Autorin Birgit Birnbacher
APA/Miriam Laznia
Tage der deutschsprachigen Literatur

Birgit Birnbacher gewinnt Bachmannpreis

Die in Salzburg geborene Autorin Birgit Birnbacher hat am Sonntag bei den 43. Tagen der deutschsprachigen Literatur den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen. Sie konnte sich gegen sechs andere Autorinnen und Autoren auf der Shortlist für den mit 25.000 Euro dotierten Preis durchsetzen.

Birnbacher, die auf Einladung von „Standard“-Literaturredakteur Stefan Gmünder an der Veranstaltung teilnahm, gewann mit ihrem Text „Der Schrank“. Darin nimmt die Ich-Erzählerin an einer Studie über „Lebensverhältnisse und Neue Arbeit“ teil, im Zentrum des Texts steht jedoch ein Schrank, der plötzlich im Stiegenhaus auftaucht. In ihrem Text knüpft Birnbacher an ihre Arbeit als Soziologin an und widmet sich darin prekären Wohn- und Arbeitsverhältnissen.

Die Jury lobte Birnbachers Text bei der Lesung am Freitag: Die Literaturwissenschaftlerin Hildegard Keller bezeichnete ihn als „gelungen in jeder Hinsicht“. Er sei eine Mikrostudie der Lebensverhältnisse, man begegne Zynismen, keine Arbeit sei die Neue Arbeit. Durch großartigen Charme könne man an den Figuren teilnehmen. „Wirklich gelungen.“

Autorin Birgit Birnbacher
ORF/Johannes Puch
Birnbachers Text wurde am Freitag gelesen

Der deutsche Kritiker Michael Wiederstein bezeichnete den Text durch eine Kombination aus Humor und Empathie als gelungen. Insa Wilke hob die „unglaublich schönen Momente“ in Birnbachers Text hervor. Laut Klaus Kastberger sei der Text „viel cooler“ als viele andere. Auf ein Musikvideo Bezug nehmend, erklärte er, das Bild des Schrankes und das Verschwinden darin seien ein unheimlich tolles Bild. Gmünder, der Birnbacher vorschlug, fasste zusammen, „der Text kann sich so klein machen, da er so groß ist“.

„Der Schrank“

Der gesamte Text von Birgit Birnbacher ist in bachmannpreis.ORF.at zu lesen.

Birnbacher will zur Soziologie zurückkehren

In einem ersten Statement nach der Preisverleihung sagte die sichtlich überwältigte Preisträgerin im Interview mit Zita Bereuter, die Auszeichnung bedeute ihr sehr viel. Der Plan sei dennoch, nach einem Jahr intensiven Schreibens jetzt wieder eine Stelle als Soziologin anzunehmen.

Im Gespräch mit der APA sagte Birnbacher, es sei „immer noch sehr überwältigend“. Dass sie als Favoritin gehandelt wurde, habe sie im Vorfeld mitbekommen, „aber man weiß ja aus den vergangenen Jahren, dass das über den Ausgang des Wettbewerbs oft auch keine Aussagekraft hatte“. Ihr Ziel sei es gewesen, „mit gewahrtem Gesicht hinauszugehen“. Dass es noch besser gekommen ist, sei für sie „maximales Glück“.

Ihr nächstes Buch sei bereits „in Arbeit“, so Birnbacher. „Bei einem Roman, an dem man jahrelang arbeitet, ist es immer schwer zu sagen, wann er fertig wird. Aber es fehlt jetzt nicht mehr so viel. Es ist aber noch unklar, wann er erscheinen wird.“

Debütroman erschien 2016

Die 1985 geborene Birnbacher machte nach frühem Schulabbruch zunächst eine Lehre, war als Behindertenpädagogin in der Kinder- und Jugendarbeit tätig und studierte später Soziologie. Ihr Debütroman „Wir ohne Wal“ erschien 2016.

Birgit Birnbacher gewinnt Bachmannpreis

Die in Salzburg geborene Autorin Birgit Birnbacher hat am Sonntag den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen.

„Ich habe ja erst spät studiert, da hatte ich schon zwei Berufe. Zu dieser Zeit war ich neun Jahre in der Betreuung von Menschen mit Behinderung tätig. Ein sehr schöner Beruf, der aber auch viel mit Zuschreibungen zu tun hat. Die Soziologie war dann für mich so faszinierend, weil sie eine empirische Beschreibung der sozialen Wirklichkeit leisten kann. Dieser Schreib- und Denkansatz war so etwas wie eine Dauer-Reha vom restlichen Leben für mich, eine ganz neue Sprache“, so Birnbacher im Vorfeld des Bewerbs.

Änderung bei Preisvergabe

Die Vergabe des Bachmannpreises wurde dieses Jahr abgeändert: So musste jedes Mitglied der Jury an fünf der Autorinnen und Autoren Punkte vergeben. Diese wurden anschließend zusammengezählt, die sieben Autorinnen und Autoren mit den meisten Punkten schafften es damit auf die Shortlist. Nur unter diesen wurden dann die Preise vergeben. Zur besseren Transparenz wurden die Shortlist-Nominierungen öffentlich gemacht – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Nach der ersten Abstimmungsrunde der Jury kam es zu einem Stechen zwischen Birnbacher und Yannic Han Biao Federer um den mit 25.000 Euro dotierten Preis. Federer trat mit dem Text „Kenn ich nicht“ an, Birnbacher konnte sich jedoch letztendlich durchsetzen.

Othmann gewinnt Publikumspreis

Anschließend wurden am Sonntag auch die weiteren Preise vergeben. Den BKS-Bank-Publikumspreis in Höhe von 7.000 Euro gewann Ronya Othmann mit ihrem Text „Vierundsiebzig“ über eine beklemmende Reise in den Irak. 12.500 Euro gab es für den Deutschlandfunk-Preis, der an Leander Fischer ging.

Julia Jost setzte sich beim Kelag-Preis mit „Unweit vom Schakaltal“ durch. Der beim größten Preis leer ausgegangene Federer wurde mit dem mit 7.500 Euro dotierten 3sat-Preis ausgezeichnet. Im Vorjahr konnte sich Tanja Maljartschuk im Rennen um den Bachmannpreis durchsetzen.