Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Ex-Verteidigungsminister Herbert Scheibner während einer PK zur Abfangjaeger-Entscheidung der Bundesregierung am 2. Juli 2002, in Wien.      APA-FOTO: HANS KLAUS TECHT
APA/Hans Klaus Techt
Eurofighter-U-Ausschuss

Bericht rügt Grasser und Scheibner schwer

Kritik an Mitgliedern der schwarz-blauen Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel (ÖVP) übt Verfahrensrichter Ronald Rohrer in seinem 440-seitigen Entwurf für den Endbericht zum dritten und wohl letzten Eurofighter-U-Ausschuss, der nun der APA vorliegt. Im Visier sind neben EADS/Eurofighter der damalige FPÖ-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und sein Parteikollege, der damalige Verteidigungsminister Herbert Scheibner.

Rohrer arbeitet in dem Bericht die politische Verantwortung für Fehlleistungen beim Kampfflugzeugkauf heraus. „Durch Herbeiführen einer Typenentscheidung zugunsten des teuren Eurofighter überschritt Grasser nicht nur deutlich seine Zuständigkeit als Finanzminister, sondern verstieß auch gegen den gesetzlichen Grundsatz zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Verwaltung“, heißt es da etwa.

Scheibner habe gegen dieses Gebot ebenfalls verstoßen, nämlich indem er Grasser nachgegeben habe. „Er hätte seine Zustimmung zum Vorschlag Grassers von einer gesetzlich abgesicherten Sonderbudgetierung der Eurofighter-Betriebskosten abhängig machen müssen“, so der Berichtsentwurf des Verfahrensrichters.

Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Ex-Verteidigungsminister Herbert Scheibner während einer PK zur Abfangjaeger-Entscheidung der Bundesregierung am 2. Juli 2002, in Wien.      APA-FOTO: HANS KLAUS TECHT
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Die FPÖ-Politiker Grasser und Scheibner während einer Pressekonferenz zur Abfangjägerentscheidung am 2. Juli 2002

„Republik schwächte eigene Verhandlungsposition“

Die schwarz-blaue Bundesregierung habe sich zum „Kauf einer noch zu entwickelnden Flugzeuggeneration“ entschieden und die Höhe der Betriebskosten und der „Life-Cycle-Costs“ nicht beachtet; für Rohrer ein „Verstoß gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit“. Vor allem habe die Republik aber ihre eigene Verhandlungsposition geschwächt, indem sie sich für den Eurofighter (und gegen Saab Gripen und F-16) entschieden, dann aber Nachverhandlungen zugelassen habe – und das wegen der Notwendigkeiten der Luftraumüberwachung unter Zeitdruck.

Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, anläßlich einer Sitzung des Eurofighter- U-Ausschusses im Jahr 2017
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ÖVP-Altkanzler Wolfgang Schüssel vor dem Eurofighter-U-Ausschuss am 20. Juni 2017

Auch an Dokumentation und adäquaten Strukturen habe es bei den Vertragsverhandlungen gemangelt. „Umso weniger ist verständlich, dass die gesamte Verhandlungs- und Vertragsabwicklung einem einzigen Mann federführend, nämlich dem Leiter der Einkaufsabteilung, überlassen wurde.“ Gemeint ist hier der Chefverhandler im Verteidigungsministerium, Edwin Wall, dem im Zuge des Ausschusses eigenmächtige Änderungen am Vertrag in letzter Minute vorgeworfen wurden.

Schwere Kritik an Gegengeschäften

Explizit keine endgültige Bewertung wird im Bericht über den 2007 unter SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos abgeschlossenen Vergleich mit Eurofighter abgegeben. Doch wird darauf hingewiesen, dass eine Umrüstung der jetzigen abgespeckten Eurofighter auf die ursprünglich bestellte Ausstattung 650 Mio. Euro kosten würde; und das bei nur 250 Mio. Euro Nettopreisreduktion durch den Darabos-Deal.

Der Nachweis individueller Bestechung österreichischer Entscheidungsträger konnte nicht erbracht werden."Die unter Wahrheitspflicht stehenden Auskunftspersonen verneinten diese Frage spontan und ohne jede Einschränkung", heißt es in dem Bericht über Zuwendungen an Politiker, Beamte und Parteien in Zusammenhang mit der Flugzeugbeschaffung in den Jahren 2002 und 2003. Sämtliche dem U-Ausschuss vorliegenden Unterlagen seien unter diesem Aspekt gesichtet worden, „ohne dass ein Hinweis auf den oder die letzten Empfänger der durch ein Netzwerk von Offshore-Firmen geschleusten Gelder gefunden werden konnte“.

Und weiter: „Der Untersuchungsausschuss merkt hierzu an, dass das im Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 29.1.2019 trefflich beschriebene Ausschleusen von Geldern aus dem EADS-Konzern nicht zwingend bedeuten muss, dass mit diesen Beträgen im Gesamtvolumen von rund 90 Mio. Euro Bestechungsgelder für österreichische Entscheidungsträger oder Parteien generiert wurden.“

„Intransparent und treuwidrig“

Schwere Kritik gibt es dann beim Gegengeschäftsvertrag, bei dem es zur Missachtung vergaberechtlicher Grundsätze und zu Nachverhandlungen gekommen sei, die die Position der Republik Österreich geschwächt hätten. Auch ÖVP-Alkanzler Schüssel kommt hier in die Verantwortung, denn es sei dessen ausdrücklicher Wunsch gewesen, die abzuschließenden Gegengeschäfte mit „international unüblichen“ 200 Prozent der Kaufsumme festzusetzen. Der Kreis der einzubeziehenden Geschäfte wurde daher sehr weit gezogen, inklusive der Vermittlung an Dritte.

Bereits seit dem zweiten Eurofighter-U-Ausschuss ist klar, dass Eurofighter/EADS die Übertragung von Gegengeschäftsverpflichtungen an Vector Aerospace verschwiegen hat. Die Firma habe dadurch „eine effektive Kontrolle ihrer vertraglichen Verpflichtung unmöglich gemacht und undurchschaubare Geldflüsse bewirkt und gegenüber dem Vertragspartner Republik Österreich intransparent und treuwidrig gehandelt“, wird im Bericht betont.

Geheimhaltung gebrandmarkt

Nach dem nun erweiterten Wissensstand des dritten U-Ausschusses sei anzufügen, „dass dieses Verschweigen der Übertragung der Gegengeschäftsverpflichtung nach den dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Unterlagen nicht nur treuwidrig, sondern außerdem mit dem Ziel erfolgte, Gelder zu unlauteren Zwecken aus dem EADS-Konzern auszuschleusen und dies zu verheimlichen“. Auffälligerweise habe das Unternehmen extra auf Einfügung eines Punktes in den Verhaltensregeln beharrt, wonach die Haftung für Dritte ausgeschlossen werden sollte.

Eurofighter habe die Pflicht zum Ausweisen der Gegengeschäftskosten (wie in der Angebotseinholung festgelegt) als nicht existent darzustellen versucht. „Es darf darauf verwiesen werden, dass der Mitbewerber Saab offenkundig in der Lage war, diesen einfach strukturierten Satz zu verstehen, und in seinem Angebot die Gegengeschäftskosten gesondert auswies.“

„PR-Ausgaben“ und Aufträge

Die Vertreter der Republik seien angesichts des hohen Kaufpreises und des hohen Interesses von Eurofighter am Vertragsabschluss wohl der Ansicht gewesen, allfällige Offsetkosten würden von Eurofighter/EADS getragen, „weil wohl niemand angenommen hat, ein derartiger Großkonzern würde trotz Aufforderung Kosten verschweigen“.

Auch die hohen „PR-Ausgaben“ des Unternehmens werden erwähnt, Aufträge an FPÖ-nahe Agenturen inklusive jener von Gernot Rumpold und Zahlungen an den Fußballclub Rapid und die Lakeside-Privatstiftung im Einflussbereich des damaligen, mittlerweile verstorbenen FPÖ-Landeshauptmanns von Kärnten, Jörg Haider.

Die Lehren, die zu ziehen sind

Aus all dem sind im Bericht schließlich zwei Seiten an Forderungen angeschlossen: Großvolumige Kaufverträge sollen bei Beteiligung mehrerer Ministerien in einer Hand leitend vereint sein. Die Pflicht zur Dokumentation müsse sichergestellt werden, Vorteilsannahmen durch involvierte Politiker, aber auch Journalisten dürften nicht stattfinden. Gegengeschäfte sollten nicht mehr als 100 Prozent des Auftragsvolumens ausmachen, und ihre Überprüfung sei sicherzustellen.

Und: „Ausschreibungen und die darauf aufbauenden Verträge sollen so formuliert sein, dass nach Möglichkeit unklare oder unbestimmte Begriffe, die einen weiten Interpretationsspielraum eröffnen, vermieden werden.“

Grasser weist Rüge zurück

Über seinen Anwalt Manfred Ainedter wies Grasser die ihn betreffenden Anmerkungen zurück. Die Rüge sei für Grasser völlig unverständlich. Rohrer habe 17 Jahre nach den gegenständlichen Ereignissen „eine völlig unrichtige politische Beurteilung vorgenommen“, so Ainedter. Die damalige Typenentscheidung für den Eurofighter habe nicht Grasser getroffen, vielmehr gebe es einen einstimmigen Beschluss der damaligen Bundesregierung auf Empfehlung einer Bewertungskommission. Er, Grasser, habe stets die Grundsätze zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Verwaltung beachtet.

Auch Fraktionen geben Bericht ab

Bezüglich individueller Zahlungen war im Ausschuss ganz am Schluss noch ein Papier einer niederländischen Bank mit einer Summe von 1,5 Mio. Euro aufgetaucht, zahlbar an die frühere FPÖ/BZÖ/Stronach/Team-NÖ-Politikerin Elisabeth Kaufmann-Bruckberger. Ob das tatsächlich ein Scheck war und ob er auch eingelöst wurde, konnte wegen der vorzeitigen Auflösung des Nationalrats nicht mehr aufgeklärt werden.

Die Ex-Politikerin hatte sich zweimal einer Befragung durch ärztliche Entschuldigung entzogen, aber in Medienberichten den Erhalt des Betrags jedenfalls verneint. Bis Freitag haben nun auch die Fraktionen Zeit, ihre eigenen Berichte zum Eurofighter-U-Ausschuss abzugeben. Offiziell beendet wird der Ausschuss dann mit der Berichtsvorlage an den Nationalrat im Herbst.