Stadtansicht con Reykjavik , Island
Getty Images/EyeEm/Andrea Koch
Genderneutrale Namen

Islands kleine Namensrevolution

„Mädchen sollen Mädchennamen haben, Buben sollen Bubennamen haben“: Bisher war das komplexe Namenssystem Islands streng in zwei Geschlechter getrennt. Eine Ende Juni im Parlament beschlossene Regelung hebt diese Trennung nun auf. Zusätzlich gibt es zu den bisherigen Namensendungen „-son“ und „-dottir“ mit „-bur“ künftig auch eine genderneutrale Variante.

Namen folgen in Island einem eigenen traditionellen System, das in westlichen Ländern heute eher ungewöhnlich ist: Der Nachname leitet sich dabei seit Jahrhunderten im Normalfall vom Namen des Vaters ab. Der isländische Entdecker Leif Eriksson ist der Sohn ("-son") von Erik dem Roten, die isländische Musikerin Björk Gudmundsdottir ("-dottir") die Tochter von Gudmundur Gunnarsson.

Darüber hinaus gibt es aber auch strenge Regeln für die Wahl des Vornamens: Ein eigenes Komitee, das „Mannanafnanefnd“, entscheidet, welche Namen vergeben werden dürfen – und welche nicht. Gültige Namen werden in ein Namensregister aufgenommen, regelmäßig wird so etwa über Namen aus dem Ausland entschieden, verschiedene Kriterien werden zur Bewertung herbeigezogen. Dass der Name Rokk (wie das Musikgenre Rock) als zweiter Vorname zugelassen wurde, sorgte etwa 2018 medial für Wirbel.

Alex und Blaer mussten um Namen kämpfen

Das Namenskomitee achtete dabei bisher streng auf die Geschlechtertrennung. Die englischsprachige Zeitschrift „Iceland Review“ berichtet vom Fall eines Mädchens, das nicht Alex genannt werden durfte. Nach Ansicht der Behörde sei Alex ausschließlich ein männlicher Vorname. Im Jahr 2013 wurde die damals 15-jährige Blaer Bjarkardottir Runarsdottir aufgefordert, ihren Namen zu ändern, weil dieser als männlicher Vorname eingetragen war. Sie zog jedoch vor Gericht und durfte den Namen letztlich behalten.

Straßenszene in Reykjavik
Reuters/Ingolfur Juliusson
Alex darf künftig in Island auch als Mädchenname verwendet werden

Neues Gesetz streicht Geschlechterzugehörigkeit

Nun muss die isländische Behörde aber wohl um einen Teil ihrer Kompetenzen fürchten: In einem neuen Gesetz zur Geschlechterautonomie ist festgelegt, dass das Namensregister künftig nicht mehr zwischen männlich und weiblich unterscheidet, wie der isländische Rundfunk RUV berichtet. Alex und Blaer dürften nun ohne aufwendigen Gerichtsprozess ihre Namen behalten.

Ebenfalls geregelt wird in dem Gesetz, dass Personen neben männlich und weiblich auch die Möglichkeit haben, ihr Geschlecht als „X“ einzutragen – wie das auch in Österreich möglich ist. Allerdings ist hier im Gegensatz zu Österreich die „gelebte Realität“ ausschlaggebend, heißt es in „Iceland Review“. In Österreich ist nur bei intersexuellen Menschen oder wenn aus einem anderen Grund das Geschlecht nicht eindeutig bestimmt werden kann, ein „X“ im Pass möglich.

„-bur“ oder gar keine Endung

Auch der Nachname wird in Island künftig anders gebildet: Zusätzlich zu "-son" und "-dottir" gibt es nun die neue Endung "-bur" (wird hier als „Kind“ verwendet). Wer ein „X“ im Pass hat, darf sich nun für diese Namensvariante entscheiden – so wird beispielsweise aus „Hansdottir“ „Hansbur“. Alternativ kann aus dem Namen die Endung auch ganz weggelassen werden – darauf hatten bisher nur Isländerinnen und Isländer mit ausländischem Namen Anspruch, prominentes Beispiel: die isländische Sängerin Emiliana Torrini.

Behörde reagiert abwartend

Gegenüber RUV sagte eine Anwältin und Mitglied des Namenskomitees, dass man erst abwarten wolle, was die Änderung für die Arbeit des Komitees bedeutet. Künftig werde man jedenfalls nicht erst um die Verwendung eines bereits eingetragenen Namens ansuchen müssen. Das werde ihre Arbeit sicher beeinflussen, so die Anwältin.

Für Island, das zur Wahrung seiner Sprache aktiv gegen Neologismen und Fremdwörter, vor allem aus dem Englischen, vorgeht, sei die Änderung „groß“, so Adalsteinn Hakonarson, Sprachwissenschaftler und Chef der Behörde. Man werde sich jedenfalls an das Gesetz halten, so Hakonarson.

Meldeamt rechnet mit Andrang

Margret Hauksdottir vom isländischen Meldeamt sagte gegenüber „Iceland Review“, dass man mit zahlreichen Namensänderungen rechne, weil viele Menschen auf diese Gesetzesänderung gewartet haben. Mit einem Onlineformular könne um die Änderung angesucht werden – sollte der Name bereits im Namensregister existieren, werde die Änderung „drei bis fünf Tage“ dauern und damit schnell und unkompliziert erledigt sein, so Hauksdottir.