ÖVP-Klubobmann August Wöginger, NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger und Hubert Fuchs  sowie Jörg Leichtfried
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ÖVP, FPÖ, NEOS

„Schuldenbremse“ soll in Verfassung

Das Ende der Regierung von ÖVP und FPÖ führt zu einer Unzahl an Gesetzesbeschlüssen im Nationalrat. Doch bevor sich das Hohe Haus am Dienstag mit den Tagesordnungspunkten – etwa Rauchverbot in der Gastronomie und Valorisierung des Pflegegeldes – beschäftigen konnte, dominierte die Plenardebatte ein anderes Thema: die „Schuldenbremse“. ÖVP, FPÖ und NEOS wollen diese in der Verfassung verankern.

Der Beschluss, dass die „Schuldenbremse“ in die Verfassung soll, ist aber wohl weitgehend symbolpolitisch, da die SPÖ das im Bundesrat verhindern kann. Ein entsprechender Antrag von ÖVP, FPÖ und NEOS soll am Dienstag dennoch im Nationalrat eingebracht und im Herbst beschlossen werden. Mit dem in einer gemeinsamen Pressekonferenz im Parlament vorgestellten Antrag der drei Parteien würde die einfachgesetzlich bereits seit 2017 geltende „Schuldenbremse“ in den Verfassungsrang gehoben.

Das Defizit des Bundes darf laut Plan maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen, jenes der Länder und Gemeinden in Summe maximal 0,1 Prozent. Höhere Schulden machen darf der Staat in Wirtschaftskrisen, „außergewöhnlichen Notsituationen“ und bei Naturkatastrophen. Allerdings müssen diese Überschreitungen auf einem „Kontrollkonto“ verbucht und in weiterer Folge wieder abgebaut werden. Dieser Mechanismus ist im Stabilitätspakt mit den Ländern bereits verankert.

SPÖ kann Vorhaben blockieren

ÖVP-Klubchef August Wöginger und Ex-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) lobten das Vorhaben als Zeichen von „Hausverstand“. „Man kann auf Dauer nicht mehr ausgeben, als man einnimmt“, sagten Fuchs und Wöginger unisono. „Es ist ein Bohren von harten Brettern. Es geht sehr, sehr langsam etwas weiter, und manchmal geht es dann ganz schnell“, lobte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger die Einigung.

Der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried
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SPÖ-Klubchef Leichtfried äußerte im Hohen Haus seinen Unmut über das Vorhaben

Dass die neuen Regeln tatsächlich in Kraft treten, gilt deshalb als ausgeschlossen, weil damit auch in Landeskompetenzen eingegriffen wird. Dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat nötig, über die ÖVP und FPÖ nicht verfügen. NEOS ist nicht im Bunderat vertreten. Die SPÖ lehnt das Vorhaben weiterhin ab und kann es im Bundesrat blockieren.

Leichtfried: Werden im Bundesrat „eher nicht“ zustimmen

Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried wertet die Schuldenbremse als wiederholten Versuch der ÖVP, das Parlament am Arbeiten zu hindern, wie er parallel zur Pressekonferenz in der Plenardebatte sagte: „Der wahre Grund für diese ganzen Ambitionen ist, dass sie es nicht akzeptieren wollen, dass sie erstmals seit 30 Jahren im Parlament überstimmt werden.“ FPÖ-Abgeordneter Fuchs bezeichnete das als „Märchenstunde der SPÖ“. Er warf den Sozialdemokraten vor, auch in guten Konjunkturlagen den Schuldenberg vergrößert zu haben.

Wöginger räumte auf Nachfrage ein, dass man sich der im Bundesrat nötigen Zustimmung der SPÖ nicht versichert hat. Man werde der SPÖ den Antrag zukommen lassen, so der ÖVP-Klubobmann: Wenn die SPÖ eine nachhaltige Budgetpolitik wolle, dann könne sie im Bundesrat zustimmen, so Wöginger: „Die SPÖ hat die Möglichkeit, im Bundesrat zuzustimmen, dann geht es durch.“

Zwar wollte Leichtfried am Dienstag auf APA-Anfrage keine abschließende Bewertung abgeben, weil er den Antrag erst kurz zuvor bekommen habe, jedoch werde die SPÖ der Schuldenbremse im Verfassungsrang im Bundesrat „eher nicht“ zustimmen. Leichtfried hält das Vorhaben von ÖVP, FPÖ und NEOS für „keine Maßnahme, die fortschrittliche Politik ermöglicht“.

NEOS: Ungeklärte Kostenfrage bei Mindestpensionen

Dass auch die ÖVP selbst mit dem geplanten Beschluss von Steuersenkungen und höheren Mindestpensionen bei langer Erwerbstätigkeit gegen die Schuldenbremse verstoßen könnte, wies Wöginger zurück. Denn beides sei in der mittelfristigen Haushaltsplanung (der abgewählten Regierung, Anm.) vorgesehen gewesen. Die deutlich höhere Kostenschätzung des Sozialministeriums (420 statt 60 Mio. Euro jährlich) teile er nicht.

Zumindest bei den Mindestpensionen sieht Meinl-Reisinger die Sache allerdings anders. Sie will den Antrag daher im Ausschuss weiterdiskutieren und ansonsten nicht zustimmen, obwohl sie das Anliegen grundsätzlich unterstützt. „Mit der ‚Schuldenbremse‘ können wir solche Beschlüsse nicht fassen“, sagte Meinl-Reisinger angesichts der ungeklärten Kostenfrage bei den Mindestpensionen.

Erfreut über den geplanten Antrag zur Schuldenbremse zeigte sich ÖVP-Mandatar Peter Haubner. „Wir wollen 2019 auf dem angestrebten Kurs in Richtung ausgeglichenes Budget bleiben, das heißt konkret, wir wollen nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen“, sagte Haubner. NEOS-Abgeordnete Karin Doppelbauer plädierte dafür, nach Einführung der Schuldenbremse auch die kalte Progression abzuschaffen.

JETZT: „Nulldefizitdogma“ führt zu Arbeitslosigkeit

Die Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern hält Bruno Rossmann von JETZT für „verantwortungslos“. Sie sei aus „ökonomischer Sicht kontraproduktiv, ja sogar falsch“. Er verwies auf Deutschland und die dort „heftige Diskussion darüber, die ‚Schuldenbremse‘ wieder abzuschaffen“. Investitonsrückstau in Ländern und Gemeinden sei nämlich das Resultat gewesen, und das habe man dank der „Schuldenbremse“ nicht lösen können. Ein „Nulldefiztidogma“ würde vielmehr zu hoher Arbeitslosigkeit führen.

Finanzminister Eduard Müller
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Finanzminister Müller rief die Parteien zur Sparsamkeit auf

Dort setzte auch SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer an. In Deutschland nenne man die Schuldenbremse bereits „Investitionsbremse“, so Krainer und ging diesbezüglich auch auf die Klimaerwärmung ein. „Wenn wir ernsthaft gegen die Klimaerwärmung was machen wollen, müssen wir investieren.“ Die „Schuldenbremse“ führe dazu, dass der Klimawandel nicht bekämpft werden könne, da sie Investition verhindere. „Was wir brauchen, ist die ‚grüne Null‘ – keine Emissionen“, sagte Krainer: "Die ist mir wichtiger als die ‚schwarze Null‘, denn wer die ‚schwarze Null‘ hat und die „grüne Null" nicht, der hat nur noch schwarze Nullen“, so Krainer.

Finanzminister: „Augenmaß und Verantwortungsgefühl“

Finanzminister Eduard Müller mahnte eingangs „Augenmaß und Verantwortungsgefühl“ ein. „Die beste Einnahmequelle eines Staates ist seine Sparsamkeit“, sagte Müller. Eine „Schuldenbremse“ könne ein zentrales Steuerungselement sein. Ziel sei, für 2019 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, sagte Müller im Rahmen der Aktuellen Stunde zum Thema Nachhaltige Budgetpolitik. Der Weg dorthin führe über „zwei sehr einfach anmutende Elemente“, „erstens einen strikten Budgetvollzug im täglichen Verwaltungshandeln und zweitens über Verantwortungsgefühl und Augenmaß beim Beschluss von neuen Maßnahmen“, sagte er in Richtung der Abgeordneten.

Während die Steuerreform ins Budget eingepreist worden sei, sei das bei der Valorisierung der Pflegegelds etwa nicht der Fall. Er sehe es als seine Aufgabe als Finanzminister, „im Sinne eines Budgetwächters“ darauf hinzuweisen, versuche diese Verantwortung aber nicht wertend wahrzunehmen. Er wiederholte sein Angebot, die zur Diskussion stehenden Maßnahmen einer Folgekostenabschätzung zu unterziehen.

Weitere Punkte auf Agenda

Auf der Agenda im Nationalrat stehen am Dienstag noch einige Punkte. Neben der Valorisierung des Pflegegeldes und dem Rauchverbot in der Gastronomie geht es auch noch um das Verbot von Plastiksackerln im Handel. Zusätzlich wird auf Antrag der SPÖ über ein Totalverbot des Pflanzenschutzmittels Glyphosat abgestimmt. Die FPÖ gab bekannt, dass sie diesem zustimmen werde.

Auch ein Antrag auf ein Verbot der Privatisierung im Bereich der Wasserversorgung wurde gestellt, das Verbot soll in die Verfassung geschrieben werden. Anlass der Gesetzesinitiative war, dass der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im „Ibiza-Video“ über eine Wasserprivatisierung gesprochen hatte. Konkret lautet die Formulierung: „Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zur Wasserversorgung als Teil der Daseinsvorsorge und zu ihrer Verantwortung für die Sicherung deren Erbringung und Qualität, insbesondere dazu, das öffentliche Eigentum an der Trinkwasserversorgung und die Verfügungsgewalt darüber im Interesse von Wohl und Gesundheit der Bevölkerung in öffentlicher Hand zu erhalten.“