Protest der Gelbwesten vor dem Triumphbogen in Paris
Reuters/Philippe Wojazer
Proteste abgeebbt

Macron pokert gegen „Gelbwesten“

Die „Gelbwesten“ haben die französische Regierung mit ihren Massenprotesten über Monate das Fürchten gelehrt. Präsident Emmanuel Macron musste – recht teure – Zugeständnisse machen. Nun, wo die Protestwelle so ziemlich abgeebbt und der Sommer da ist, wagt er sich wieder aus der Deckung. Es soll wieder gekürzt werden. Der Poker ist gewagt.

Macron und die Regierung unter Ministerpräsident Edouard Philippe hatten ihr Reformtempo wegen der Proteste, die immer wieder auch in Gewalt eskalierten, vorübergehend gebremst. Nun sei für den Juli eine Gesetzesnovelle geplant, die Kürzungen bei den Leistungen für Arbeitslose vorsieht – sowohl was die Höhe als auch den Anspruch selbst betrifft, heißt es.

Gleichzeitig wolle die Regierung in Paris Unternehmen, die vorwiegend befristete Arbeitskräfte anstellen, über eine Art Strafsteuer zur Kasse bitten. Diese mache sie für das Entstehen einer neuen „prekären“ Klasse verantwortlich, hieß es zuletzt in einer Analyse im „Wall Street Journal“.

Macron ergreife allem Anschein nach nun die Chance, nachdem die Proteste der „Gilets Jaunes“ – wie sie in der Landessprache heißen – samt Unterstützung für sie abgeflaut seien.

Ein „Fenster“ für Reformen

Anfangs hätten sie die Regierung noch „gelähmt“ und „in die Knie gezwungen“, sieben Monate danach sei der „Dampf“ nun weg. Damit habe sich für Macron ein „Fenster“ aufgetan, seinen Reformkurs fortzusetzen, schrieb die Wirtschaftszeitung. Philippe habe erklärt, der Status quo ermutige Unternehmen dazu, Arbeitskräfte nur kurzzeitig anstatt längerfristig einzustellen, außerdem biete es zu wenige „Anreize“ für Menschen ohne Job, sich einen solchen zu suchen.

Gelbwesten bei TV-Ansprache von Macron
Reuters/Jean-Paul Pelissier
„Gelbwesten“ verfolgen Rede Macrons (10. Dezember)

Die Zahl der „Gelbwesten“ auf den Straßen Frankreichs ist in letzter Zeit tatsächlich rapide gesunken. Nach Angaben des Innenministeriums in Paris lag die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am letzten Wochenende bei etwa 7.000 – und damit auf einem neuen Tiefststand. Eine Woche zuvor waren es knapp über 10.000 gewesen. In Paris waren knapp 1.000 Menschen auf der Straße, protestiert wurde auch in Bordeaux und Toulouse. Begonnen hatten die Massendemonstrationen der „Gelbwesten“ vor sieben Monaten. Am 17. November gingen fast 290.000 Menschen auf die Straße.

Massenproteste, Krawalle, Festnahmen

Wiederholt kam es dabei auch zu gewalttätigen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. Immer wieder wurden – durch vereinzelte Gruppen unter den Demonstranten – Autos angezündet, Schaufenster zertrümmert, Barrikaden errichtet und der Verkehr blockiert, es gab zahlreiche Verletzte und sogar Tote. Mehrfach wurden Hunderte Personen festgenommen, es waren jeweils Tausende Sicherheitskräfte im Einsatz. Die Proteste hatten sich anfangs gegen hohe Treibstoff- und Lebenserhaltungskosten gerichtet, später dann gegen die Reformpolitik Macrons an sich.

Protest der Gelbwesten
APA/AFP/Pascal Guyot
Tränengas gegen Demonstranten und regelmäßige Krawalle

Macrons „Bürgerdialog“

Der französische Präsident musste sich schließlich dem Druck der Straße beugen und stellte sich schließlich Anfang des Jahres einem „Bürgerdialog“, einem „grand debat national“. Frankreich sei nicht wie andere Länder, schrieb Macron in einem Brief. Die Französinnen und Franzosen seien sensibler, was soziale Ungerechtigkeiten betreffe.

Die Regierung versprach eine Senkung der Einkommensteuer, der staatliche Rechnungshof sollte Steuerschlupflöcher schließen. Pläne für eine Reform der Arbeitslosenunterstützung und des Pensionssystems wurden nur temporär auf Eis gelegt, um die Gemüter zu beruhigen. Nun sind sie wieder aktuell.

Die „Saat“ der Proteste

Die Änderungen sollten per Dekret erfolgen, schrieb das „Wall Street Journal“, und könnte sich als gefährlich erweisen, gibt dieses Vorgehen der Regierung doch die Möglichkeit, das Parlament zu umgehen. Macron bediene sich nicht zum ersten Mal dieser Taktik. Dasselbe habe er etwa getan, als Unternehmen die Kündigung von Mitarbeitern erleichtert worden sei. Das sei die Saat der Spannungen gewesen, „die in den ‚Gelbwesten‘-Protesten explodiert“ sei.