Soldat auf Wrackteilen
Reuters/Maxim Zmeyev
MH17-Abschuss

Vier Anklagen wegen 298-fachen Mordes

Die niederländische Justiz wird wegen des Abschusses von Flug MH17 über der Ukraine vor fünf Jahren in vier Fällen Anklage erheben. Drei Russen und ein Ukrainer würden des Mordes in 298 Fällen beschuldigt, teilten die Ermittler am Mittwoch in Nieuwegein bei Utrecht mit. Der Strafprozess soll am 9. März 2020 in den Niederlanden beginnen.

Für die vier Hauptverdächtigen wurden internationale Haftbefehle ausgestellt – dass sie tatsächlich vor Gericht erscheinen, wird von den Ermittlern aber bezweifelt. Russland lehnt die Auslieferung eigener Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ab, der Prozess kann aber auch in Abwesenheit der Angeklagten stattfinden.

Die Russen Igor Girkin, Sergej Dubinski und Oleg Pulatow sowie der Ukrainer Leonid Chartschenko sollen verantwortlich dafür sein, dass die für den Abschuss verwendete Luftabwehrrakete aus Russland in die Ostukraine transportiert worden sei, sagten die Leiter der Ermittlungen. Zwei der Verdächtigen sollen sich den Ermittlungen zufolge in Russland aufhalten, ein weiterer Mann sei zuletzt in der Ostukraine gesichtet worden.

Girkin ist der niederländischen Staatsanwaltschaft zufolge ein ehemaliger Offizier des russischen Geheimdienstes FSB und war unter dem Namen Igor Strelkow oberster Militärbefehlshaber und selbst ernannter Verteidigungsminister der Rebellen in der Ostukraine. Bei den übrigen drei Verdächtigen handelt es sich laut den Angaben um einen ehemaligen Mitarbeiter des Militärgeheimdienstes GRU, einen ehemaligen Elitesoldaten und einen ukrainischen Separatisten.

Erleichterung bei Opferangehörigen

Sie sei „glücklich, dass der Prozess endlich beginnen wird und dass die Namen verkündet wurden“, sagte Opferangehörige Silene Fredriksz, deren Sohn und Schwiegertochter bei dem Flug ums Leben kamen. Sie machte den russischen Präsidenten Wladimir Putin persönlich für den Absturz, bei dem alle Insassen getötet worden waren, verantwortlich. „Weil er das möglich gemacht hat. Er hat die Situation geschaffen. Er ist der Hauptverantwortliche.“

Vertreterin der Hinterblieben bei einer Pressekonferenz
APA/AFP/Robin van Lonkhuijsen
Silene Fredriksz verlor vor fünf Jahren Sohn und Schwiegertochter

Die Boeing 777 der Malaysia Airlines mit der Flugnummer MH17 war am 17. Juli 2014 auf dem Weg vom Flughafen Schiphol nach Kuala Lumpur über der Ostukraine von einer Luftabwehrrakete des russischen Typs Buk abgeschossen worden. Alle 298 Insassen, darunter 196 Niederländer und Niederländerinnen und 80 Kinder, wurden getötet.

Ermittler hatten bereits 2016 festgestellt, dass das Boden-Luft-Raketensystem aus Russland in das von prorussischen Rebellen kontrollierte Gebiet transportiert und später nach Russland zurückgebracht worden war. Auch das Recherchenetzwerk Bellingcat war zu diesem Schluss gekommen.

Wrackteile von Flug MH17
Reuters/Maxim Zmeyev
Die Maschine wurde mit einer Luftabwehrrakete des Typs Buk abgeschossen

Moskau weist Verantwortung zurück

Moskau wies die Ermittlungsergebnisse stets als „politisch motiviert“ zurück. Russland sieht die Verantwortung bei der ukrainischen Armee. Auch die ukrainische Armee hatte Raketen russischer Bauart in ihren Beständen. Im Mai 2018 hatte das internationale Ermittlerteam unter niederländischer Leitung aber einen neuen Bericht vorgelegt und die eingesetzte Rakete erstmals eindeutig einer russischen Militärbrigade zugeordnet.

Der beschuldigte Girkin wies dagegen noch am Mittwoch eine Verwicklung der Rebellen in der Ostukraine in den Abschuss zurück. „Alles, was ich sagen kann, ist, dass die Boeing nicht von den Rebellen abgeschossen wurde“, sagte er der Nachrichtenagentur Interfax. Der Kreml kritisierte die Ermittlungen darüber hinaus als einseitig. „Russland hatte keine Möglichkeit, an den Ermittlungen zu dieser furchtbaren Katastrophe teilzunehmen, obwohl wir das von Anfang an angeboten hatten“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch.