Klimaaktivisten stürmen auf die Kohlemine in Garzweiler
APA/AFP/Ina Fassbender
Protest gegen Klimakrise

Aktivisten stürmten Tagebau in Deutschland

Klimaaktivistinnen und -aktivisten der Protestbewegung „Ende Gelände“ haben am Samstag den RWE-Braunkohletagebau in Garzweiler in Deutschland besetzt. Nach Angaben der Organisation stürmten anschließend mindestens 1.000 Aktivistinnen und Aktivisten auf das Gelände. Daneben wurden auch noch weitere Werke in der Nähe sowie Zufahrten blockiert. Grund für die Besetzungen ist der Protest gegen die Klimakrise.

Neben dem Werk in Garzweiler wurde auch die Hambachbahn, eine Tagebauanschlussbahnstrecke im privaten Netz der RWE Power, besetzt. Das bestätigte ein Polizeisprecher. Auf der Strecke wird Kohle abtransportiert. Die Kohleversorgung für das Kraftwerk Neurath war unterbrochen, da Klimaschützer seit Freitagabend die entsprechenden Bahngleise besetzt hielten. Die Bahnstrecke zwischen Neurath und Niederaußem wurde Sonntagfrüh von etwa 800 Demonstrierenden blockiert.

Die Demonstrierenden wollten auch dort ihrer Forderung nach einem sofortigen Kohleausstieg in Deutschland Nachdruck verleihen. Mehr als 6.000 Aktivistinnen und Aktivisten waren nach Angaben der Bündnissprecherin Kathrin Henneberger am Samstag im Revier: „Wir haben an vielen Stellen blockiert. Damit haben wir ein deutliches Zeichen gesetzt: Für den Klimaschutz muss jetzt etwas passieren.“

Klimaaktivisten erreichen den Grund der Kohlemine Garzweiler
APA/AFP/Marcel Kusch
Die Polizei warnte die Menschen vor den gefährlichen Hängen im Revier

Sonntagmittag hieß es von der Polizei, dass das Gelände geräumt sei. Alle Demonstranten, die das Gelände am Samstag gestürmt hatten, seien mittlerweile herausgetragen worden oder freiwillig gegangen, so eine Sprecherin der Polizei Aachen. Eine Sprecherin der Organisation „Ende Gelände“ sagte dagegen, an schwer zugänglichen Stellen im Tagebaugelände hielten sich noch Demonstranten auf, ihre Zahl liege im „niedrigen zweistelligen Bereich“.

Berichte über Festnahmen und versuchte Befreiungen

Beim nahe gelegenen Tagebau Jackerath kam es am Samstag offenbar zu einer Besetzung und anschließenden Festnahmen durch die Polizei. Danach hätten Aktivistinnen und Aktivisten versucht, so die Polizei der Stadt Aachen, gefangengenommene Aktivisten wieder zu befreien. Via Twitter appellierte die Polizei deshalb an die Demonstranten, sich „friedlich und kooperativ“ zu verhalten und „Befreiungsversuche und Angriffe auf Beamte“ zu unterlassen. Genaue Zahlen über Ingewahrsamnahmen nannte die Polizei auch am Sonntag nicht. Das Aktionsbündnis „Ende Gelände“ twitterte in der Früh, dass „größere Mengen Aktivist*innen freigelassen“ würden.

Bündnis prangert Polizeigewalt an

Auf Videos ist zu sehen, wie Dutzende Aktivistinnen und Aktivisten in den Tagebau Garzweiler in der Nähe von Aachen hinein rennen und rutschen. Die meisten sind in weißen Overalls gekleidet. Auf Onlinevideos des Bündnisses „Ende Gelände“ ist zu sehen, wie die Demonstrierenden durch den Tagebau laufen. Die Polizei appellierte an die Frauen und Männer, stehenzubleiben. Es bestehe Lebensgefahr. Am Abend habe im Revier die Räumung des Geländes begonnen, so die Polizei Aachen. Sonntagfrüh war die Räumung kurz vor dem Abschluss.

Klimaaktivistinnen und -aktivisten stürmten Tagebau

Im Rheinischen Braunkohlerevier in der Nähe der Stadt Aachen wurden mehrere Werke und Bahnlinien besetzt. Auslöser ist der Protest gegen die Klimakrise.

Schon am Nachmittag verkündete das Bündnis „Ende Gelände“ auf Twitter, es werde die Polizeiketten „durchfließen“. Wenig später brachen an verschiedenen Stellen Menschen durch die Polizeiketten. Die Polizei benutzte Twittermeldungen zufolge Pfefferspray, um die Menschen zu stoppen. „Ende Gelände“ prangerte via Twitter anschließend „Polizeigewalt“ an. Die Behörden teilten am Samstagabend mit, „dass acht Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“ verletzt worden seien. Zu verletzte Aktivistinnen und Aktivisten gibt es derzeit Postings in den Sozialen Netzwerken, aber keine Zahlen.

Polizei warnt vor gefährlichen Abbaukanten

Der Chef der Polizeigewerkschaft (GdP) im Bundesland Nordrhein-Westfahlen, Michael Mertens, sprach von einem „unglaublichen Leichtsinn“ der Aktivisten. Die Abbaukanten im Tagebau seien auch deshalb so gefährlich, weil man oben oft gar nicht sehe, wenn darunter gar kein Grund mehr sei. „Da können Sie 40 Meter tief stürzen“, so Mertens zur dpa. RWE hatte nach Angaben eines Sprechers zunächst vier von sechs Produktionseinheiten inklusive Baggern aus Sicherheitsgründen gestoppt. „Das ist ein Eingriff in die öffentliche Versorgung“, sagte eine RWE-Sprecher der dpa. „Aber es ist nicht so, dass wir Kraftwerke gleich abstellen müssen.“

Klimaaktivisten im Kohlemine Garzweiler
APA/AFP/Ina Fassbender
Dutzende Aktivistinnen und Aktivisten harrten an den Abbaukanten aus. Die Polizei versuchte, sie in Schach zu halten.

RWE bezeichnete die Aktionen als Rechtsverstöße. „Das geht nicht“, sagte ein Sprecher. Die Aktivisten hätten sich schlimm verletzen können. „Davor haben wir eindringlich gewarnt.“ Die Demonstrationen seien außerdem unnötig, weil RWE dem Kohleausstieg nicht im Wege stehe. Vielmehr stehe man für den Kohleausstieg „Gewehr bei Fuß“.

Friedliche „Fridays for Future“-Demo

GdP-Chef Mertens lobte gleichzeitig die friedliche Demo von „Fridays for Future“, die ebenfalls rund um das Gelände – und erstmals an einem Samstag – stattfand. Dem Protestmarsch der Schülerbewegung hatten sich am Samstagvormittag auch Familien und ältere Menschen angeschlossen.

Sie machten sich am Tagebau entlang auf den Weg in das Dorf Keyenberg – eines der letzten Dörfer im Rheinischen Revier, die für einen Tagebau abgebaggert werden sollen. „Alle sind gegen Kohle, außer Peter, der gräbt noch einen Meter“ hieß es auf dem Plakat eines Teilnehmers, das den deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zeigte, wie die dpa berichtete.

Deutscher Kohleausstieg noch vor 2038?

Die CSU und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel denken indes offenbar an einen früheren Kohleausstieg als geplant. Auf Empfehlung der deutschen Kohlekommission war ursprünglich 2038 vorgesehen. „Sind wir ehrlich: Die deutschen Klimaziele sind bis 2030 nur zu erreichen, wenn wir den Kohleausstieg massiv beschleunigen“, sagte Bayerns Ministerpräsident, CSU-Chef Markus Söder, dem „Münchner Merkur“ am Samstag. „Am Ende müssten wir eigentlich im Jahr 2030 aussteigen.“

Merkel forderte am Samstag auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund, dass die Politik in der Klimapolitik schneller werden müsse. Zuvor hatte Merkel angedeutet, dass auch sie mittlerweile mit einem früheren Kohleausstieg als 2038 rechne. Die deutsche Bundesregierung will Ende September klären, wie sie die Klimaschutzziele bis 2030 erreichen kann, die einen drastischen Abbau der Treibhausgasemissionen vorsehen. Dazu soll der CO2-Ausstoß auch in Bereichen wie Verkehr, Landwirtschaft und Bau teurer werden. Das ließe sich über eine Ausweitung des Handelssystems mit Verschmutzungszertifikaten oder über eine CO2-Steuer erreichen.

Bereits entschieden hat die deutsche Regierung, dass Gaskraftwerke wieder stärker gefördert werden können. Diesen Weg will gerade Bayern auch nach dem geplanten Abschalten der letzten Atomkraftwerke gehen. Gaskraftwerke verursachen im direkten Betrieb zwar geringere Emissionen als Kohlekraftwerke, doch Erdgas besteht größtenteils aus Methan, das ein starkes Treibhausgas ist.