Boris Johnson und Jeremy Hunt
Reuters
London

Johnson und Hunt im Duell um Premiersamt

Außenminister Jeremy Hunt tritt gegen den Favoriten Boris Johnson im Rennen um das Amt des konservativen Parteichefs und britischen Premierministers an. Nun sind die 160.000 Tory-Parteimitglieder am Zug. Sie entscheiden per Urwahl, wer Theresa May nachfolgt und den Brexit vollziehen wird. Mit keinem der beiden Kandidaten werden die Gespräche mit der EU einfacher.

Hunt erhielt bei der fünften und letzten Abstimmungsrunde in der Fraktion am Donnerstag 77 Stimmen und setzte sich damit gegen Umweltminister Michael Gove durch, der 75 Stimmen bekam. Johnson gilt ohnehin bereits als gesetzt: Er bekam am Donnerstag mit 160 Stimmen erneut mehr als seine Konkurrenten. Er gilt auch als der Kandidat, der weit mehr Chancen hat als Hunt. Johnson ist überaus beliebt an der Parteibasis. Ihm wird zugetraut, Brexit-Wähler, die sich von den Konservativen abgewendet haben, wieder zurückzugewinnen.

Hunt und Johnson treten aber nun erst einmal in einer Stichwahl gegeneinander an, bei der die Parteimitglieder das letzte Wort haben. Bis Ende Juli soll feststehen, wer neuer Parteichef und damit Premierminister wird. Zuvor sollen sie sich bei etwa 15 regionalen Konferenzen den Tory-Mitgliedern vorstellen.

Johnson will Rechnung nicht zahlen

Johnson war einer der Wortführer für den Brexit vor der Volksabstimmung im Jahr 2016. Dieser soll nun, nach zwei Verschiebungen, bis spätestens 31. Oktober vollzogen werden. Bisher ist nicht absehbar, wie es einem neuen Parteivorsitzenden gelingen könnte, eine Lösung dafür zu finden. Johnson hat sich darauf festgelegt, den Brexit notfalls auch ohne Abkommen mit der EU zu vollziehen.

Großbritannien bereit für die Stichwahl

ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch berichtet aus London, welche Chancen die zwei Kandidaten bei der Stichwahl um die Nachfolge Mays haben.

Und er drohte der EU, die Austrittsrechnung Großbritanniens nicht zu begleichen, bis die EU besseren Austrittskonditionen zustimmt. „Unsere Freunde und Partner müssen verstehen, dass das Geld zurückgehalten wird, bis wir mehr Klarheit über das weitere Vorgehen haben“, sagte Johnson kürzlich in einem Interview. Um einen „guten Deal“ zu bekommen, sei „Geld ein großartiges Mittel“. Dem aktuellen Abkommen zufolge müsste Großbritannien eine Austrittsrechnung begleichen, die auf rund 45 Milliarden Euro geschätzt wird. Bei der Schlussrechnung handelt es sich unter anderem um langfristige Lasten wie Pensionszahlungen für EU-Beamte.

Neue Verschiebung wird ausgeschlossen

Hunt bezeichnete einen Ausstieg ohne Abkommen hingegen als „politischen Selbstmord“. Er zog in Erwägung, den EU-Austritt erneut zu vertagen. Das wiederum will die EU keinesfalls zulassen. Es gebe in den EU-Regierungen eine „enorme Gegnerschaft“ gegen eine erneute Verschiebung des Austrittsdatums Ende Oktober, sagte der irische Premier Leo Varadkar am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel. Vorstellbar sei das höchstens im Falle einer Neuwahl oder eines zweiten Brexit-Referendums in Großbritannien. „Was es nicht geben wird, ist eine Verschiebung für weitere Verhandlungen.“

Boris Johnson und Jeremy Hunt
AP/Matt Dunham, Frank Augstein
Einer der beiden wird Premier: Hunt (li.) oder Johnson

Finanzminister Philip Hammond warnte die verbliebenen Kandidaten eindringlich vor einem Brexit ohne Abkommen („No Deal“). Ein ungeregelter EU-Austritt würde die Wirtschaft schädigen, Milliarden Pfund Steuergelder kosten und könnte ein Auseinanderbrechen des Vereinigten Königreichs auslösen, sagte Hammond laut einem vorab verbreiteten Redetext am Donnerstag in London.

Das könnte auch dem Labour-Oppositionschef Jeremy Corbyn bei einer Wahl den Weg in die Downing Street ebnen, warnte der EU-freundliche Hammond. Die Kandidaten für Mays Nachfolge als Tory-Chef und damit auch als Premierminister müssten daher einen „Plan B“ vorlegen. Bis schließlich ein Nachfolger feststeht, bleibt May als Regierungschefin im Amt.