Vegane Burger
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Gewissensbisse vom Veggie-Burger

Laue Sommerabende laden dazu ein, gemeinsam mit Freunden und Familie den Grill anzuwerfen. Wer zusammen mit Vegetarierinnen und Vegetariern grillt, muss mittlerweile aber genau hinschauen. Denn sie legen ihre Seitan-Grillwürste, Tofuschnitzel und Sojaburger auf den Rost – oft im Glauben, sich und der Welt damit etwas Gutes zu tun und so das eigene Gewissen zu beruhigen. Doch ganz so einfach ist das nicht, meinen Experten.

Beyond Meat, ein US-Lebensmittelunternehmen, das für seine veganen Burger bekannt ist, hat kürzlich einen fulminanten Börsenstart hingelegt – und ist mit einem großen Versprechen angetreten: Weniger Fleisch werde dabei helfen, „menschlicher Gesundheit, Klimawandel, Ressourcenerhalt und Tierwohl“ zu begegnen, prophezeite das Unternehmen.

Doch das sehen nicht alle so. Konsumentenschützer und Konsumentenschützerinnen äußerten kurz nach dem Börsengang harsche Kritik an den Zutaten des Beyond-Meat-Burgers: In den pflanzenbasierten Fleischlaibchen sollen sich gesundheitsschädliche Chemikalien befinden. Die Aktie brach laut dem Finanznachrichtensender CNBC daraufhin um sieben Prozent ein.

Bedenkliche Inhaltsstoffe, lange Zutatenliste

Neu ist die Kritik an pflanzlichen Fleischalternativen allerdings nicht. Bereits 2016 gab es einen großen Aufschrei wegen bedenklicher Mineralölrückstände in veganen Ersatzprodukten, die von der europäischen Lebensmittelaufsicht EFSA als potenziell besorgniserregend eingestuft wurden. Hersteller dementierten und meinten, dass es sich lediglich um ungefährliches Paraffin handeln würde.

Die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) schrieb damals von einem „mulmigen Gefühl“, das schon ohne die Mineralölrückstände „allein durch einen Blick auf die Zutatenliste“ der Fleischersatzprodukte entstehen würde: Manches Kunstschnitzel benötige „mindestens drei Verdickungsmittel, um auch nur im Ansatz jene Form zu gewinnen, die ein natürlicher Muskellappen bisweilen noch zwischen den Zähnen bewahren kann“.

Junge Menschen beim Grillen
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Kamen früher für Vegetarier nur Grillgemüse und Ofenkartoffel auf den Teller, gibt es jetzt viele Fleischersatzprodukte

Tofu, Tempeh und Seitan als gesündere Alternative

Dazu kämen Aromen, Gewürze, Farbstoffe, Säureregulatoren, Zucker, teils extreme Dosen Salz und „nicht zu vergessen die zuweilen zugesetzten Mengen Glutamat, die als Hefe- oder Pilzextrakte getarnt wenigstens einen Anflug der rustikalen Geschmacksnote von Braten oder Grillfleisch vermitteln sollen“, schrieb die „SZ“.

Dass gerade beim Salz Veggie-Würstel-Hersteller oft zu tief in den Topf greifen, bestätigte vergangenen Sommer auch die Arbeiterkammer (AK) Oberösterreich. Zehn der elf getesteten Veggie-Würstel wiesen enorm hohe Salzmengen auf – mehr dazu in help.ORF.at. Grundsätzlich sei Fleischersatz auf Soja- und Getreidebasis aber eine gute Eiweißquelle. Die AK riet allerdings zu Biofleischersatz und weniger stark verarbeiteten Produkten wie Tofu, Tempeh und Seitan.

Auch die Fernsehköchin und Neo-EU-Politikerin Sarah Wiener (56) kann mit Fleischersatzprodukten nicht viel anfangen. Diese Nahrungsmittel seien in Fabriken und Labors so stark manipuliert, dass es unmöglich sei, sie selbst zu Hause nachzukochen, sagte Wiener der dpa Anfang Juni im Europaparlament in Straßburg: „Und alles, was ich nicht nachkochen kann, lehne ich ab.“

Ein veganer Burger
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Täuschend echt: ein veganes Burgerlaibchen. Doch stellt es wirklich die gesunde Alternative für Mensch und Umwelt dar?

„Über Sinnhaftigkeit kann man lange diskutieren“

Konrad Domig von der Wiener Universität für Bodenkultur plädiert jedoch für eine differenzierte Betrachtungsweise, da im Endeffekt die ganze Lebensmittelverarbeitung und –zubereitung aus Prozessen bestehe, „wo Strukturen zerstört, verändert und wieder aufgebaut werden“. Industriell verarbeitete Lebensmittel seien nicht per se schlechter als „natürliche“, sagte der Lebensmittelmikrobiologe im Gespräch mit ORF.at.

Er sehe aber eine Gefahr darin, wenn Produkte versuchten, andere zu imitieren. Die Konsumenten und Konsumentinnen würden es automatisch mit dem Original vergleichen und nicht als eigenständiges Produkt wahrnehmen.

„Man versucht über entsprechende Gewürzmischungen die Fleischkomponente möglichst originalgetreu nachzuahmen. Über die Sinnhaftigkeit solcher Produkte kann man lange diskutieren“, sagte Domig. Er stelle sich die Frage, warum man Fleisch überhaupt ersetzen müsse: „Ein Linsenaufstrich kann genauso gut als Eiweißalternative gesehen werden. Warum brauche ich ein künstlich gezüchtetes blutendes Steak?“

„Täuschung der Konsumenten“

Viele Unternehmen, die pflanzenbasiertes Fleisch herstellen, würden allerdings versuchen, sich als gesunde Alternative zu positionieren, bemängelte etwa der US-amerikanische Lebensmitteltechnologe Jack Bobo gegenüber dem Onlinemagazin Quartz. Die Konsumenten und Konsumentinnen würden im Glauben gelassen, ein „Naturprodukt“ zu kaufen, obwohl es sich dabei um ein stark industriell verarbeitetes Lebensmittel handle, so Bobo.

Wiener warnte hingegen: Die Produkte mit dem Werbeslogan der „Rettung der Welt“ zu verkaufen sei gefährlich: „Wir sind Teil der Natur und sollten natürlich essen.“ Die Fleischalternativen auf pflanzlicher Basis seien nur eine angebliche Lösung eines sehr komplexen Problems, so Wiener, die im Mai für die österreichischen Grünen ins EU-Parlament gewählt wurde.

Anders sieht das Beyond Meat. Das Unternehmen verwies auf eine Umfrage des Internetportals Vegan.eu, laut der Fleischersatz ohnehin nicht als ein Gesundheitsprodukt wahrgenommen wird: Während 41 Prozent der Veganer und 49 Prozent der Vegetarier davon ausgingen, dass der Burger „gut für die Gesundheit“ ist, waren es bei den Fleischessern mit sehr hohem Konsum nur sieben Prozent.

Fleischverzicht für den Klimaschutz

Gänzlich anders wurde jedoch die Frage nach dem Umweltschutz beantwortet. 89 Prozent der Veganer, 81 Prozent der Vegetarier und sogar 19 Prozent der Fleischesser mit sehr hohem Konsum waren davon überzeugt, dass Fleischersatz für die Umwelt die bessere Alternative sei.

Ökobilanz von Fleisch

Die Ökobilanz bei Fleisch ist abhängig von Tierart, Futtermittel und Haltungsform. Rindfleisch etwa verbraucht mehr Ressourcen als Hühnerfleisch.

Unbestritten ist, dass Fleisch keine gute Ökobilanz aufweist. Laut Greenpeace gehört die weltweite Tierhaltung mit rund 20 Prozent der Treibhausgasemissionen zu den wichtigsten Verursachern der globalen Erwärmung. Dafür verantwortlich ist vor allem der Methangasausstoß der Tiere bei der Verdauung. Zwar besteht Methan deutlich kürzer in der Erdatmosphäre als CO2, bindet jedoch 28-mal mehr Hitze und erwärmt die Atmosphäre daher um ein Vielfaches stärker.

Gerodeter Regenwald in Brasilien
Reuters/Paulo Whitaker
Regenwälder werden für Weideflächen und den Anbau von Soja als Futtermittel gerodet

Rodung der Regenwälder für Futtermittel

Zusätzlich müssen für das Klima wertvolle Regenwälder für Weidefläche und den Anbau von Soja als Futtermittel für die Tiere gerodet werden. Ungefähr 80 Prozent des importierten Sojas werden laut Angaben des WWF mittlerweile weltweit als Viehfutter verwendet. Dem Verein Soja aus Österreich zufolge kommen auf eine Portion Rindfleisch 14 Portionen Tofu.

Wer sich ausgewogen und fleischreduziert ernährt, erspart dem Weltklima daher laut Greenpeace rund 400 Kilogramm CO2 im Jahr. Doch auch hier gilt es, einiges zu beachten: Greift man etwa auf Fleischersatz zurück, der mit Soja aus Monokulturen aus Brasilien hergestellt wird, verschlechtert sich die CO2-Bilanz dementsprechend.

Wie nachhaltig Fleischersatzprodukte nun wirklich sind, lässt sich Domig zufolge „nur schwer“ sagen, da verschiedene Faktoren miteinbezogen werden müssten: „Was wird hergestellt, wo kommen die Rohstoffe her, welche Energiequellen werden eingesetzt, wie bodenschonend wird angebaut, wie viel Wasser wird verbraucht – all das muss bei den Berechnungen beachtet werden“, so Domig, der selbst zu einem EU-Projekt forschte, das zum Ziel hatte, Fleischersatz nach regionalen und umfassenden nachhaltigen Kriterien zu erzeugen.

Fleischersatz trotzdem „nachhaltiger“

In Summe sei, so zeigt sich Domig überzeugt, aber anzunehmen, dass der ökologische Fußabdruck bei pflanzlichen Eiweißalternativen kleiner ist – vor allem, was den Ressourcenverbrauch betreffe. Er hoffe daher, dass Tofu, Tempeh und Co. kein vorübergehender Hype bleiben. „Wir haben zunehmend eine Konkurrenz zwischen Futter- und Nahrungsmittelproduktion. Der Fleischkonsum bremst sich bei uns in Europa zwar ein, aber durch das starke Bevölkerungswachstum kommt es zu einem enormen Anstieg“, so Domig.

Die einzige globale Lösung hieße deshalb weniger Fleisch: „Unsere Großeltern haben ein- bis zweimal in der Woche ein Fleischprodukt auf dem Teller gehabt, da müssen wir wieder hin“, sagte Domig. Man müsse eben mit seinen Gewohnheiten und Verhaltensweisen brechen – er gesteht aber gleichzeitig ein: „Der Mensch lässt sich nicht gerne belehren.“