Ein Mähdrescher erntet Weizen
Reuters/Nick Oxford
EU – Mercosur

Weltweit größte Freihandelszone fixiert

Die Europäische Union und der südamerikanische Wirtschaftsblock Mercosur haben sich auf ein umfassendes Abkommen zur Bildung der größten Freihandelszone der Welt verständigt. „Wir haben eine Einigung“, hieß es am Freitagabend aus Brüssel. Die Verhandlungen über das Abkommen begannen bereits im Jahr 1999 – 20 Jahre danach steht der Deal. Doch es gibt auch Kritik und Ängste.

Erfreut zeigte sich Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der von einem „historischen Moment“ sprach. Das seien großartige Nachrichten für Unternehmen, Arbeitnehmer und Wirtschaft beider Seiten. „Inmitten internationaler Handelsspannungen senden wir das starke Signal, dass wir für regelbasierten Handel stehen“, schrieb Juncker.

„Historisch! Dies wird eines der wichtigsten Handelsabkommen aller Zeiten sein und unserer Wirtschaft enorme Vorteile bringen. Großartiger Tag“, schrieb der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro auf Twitter. „Ich habe versprochen, mit der ganzen Welt Handel zu treiben, ohne ideologische Vorurteile. Wir werden unsere Wirtschaft öffnen und Brasilien zum Besseren verändern.“

Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen

Das Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Ländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay soll über den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen den Warenaustausch stärken und Unternehmen Kosteneinsparungen in Milliardenhöhe bringen.

Der Staatenbund Mercosur ist mit einer Bevölkerung von mehr als 260 Millionen Menschen einer der großen Wirtschaftsräume der Welt. Die EU kommt sogar auf mehr als 512 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Das Abkommen mit der Mercosur-Gruppe soll das größte werden, das die EU jemals vereinbart hat. Bisher ist dies das Abkommen mit Japan, das am 1. Februar in Kraft trat und damit die größte Freihandelszone der Welt schuf.

Nationale Parlamente müssen ratifizieren

Nach der Einigung werden die Vertragspartner den Entwurf nun juristisch prüfen und das endgültige Abkommen ausformulieren, wie die EU-Kommission mitteilte. Dann wird der Vertrag dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten zur Ratifizierung vorgelegt.

Die Exporte von EU-Unternehmen in die vier Mercosur-Staaten beliefen sich 2018 auf rund 45 Mrd. Euro, in die andere Richtung waren es Ausfuhren im Wert von 42,6 Mrd. Euro. Für den lateinamerikanischen Staatenbund ist die EU bereits heute der wichtigste Handels- und Investmentpartner.

Nahrungsmittel, Getränke und Tabak Hauptimportgüter

Die Mercosur-Staaten exportieren vor allem Nahrungsmittel, Getränke und Tabak in die EU. Von dort gehen wiederum vor allem Maschinen, Transportausrüstungen sowie Chemikalien und pharmazeutische Produkte nach Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. „Der Vertrag hat ein enormes Potenzial, um die Investitionen zu erhöhen. Das ist fundamental, um nachhaltiges Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen sowie die Armut in unserem Land zu bekämpfen“, schrieb der argentinische Finanzminister Nicolas Dujovne auf Twitter.

Kritik und Ängste

Allerdings gibt es auch Kritik an dem Freihandelsabkommen. Viele europäische Landwirte befürchten, dem Wettbewerb mit den Agrargroßmächten aus Südamerika nicht gewachsen zu sein. Im Gegensatz zu anderen Branchen gilt der Agrarsektor in der Region als ausgesprochen wettbewerbsfähig. Zum einen wird im Mercosur in deutlich größerem Maßstab produziert, was Kostenvorteile mit sich bringt.

Zudem gehen die Landwirte in der Region sehr großzügig mit Pflanzenschutzmitteln und Gentechnik um, was viele Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa kritisch sehen. Verbraucherschutzorganisationen kritisieren, dass für das Abkommen die in Europa recht hohen Standards abgesenkt werden könnten, um den Exporteuren aus den Mercosur-Ländern den Marktzugang zu erleichtern.

Bedrohung für Amazonas-Regenwald

Umweltschützer befürchten, dass die neuen Absatzmärkte für Fleisch- und Sojaexporte aus Brasilien dazu führen könnten, dass die Weide- und Anbauflächen erweitert werden und dafür der Amazonas-Regenwald weiter abgeholzt wird. Brasiliens Präsident Bolsonaro gilt als Freund der Agrarindustrie, Umweltschutz hingegen gehört nicht zu seinen Prioritäten. Das könnte weltweite Auswirkungen haben, da der Regenwald als CO2-Speicher eine große Bedeutung im globalen Kampf gegen die Klimaerwärmung hat.

Neben der wirtschaftlichen Dimension hat das geplante Abkommen auch eine politische. Die EU will angesichts der aktuellen Politik der USA ein Zeichen für freien und fairen Handel setzen – vor allem, nachdem US-Präsident Donald Trump die Pläne für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP einstampfte und auch die US-Beteiligung am Pazifik-Handelsabkommen TPP aufkündigte.