Demonstranten in Prag
AP/Petr David Josek
Größte Demo seit Wende

Massenprotest gegen Babis in Prag

Es ist die größte Demonstration in Prag seit 30 Jahren. Am Sonntag protestierten hunderttausend Menschen gegen die Regierung von Ministerpräsident Andrej Babis. Ihm wird Korruption vorgeworfen. Die Veranstalter sprachen von mindestens 250.000 Menschen, die sich auf der Letna-Ebene oberhalb der Moldau versammelten.

Die Mobilfunkdienste fielen wegen Überlastung aus. Der Anbieter T-Mobil schätzte die Zahl der Teilnehmenden basierend auf Daten seines Netzwerkes deshalb auf „über 258.000“. Eine U-Bahn-Station musste wegen des Andrangs gesperrt werden. Die Demonstrierenden forderten unabhängige Ermittlungen gegen Babis von der liberal-populistischen Partei ANO und seinen sofortigen Rücktritt. Hintergrund sind Berichte, dass der Großunternehmer und Multimilliardär als Politiker in einem Interessenkonflikt stehen und unrechtmäßig von EU-Subventionen profitiert haben soll.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hielten Schilder mit der Aufschrift „Demission“ hoch und riefen in Sprechchören: „Wir sind da!“ Organisiert hatte den Protest das Netzwerk „Eine Million Augenblicke für Demokratie“. Beobachterinnen und Beobachtern zufolge ist es die größte Massenkundgebung in Prag seit der Samtenen Revolution, der demokratischen Wende von 1989. Der 64 Jahre alte Babis weist alle Anschuldigungen zurück.

Erinnerung an Samtrevolution

Die Demonstrierenden kamen aus Prag und dem ganzen Land, in Zügen und Bussen, zu Fuß oder mit der Straßenbahn. Sie riefen in Sprechchören „Schande, Schande“. Viele trugen Buttons mit dem Symbol der Proteste, einer ablaufenden Sanduhr. Manche schwenkten Europafahnen. Die Atmosphäre war friedlich, ausgelassen, aber auch ernst. „Das ist ein unmoralischer Mensch“, sagte eine Frau einem dpa-Reporter über den Regierungschef. „Ich habe Angst um diese Republik“, sagte ein Mann aus Prag.

Demonstranten in Prag
AP/Petr David Josek
Mit mehr als 250.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist die Demonstration die größte seit 1989

Seit Ende April gibt es in Prag und in anderen Städten in Tschechien immer wieder Kundgebungen gegen Babis. Vor zweieinhalb Wochen beteiligten sich in der Hauptstadt nach Angaben der Veranstalter 120.000 Demonstrierende.

Der Versammlungsort auf der Letna-Ebene hat eine hohe Symbolkraft für die Tschechinnen und Tschechen. Denn an diesem Ort in unmittelbarer Nähe des Innenministeriums fanden im November 1989 einige der größten Demonstrationen der Samtenen Revolution statt. Die Proteste führten damals zum Sturz des sozialistischen Regimes in der Tschechoslowakei.

Babis nach außen unbeeindruckt

Die Vorwürfe gegen Babis wiegen schwer. Dem Multimilliardär droht wegen der EU-Korruptionsaffäre bereits eine Anklage. Interne Berichte der EU-Kommissionen sagen aus, dass Brüssel Fördergelder in zweistelliger Millionenhöhe zurückfordern könnte. Nach außen zeigt sich Babis, Gründer der ANO, von den Rufen der Straße unbeeindruckt.

Hunderttausende protestierten in Prag

In Massen strömten die Menschen auf die Letna-Ebene oberhalb der Moldau in Prag. Ihr Unmut richtet sich gegen Babis, dem Korruption vorgeworfen wird.

In Tschechien werde die Regierung nicht aufgrund von Demonstrationen ausgewechselt, sagt der 64-Jährige. Gesprächsangebote hat er bisher stets abgelehnt. Aus Regierungskreisen ist laut dpa nun aber zu hören, dass Babis stärker beunruhigt ist, als er es zugibt.

Am Mittwoch muss sich die Regierung im Parlament einer Misstrauensabstimmung stellen. Ein Erfolg der Opposition gilt aufgrund der Stimmverhältnisse aber als unwahrscheinlich. Die Opposition räumt das ein, spricht aber von einer „moralischen Geste“. Die Minderheitsregierung aus ANO und sozialdemokratischer CSSD kann sich auf die Kommunisten stützen. Die Partner der ANO bleiben bisher auf Linie, auch wenn an der Parteibasis die Zweifel größer werden.