belastende Beschlüsse fassen, will Bierlein das innerhalb der Regierung besprechen und allenfalls in Absprache mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen reagieren. Von der Vielzahl der für Juli im Nationalrat angekündigten Beschlüsse – unter anderem die Anhebung des Pflegegeldes und der Mindestpensionen, das Rauchverbot in der Gastronomie und der „Papamonat“ – zeigte sich Bierlein „überrascht“.

Inhaltlich wollte sie die Vorschläge aber nicht bewerten, und für grundsätzlich problematisch hält sie die Vorgangsweise des Parlaments auch nicht, wie sie auf Nachfrage sagte: „Es steht dem Parlament ja zu.“ Sie hätte nur nicht erwartet, dass schon in der ersten Sitzung unter der neuen Regierung so viele Anträge eingebracht würden.

Ein „Machtwort“ der Regierung gegen budgetbelastende Beschlüsse des Parlaments soll es laut Bierlein zwar nicht geben, aber: „Wenn es zu viel würde, dann werden wir uns im Ministerrat allenfalls in Absprache mit dem Bundespräsidenten einheitlich etwas überlegen. Aber momentan sehe ich das noch nicht.“

Kein eigenes, neues Budget

Ein reguläres Budget im Herbst will die Beamtenregierung unter Bierlein nicht vorlegen: „Das derzeitige Budget wird fortgeschrieben.“ Die den einzelnen Ressorts zugedachten „Kuchenstücke“ sollen provisorisch verteilt werden, und sie habe auch um einen „Kassensturz“ gebeten, „damit die neue Regierung auf irgendetwas aufbauen kann“.

Den impliziten Vorwurf der SPÖ-Pensionisten, mit ihrer politischen Zurückhaltung das Sparschwein der nächsten Regierung füllen zu wollen, wies Bierlein zurück: Es gehe nicht darum, der nächsten Regierung Kosten zu sparen, sondern den Steuerzahlern Kosten zu sparen. Außerdem wolle man keine Gesetze auf den Weg bringen, die allenfalls von der nächsten Regierung nicht weiterverfolgt würden.

Kein optimales Bild der Justiz

Eine der ersten Amtshandlungen der neuen Regierung war die Abschaffung der unter ÖVP-FPÖ eingeführten Generalsekretäre. Bierlein begründete das damit, dass diese Neuerung in den Ministerien „nicht wirklich gut angekommen“ sei. Die nächste Regierung könne sie ja wieder einsetzen.

„Nicht optimal“ ist aus Sicht der früheren VfGH-Präsidentin das Bild, das die Justiz derzeit abgibt – also die wechselseitigen Anzeigen zwischen der Korruptionsstaatsanwaltschaft und den Oberbehörden. „Das ist nicht gut für die Justiz“, so Bierlein. Aber dazu habe sich der neue Justizminister Clemens Jabloner ja schon geäußert. Jabloner hatte unter anderem festgelegt, dass jeder Eingriff in die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft künftig per ausdrücklicher Weisung zu erfolgen hat.