Gipfel zu EU-Topjobs beginnt – Merkel: „Wird nicht einfach“

Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, kommen heute Abend zusammen, um über den Kommissions- und den Ratspräsidenten sowie den Außenbeauftragten zu entscheiden. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich vor Beginn des EU-Sondergipfels in der Frage der Spitzenpositionen zurückhaltend. „Es werden keine sehr einfachen Verhandlungen“, so Merkel.

Timmermans in Favoritenrolle

„Wir werden versuchen, konstruktiv zu sein“, sagte Merkel zur Haltung Deutschlands. Ihr persönliches Ziel sei es, „einen Konflikt zwischen dem Rat und dem Parlament zu vermeiden“, sagte Merkel weiter. „Deshalb wird es wohl eine Weile dauern.“ EU-Ratspräsident Donald Tusk habe „eine schwierige Aufgabe“ bei dem Versuch, alle Interessen zusammenzubringen.

Im Laufe des Tages zeichnete sich bereits eine mögliche Lösung im Personalpoker ab. Tusk präsentierte den Fraktionschefs im Europäischen Parlament den Vorschlag, dass der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans Kommissionspräsident werden soll.

EVP scheint sich mit Verlust des Chefpostens abzufinden

Die konservative Europäische Volkspartei (EVP), die bei den Europawahlen ihre Position als stärkste Kraft mit Verlusten behauptete, könnte Tusk zufolge den Außenbeauftragten sowie den Präsidenten des Europäischen Parlaments stellen. Mehrere EU-Diplomaten sagten der Nachrichtenagentur Reuters zudem, dass man die Besetzung des EZB-Präsidenten zunächst aus dem Personalpaket auskoppeln und später entscheiden wolle.

Die EVP schien sich indes bereits mit dem Verlust des Brüsseler Chefpostens abzufinden. Spitzenkandidat Manfred Weber sei zu einem Verzicht auf das Amt des Kommissionspräsidenten bereit, damit beim EU-Gipfel ein guter Kompromiss beim Personalpaket erzielt werden könne, berichtete die Tageszeitung „Der Standard“ (Onlineausgabe) unter Berufung auf hohe EVP-Kreise.

Juncker will zu Abschluss der Debatte kommen

Der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will heute zu einem Abschluss der Postendebatte kommen. Eine Verlängerung mache keinen Sinn, sagte er vor Beginn der Beratungen in Brüssel und wünschte sich ein Personaltableau „das stimmig ist“.

Wenn der Erste Vizepräsident der EU-Kommission, Timmermans, nicht „in Ordnung“ wäre, hätte er ihn nicht zu seinem Stellvertreter ernannt, erklärte Juncker. Stellvertreter sei jedoch nicht Kommissionspräsident, räumte er ein.

Seiner Ansicht nach haben die Liberalen das Spitzenkandidatensystem „gekillt“, da die Parteienfamilie sich nicht auf einen Spitzenkandidaten vor der Europawahl einigen habe können und dann viele Vorschläge gemacht hätte.

Ungarn: Timmermans als Kommissionschef „historischer Fehler“

Von Ungarn kam entschiedene Ablehnung für einen EU-Kommissionspräsidenten Timmermans. Dies wäre „ein sehr schwerer, sogar historischer Fehler“, schrieb die ungarische Europaministerin Judit Varga an EVP-Präsident Joseph Daul. Damit würde die EVP als stärkste Kraft ihren Anspruch auf Führung an andere Parteien abgeben. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban schrieb von einer „Demütigung“, wenn die wichtigste Position „an unseren größten Rivalen geht“.

Conte erwartet „langen Marathon“

Portugals Ministerpräsident Antonio Costa glaubt, dass der Widerstand Ungarns und einige andere EU-Ostländer wie Polen und Tschechien gegen Timmermans überwunden werden kann. Er appelliert an Italien, Timmermans in Solidarität der Südländer zu unterstützen. Portugal und Spanien haben sozialdemokratische Ministerpräsidenten, Griechenland hat dagegen einen Linkspolitiker an der Spitze.

Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte stellt sich auf zähe Verhandlungen ein. „Ich bin bereit für einen langen Marathon heute Abend“, sagt er vor Beginn des Treffens. Er werde die Kandidatur des Sozialdemokraten Frans Timmermans für das Amt des Kommissionspräsidenten prüfen, sagte er.

Timmermans selbst äußerte sich zurückhaltend zu dem Personalpoker. „Ich bin Kandidat der sozialistischen Parteienfamilie. Wir werden sehen, wie sich die Regierungschefs entscheiden – wenn sie irgendetwas entscheiden.“