Eisbär in der sibirischen Stadt Norilsk
Reuters/Irina Yarinskaya
Russland

Eisbär verirrte sich in sibirische Großstadt

Ein offensichtlich sehr geschwächter Eisbär hat sich in Sibirien in die Großstadt Norilsk verirrt – mehrere hundert Kilometer von seinem Lebensraum entfernt. Seit Sonntag wankt das Tier durch die Straßen und Industrieviertel der Stadt. Experten glauben, dass sich das Tier auf der Suche nach Nahrung verirrt hat. Angesichts der Erderwärmung und des Schmelzens des Arktiseises dringen Eisbären zunehmend nach Süden vor.

Am Mittwoch trafen laut „Siberian Times“ zwei Experten vom Zoo der sibirischen Stadt Krasnojarsk ein. Sie wollen das Tier zunächst beobachten, um seinen Gesundheitszustand besser einschätzen zu können, und dann über die weitere Vorgangsweise entscheiden. Fix ist, dass das Tier betäubt werden soll. Danach soll der Bär entweder zurück an die Küste oder in den Zoo in Krasnojarsk gebracht werden.

Norilsk mit rund 175.000 Einwohnerinnen und Einwohner ist die am weitesten nördlich gelegene Großstadt der Welt. Durch Bergbau und Nickelproduktion ist die Stadt für ihre Umweltverschmutzung berüchtigt. Norilsk liegt rund 500 Kilometer von der Küste entfernt.

1.500 Kilometer gewandert?

Man nimmt allerdings an, dass der Eisbär die Taimyr-Halbinsel durchquert und rund 1.500 Kilometer zurückgelegt hat. Zuletzt hatte sich 1977 ein Eisbär in die Stadt verirrt. Dieser wurde erschossen, weil er eine Bedrohung für die Bevölkerung darstellte. Mittlerweile dürfen die Tiere in Russland nicht mehr getötet werden.

Eisbär in der sibirischen Stadt Norilsk
Reuters/Irina Yarinskaya
Der Bär im Industrieviertel der Stadt

Laut WWF ist der Lebensraum der Eisbären im vergangenen Jahr wieder geschrumpft. Im vergangenen Oktober erreichte das Packeis des zugefrorenen Polarmeeres seine drittgeringste Ausdehnung seit 1979. Somit verblieb den Eisbären auch heuer wenig Zeit, um auf dem Eis zu jagen und sich Fettreserven für den Sommer anzufressen. Zudem verlieren die Bären mit der Eisschmelze ihre bevorzugten Jagdplattformen: Die einfachste Möglichkeit für sie, Robben zu jagen, ist, diesen an Eislöchern beim Auftauchen aufzulauern. Im Wasser und auf dem Festland ist die Erfolgsquote bei der Jagd wesentlich geringer.

Immer mehr Begegnungen in Grönland

Als Folge davon wandern die Eisbären häufiger tiefer auf das Festland. Auf der Suche nach Fressen kamen Eisbären im vergangenen Jahr auch auf Grönland den Menschen immer häufiger nahe. Binnen weniger Monate habe es allein im ostgrönländischen Ort Ittoqqortoormiit mindestens 21 Zwischenfälle gegeben, berichtete die dänische Nachrichtenagentur Ritzau unter Berufung auf die Eisbärpatrouille des WWF. Verletzt worden sei niemand. Vor zehn Jahren waren in einem ganzen Jahr nur neunmal Eisbären im Ort gemeldet worden.

Eisbär in der sibirischen Stadt Norilsk
Reuters
Wandern Bären in von Menschen bewohnte Gebiete, sind Müllhalden bevorzugte Quellen für Nahrung

Eisbärenbelagerung auf Arktisinsel

Im Winter spielten sich dann auf der sibirischen Arktisinsel Nowaja Semlja im Nordpolarmeer – einige hundert Kilometer nordwestlich von Norilsk – spektakuläre Szenen ab. Wegen einer „Invasion aggressiver Eisbären“ riefen die Behörden den Notstand aus. Dutzende Bären drangen in Wohnhäuser und öffentliche Gebäude ein, insgesamt rund 50 Tiere wurden gesichtet. Auf der Suche nach Nahrung drangen die Tiere von Dezember an immer öfter nach Beluschja Guba, der Hauptsiedlung der Insel, vor und durchwühlten vor allem Mülltonnen. Erst Ende Februar zogen die Tiere wieder ab.

Seit dem Jahr 2008 befindet sich der Eisbär auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten. Neben dem Klimawandel stellen Jagd und Handel große Gefahren für die Population dar. In der Wildnis leben nach Angaben der Umweltorganisation WWF nur noch 22.000 Exemplare. Geht die Eisschmelze weiter wie bisher, rechnen Fachleute mit einem schnellen und starken Rückgang der Population.