Wohnhaus des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke
APA/dpa/Swen Pförtner
Motiv noch offen

Verdächtiger gesteht Mord an CDU-Politiker

Der tatverdächtige Stephan E. hat den Mord an dem Regierungspräsidenten Walter Lübcke der deutschen Stadt Kassel gestanden. Das bestätigte der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) Mittwochvormittag.

E. habe angegeben, als Einzeltäter gehandelt zu haben, sagte Seehofer am Rande einer Sondersitzung des Innenausschusses im deutschen Bundestag. Damit sei die Aufklärung des „politischen Mordes“ aber noch nicht abgeschlossen. Die Frage nach dem Motiv ist noch offen. Der 45-Jährige ist mehrfach vorbestraft und hatte zumindest in der Vergangenheit Kontakte zur rechtsextremen Szene.

Der Chef des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, sagte laut Teilnehmenden in der Ausschusssitzung, er gehe nicht von einer Verschärfung der Sicherheitslage aus. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, sagte, die Behörden hätten E. seit 2009 nicht mehr intensiv auf dem Schirm gehabt. Das Bundesamt müsse sich in Sachen Bekämpfung des Rechtsextremismus stärker aufstellen.

Horst Seehofer
APA/AFP/Tobias Schwarz
Seehofer bestätigt, dass der Verdächtige geständig ist

Schussverletzung am Kopf

Der CDU-Politiker Lübcke war in der Nacht auf den 2. Juni mit einer Schussverletzung am Kopf auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen bei Kassel entdeckt worden. Er starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Lübcke war in der Vergangenheit wegen seiner Haltung zu Flüchtlingen bedroht worden.

Morddrohungen nach Auftritt

Als Regierungspräsident war Lübcke im Jahr 2015 auch für die Einrichtung von Erstaufnahmelagern für Flüchtlinge in seinem Regierungsbezirk zuständig und wurde in der Vergangenheit wegen seiner Haltung zu Flüchtlingen bedroht. Auf Anfeindungen bei einer Bürgerversammlung, die zum Teil aus dem PEGIDA-Umfeld stammten, sagte er einmal, es lohne sich, in Deutschland zu leben und für die hiesigen Werte einzutreten.

„Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen – das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“ Danach soll er laut Medienberichten Morddrohungen erhalten haben – unter anderem von „Reichsbürgern“.

Porträt von Walter Luebcke bei seiner Beisetzung
Reuters/Ralph Orlowski
Der deutsche CDU-Politiker starb an einem Schuss in den Kopf und wurde Anfang des Monats beigesetzt

„Wo die Sprache verroht, ist die Straftat nicht weit“

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte sich zu den Ermittlungen bisher nicht äußern. Sie sagte lediglich, sie hoffe, dass so schnell wie möglich geklärt werde, wer Lübcke warum erschossen habe. Grüne, FDP, AfD und Linke im Bundestag forderten eine Sondersitzung des Innenausschusses.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte sich ebenfalls besorgt zu dem mutmaßlich rechtsextremistischen Hintergrund des Mordes. Die vollständige Aufklärung der Tat habe jetzt „oberste Priorität“, sagte Steinmeier nach der Verhaftung gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. Er stellte auch einen Zusammenhang zwischen Hass und Hetze im Internet und einem solchen Verbrechen her: „Wo die Sprache verroht, ist die Straftat nicht weit.“

„Beispiele aus der jüngeren deutschen Geschichte zeigen, wie wichtig es ist, jede einzelne Tat zeitnah und vor allem umfassend aufzuklären“, hob Steinmeier hervor. Er bezog sich dabei laut „SZ“ offensichtlich auf die NSU-Mordserie, die vor knapp 20 Jahren begann, und die damals lange Zeit fehlgeleiteten Ermittlungen.

Hass und Häme in rechter Szene

In Kassel hatte es nach dem Mord in der Martinskirche eine Trauerfeier mit über 1.300 Teilnehmern und Teilnehmerinnen für den CDU-Politiker gegeben, bei der Polizei und Bundeswehr eine Ehrenwache hielten. Nach seinem Tod hatten hasserfüllte und hämische Reaktionen aus der rechten Szene im Internet für Empörung gesorgt. Steinmeier sagte, wie sich manche in Sozialen Netzwerken über Lübckes Tod geradezu hermachten, sei „zynisch, geschmacklos, abscheulich, in jeder Hinsicht widerwärtig“.