Peter Goldgruber während des BVT-Untersuchungsausschusses
ORF.at/Lukas Krummholz
BVT-U-Ausschuss

Bericht kritisiert Goldgruber schwer

Verfahrensrichter Eduard Strauss übt in seinem Bericht für den BVT-Untersuchungsausschuss schwere Kritik an der Justiz und am früheren Generalsekretär im Innenministerium Peter Goldgruber. Strauss wirft der rechten Hand von Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) im Ministerium nicht nur eine deutliche Überschreitung seiner Befugnisse vor, sondern de facto auch eine falsche Aussage im Ausschuss.

Goldgruber hatte im Ausschuss zuerst dementiert, im Verfassungsschutz nachgefragt zu haben, wo verdeckte Ermittler gegen Rechtsextreme im Einsatz waren. Später verweigerte er bei dieser Frage die Aussage. Strauss geht aufgrund der vorliegenden Unterlagen aber davon aus, dass diese Frage tatsächlich gestellt wurde – und zwar in einer Besprechung am Nachmittag des 29. Jänner 2018. Einen Monat später fand die mittlerweile für rechtswidrig erklärte Razzia im Verfassungsschutz statt.

„Die sich zum Teil widersprechenden Aussagen von Goldgruber erscheinen im Hinblick auf dessen zahlreiche Erinnerungslücken und Aussageverweigerungen als nicht glaubwürdig“, schreibt Strauss in dem Berichtsentwurf, der der APA vorliegt und aus dem der „Standard“ zuerst zitierte. Und: „Die Tatsache, dass Goldgruber explizit danach fragte, in welchen Bereichen im Rechtsextremismusbereich verdeckte Ermittler eingesetzt waren, stellt eine nicht unerhebliche Überschreitung seiner Befugnisse dar.“

Peter Goldgruber während des BVT-Untersuchungsausschusses
ORF.at/Lukas Krummholz
Der nun ehemalige Generalsekretär des Innenministeriums Peter Goldgruber vor dem BVT-U-Ausschuss

Durchsuchung in Büro der Referatsleiterin gibt Rätsel auf

Dass die FPÖ erfahren wollte, ob und wo verdeckte Ermittler gegen parteinahe Burschenschaften eingesetzt werden, war von den anderen Parteien als ein möglicher Hintergrund für die Razzia vermutet worden. Warum bei dieser Hausdurchsuchung am 28. Februar 2018 ausgerechnet das Büro der Extremismusreferatsleiterin Sibylle G. genau durchsucht wurde, konnte vom Ausschuss nicht nachvollzogen werden, wie Strauss schreibt.

Verfahrensrichter Eduard Strauss
ORF.at/Roland Winkler
Verfahrensrichter Eduard Strauss im BVT-U-Ausschuss

Dass die Polizisten bei der Razzia keinen Zugriff auf sensible Daten gehabt hätten, wie das Kickl und die Chefin der Korruptionsstaatsanwaltschaft, Ilse Vrabl-Sanda, behaupteten, weist Strauss zurück: „Die Aussagen von Kickl und Vrabl-Sanda sind sohin aufgrund der festgestellten Ergebnisse zumindest infrage zu stellen.“ Nicht belegt ist für Strauss aber der Verdacht, die Beamten hätten Daten mitgenommen. Gleiches gilt für den Vorwurf, die Polizeieinheit EGS wäre wegen ihrer FPÖ-Nähe für die Razzia ausgewählt worden.

Auch WKStA in der Kritik

Hart ins Gericht geht der Bericht mit der Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die die Razzia im BVT gemeinsam mit Kickls Ministerbüro vorangetrieben hatte. Strauss vermisst seitens der ermittelnden Staatsanwälte „Objektivität und Folgenabschätzung“: „Mit etwas weniger Tempo hätte der enorme Schaden, der durch das für einen Nachrichtendienst an sich abträgliche Medieninteresse am allgemeinen Vertrauen in das BVT entstanden ist, unter Umständen abgewendet werden können.“

Das „erhebliche Interesse“ des Ministerbüros an der Bereitstellung von Zeugen gegen das BVT ist für Strauss zwar dokumentiert – durch die Vorbesprechungen mit drei der vier Belastungszeugen. Dass diese unter Druck gesetzt wurden, glaubt Strauss aber nicht. „Auffällig“ war aus seiner Sicht freilich, dass Goldgruber die Suspendierung von BVT-Chef Peter Gridling trotz interner Bedenken durchdrückte. Die Suspendierung wurde später per Gerichtsbeschluss wieder aufgehoben.

Verdacht des politischen Netzwerks „bestärkt“

Kritik übt Strauss am früheren Chef der Nachrichtendienstabteilung, Bernhard P. – einem Vertrauensmann der ÖVP. Er hatte sich beim ehemaligen Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl, als Cartellbruder vorgestellt und angeboten, „authentische Informationen abseits der formellen Kanäle“ zu liefern. „Das Angebot eines BVT-Mitarbeiters – noch dazu in einem der sensibelsten Bereiche des BVT – Informationen außerhalb des Dienstwegs zu liefern, kann nicht kritisch genug gesehen werden“, so Strauss in dem Berichtsentwurf. Er sieht den Verdacht der Existenz eines politischen Netzwerkes im Innenministerium damit „bestärkt“. P. selbst arbeitet nicht mehr im BVT.

FPÖ sieht „Kickl-Bashing“, ÖVP kontert

Die FPÖ weist die Kritik, die Verfahrensrichter Strauss in seinem Bericht übt, als „undifferenziertes Kickl-Bashing“ zurück. Die Schlussfolgerungen des Verfahrensrichters seien „nicht nachvollziehbar“, so der freiheitliche Fraktionsführer im U-Ausschuss, Hans-Jörg Jenewein, in einer Aussendung. Auch ein Einfluss des Innenministeriums auf die WKStA sei nicht erkennbar, meinte Jenewein.

Diese Aussagen wiederum kritisierte die ÖVP: Dass sich Jenewein „schützend vor seinen Ex-Innenminister Kickl stellt“, verstärke nur noch den Eindruck, dass die Ressortführung „massiven Druck auf die Staatsanwaltschaft ausübte, um eine rechtswidrige Hausdurchsuchung“ durchzusetzen, so ÖVP-Fraktionsvorsitzende Gaby Schwarz. Im Verlauf der Ausschussarbeit sei eindeutig ans Tageslicht gekommen, dass Goldgruber eine Schlüsselrolle gespielt habe, um die Hausdurchsuchungen im BVT in Gang zu setzen. Was bleibe, „ist ein großer Schaden für das BVT und seine internationale Reputation“, heißt es in der Aussendung.

Krisper nimmt auch ÖVP in die Pflicht

NEOS-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper zeigte sich über die bekanntgewordenen Passagen erfreut. „Es ist im Sinne der Aufklärung zu begrüßen, dass nun auch von objektiver Seite festgestellt wurde, dass die Ressortführung von Kickl abwärts in dessen Amtszeit auf die Hausdurchsuchung im BVT abzielte und deren Verwirklichung aktiv durch Unterminierung der Gewaltenteilung betrieb.“

Ihre Kritik richtete sie aber auch an die ÖVP, die sie „massiv in der Verantwortung“ sah. Es sei zwar „durchaus zu begrüßen, dass Schwarz von großem Schaden für das BVT und seine internationale Reputation spricht“, ÖVP-Chef und Ex-Kanzler Sebastian Kurz habe diesen ja bisher „stets heruntergespielt“. „Dieser Schaden wurde wesentlich durch die Kurz-ÖVP mitverursacht, die trotz aller Warnungen der FPÖ das Innenressort überließ“, so Krisper.

Veröffentlichung im September

Die Zweite Präsidentin des Nationalrates und Vorsitzende des BVT-Untersuchungsausschusses, Doris Bures (SPÖ), hatte zuvor den von Strauss gemeinsam mit seinem Stellvertreter Wolfgang Pöschl erstellten Entwurf des Ausschussberichts an die Fraktionen übermittelt. Dieser sei vorerst nicht öffentlich, wie die Parlamentskorrespondenz mitgeteilt hatte.

Am 18. September leitet der U-Ausschuss im Rahmen einer letzten Geschäftsordnungssitzung den Bericht an den Nationalratspräsidenten, woraufhin dieser dann auch veröffentlicht wird. Offiziell beendet wird der Ausschuss dann mit der Berichtsvorlage an den Nationalrat in der darauffolgenden Plenarsitzung. Ob in der neuen Gesetzgebungsperiode die Aufklärungsarbeit in der Causa BVT fortgesetzt wird, obliegt den Abgeordneten des neu gewählten Nationalrats.

Erste Bilanz gezogen

Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der BTV-Affäre wurden 102 Befragungen von 88 Auskunftspersonen durchgeführt. Die längste Befragung dauerte drei Stunden und 58 Minuten, die kürzeste 14 Minuten. Insgesamt trat der Ausschuss zwischen 4. September 2018 und 5. Juni 2019 zu 44 Sitzungen mit einer Befragungsdauer von rund 125 Stunden zusammen.

Bures zog eine positive Bilanz. „Untersuchungsausschüsse sind ein bedeutendes Instrument der parlamentarischen Kontrolle, mit dem Ziel einer objektiven und sachlichen Aufklärungsarbeit. Das ist den Abgeordneten im BVT-Untersuchungsausschuss mit viel Engagement und trotz einiger Hürden gelungen.“

Kritisch sieht die Zweite Nationalratspräsidentin den Umstand, dass etwa 70 Prozent der insgesamt rund 336.000 Aktenseiten einer Geheimhaltungsstufe unterliegen (beim Hypo-Untersuchungsausschuss waren dies lediglich 6,5 Prozent). „Bei allem Verständnis für geschützte Daten und der gebotenen Sensibilität halte ich die Transparenz politischer Entscheidungen für enorm wichtig. Es geht schließlich um das Vertrauen der Menschen in die Politik und in ihre Repräsentanten. Dabei spielt eine kritische mediale Auseinandersetzung und Berichterstattung eine wichtige Rolle. Dem versuchte der Ausschuss trotz allem Rechnung zu tragen. Von den Verhandlungen waren über 80 Prozent medienöffentlich“, so Bures.