Traktor auf einem Feld
ORF.at/Christian Öser
Erstes Land in EU

Nationalrat stimmt für Glyphosatverbot

Ob Rauchverbot in der Gastronomie, Anhebung der Mindestpensionen, Rechtsanspruch auf den Papamonat oder das Plastiksackerlverbot: Der Nationalrat ist am Dienstag von Beschluss zu Beschluss geeilt. Eine Mehrheit fand sich am Nachmittag schließlich auch für ein Glyphosatverbot. Österreich verbietet damit als erstes Land der EU den Einsatz des Unkrautvernichters.

Die ÖVP sprach von einem „Schlag ins Gesicht der Bauern, die den Wirkstoff sachgerecht anwenden“. Für den von der SPÖ eingebrachten Antrag stimmten indes auch die NEOS-Abgeordneten, obwohl diese davon ausgehen, dass das Verbot europarechtlich nicht hält. Davon geht auch Bauernbund-Obmann Georg Strasser aus, der in diesem Zusammenhang den Nationalratsbeschluss auch als „Wählertäuschung“ kritisierte.

Die ÖVP hatte es zuvor noch mit einem Gegenantrag versucht, der Glyphosat für private Anwendungen sowie auf öffentlichen Flächen untersagt hätte. Das Zünglein an der Waage war schließlich die FPÖ, die bei der Befristung sowohl für die SPÖ- als auch für die ÖVP-Vorlage gestimmt hatte.

„Historischer Beschluss“

FPÖ-Mandatar Walter Rauch stellte nun klar, dass seine Fraktion immer für ein Glyphosatverbot gewesen sei. Einfordern werde man aber eine Kennzeichnungspflicht in Sachen Glyphosat für importierte Produkte, um Nachteile für die heimische Landwirtschaft abzufedern. Weitere Ausgleichsmaßnahmen sollen folgen. Kritik am Glyphosatverbot kommt indes von Niederösterreichs FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl – mehr dazu in noe.ORF.at.

Monsanto-Bestseller

Der Wirkstoff Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Er wurde von der heutigen Bayer-Tochter Monsanto als Herbizid auf den Markt gebracht. In Nordamerika wurde das Mittel seit den 1970er Jahren unter dem Markennamen Roundup vertrieben. Seit Auslaufen des Patentschutzes wird Glyphosat auch in den Mitteln zahlreicher anderer Anbieter eingesetzt.

Seitens JETZT hielt der geschäftsführende Klubobmann Wolfgang Zinggl in Sachen Glyphosat fest: „Es ist einfach ein Gift, ein gefährliches Gift und charakteristisch für altes Denken in der Landwirtschaft.“ Dass man den Boden vergifte, um konkurrenzfähig zu bleiben – das könne es nicht sein.

Von einem „historischen Beschluss“ sprach SPÖ-Agrarsprecher Erwin Preiner. Es gebe zu Glyphosat genügend Alternativen, die weder für den Menschen noch für Tiere giftig seien. Dass eine Studie der Universität für Bodenkultur ergeben hat, dass ein Totalverbot nicht mit EU-Recht vereinbar sei, focht Preiner nicht an. Die gemeinsam mit der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) durchgeführte Studie sei allerdings sehr oberflächlich gehalten gewesen.

Bayer bedauert Verbot

Der Bayer-Konzern nahm das Glyphosatverbot mit Bedauern zur Kenntnis. Man gehe aber davon aus, dass der Beschluss „von der EU-Kommission kritisch hinterfragt und rechtlich angefochten“ werde, hieß es in der Stellungnahme des Konzerns Dienstagabend.

„Die Entscheidung des österreichischen Nationalrats steht im Widerspruch zu umfangreichen wissenschaftlichen Ergebnissen zu Glyphosat“, hieß es vonseiten des deutschen Chemiekonzerns in Leverkusen. Darüber hinaus ignoriere der Beschluss die Bedürfnisse und die professionelle Arbeit der österreichischen Landwirte. Der Bayer-Konzern sieht sich in den USA mit einer Klagewelle wegen möglicher Gesundheitsschäden durch Glyphosat konfrontiert. Seit Auslaufen des Patentschutzes wird Glyphosat auch in den Mitteln zahlreicher anderer Anbieter eingesetzt.

Rauchverbot ab 1. November in Kraft

Nach einer wechselvollen parlamentarischen Geschichte ist seit Dienstagvormittag indes das generelle Rauchverbot in der Gastronomie eine mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, SPÖ, NEOS und JETZT beschlossene Sache.

Eigentlich hätte das Rauchverbot schon seit 1. Mai des Vorjahres gelten sollen. ÖVP und FPÖ kippten es aber kurz vor dem Inkrafttreten wieder. Nun – nach dem Scheitern ihrer Koalition – wird es mit 1. November 2019 wieder eingeführt, auch für Shishas und E-Zigaretten. Die FPÖ stimmte als einzige Partei gegen den Antrag und warnte vor einer Belastung der Wirte. Abgeordneter Peter Wurm sieht seine Partei als das „kleine gallische Dorf“ im Kampf gegen das Rauchverbot.

„Meilenstein für Familienpolitik“

Während des Beschlussreigens im Nationalrat ist am Dienstag auch eine Mehrheit für den Papamonat zustande gekommen. Väter haben nun Anspruch, sich freistellen zu lassen. Der Antrag zum Papamonat kam von der SPÖ und wurde von FPÖ und JETZT unterstützt.

Der Wunsch nach einem solchen Monat ist dem Arbeitgeber drei Monate im Voraus mitzuteilen. Innerhalb des Zeitrahmens zwischen Geburt des Kindes und dem Ende des Beschäftigungsverbots der Mutter (acht Wochen nach der Geburt) kann der Vater den Antrittszeitpunkt der Freistellung frei wählen.

Kritik wegen Mangels an Flexibilität

Keine Unterstützung für den SPÖ-Antrag gab es von ÖVP und NEOS. Die Väterbeteiligung sei ihr extrem wichtig, versicherte ÖVP-Abgeordnete Juliane Bogner-Strauß. Allerdings sei der Antrag der SPÖ wenig durchdacht und biete Familien kaum Flexibilität, begründete sie ihre Ablehnung. Auch NEOS-Mandatar Gerald Loacker kritisierte die seiner Meinung nach fehlende Flexibilität beim SPÖ-Vorschlag.

Einstimmig wurde dagegen eine finanzielle Änderung beim Kindergeld beschlossen. So wird die Zuverdienstgrenze mit 1. Jänner von 6.800 auf 7.300 Euro angehoben. Zudem wird eine Nachfrist für Selbstständige für den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes eingezogen. Zudem wird mittels eines eigenen Gesetzes bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ein mit rund einer Million dotierter „Jungfamilienfonds“ eingerichtet. Er soll Selbstständige unterstützen, die nur wegen eines Fristversäumnisses Kinderbetreuungsgeld zurückzahlen mussten.

Karenzzeiten werden voll angerechnet

Eine weitere Neuerung betrifft die Karenzzeiten: Diese werden bei Gehaltsvorrückungen künftig voll anerkannt. Der Beschluss erfolgte einstimmig. Allerdings wird das nicht rückwirkend gelten, was aus Sicht der ÖVP für die Betriebe „unfinanzierbar“ gewesen wäre, sondern ab August. Sowohl ÖVP als auch SPÖ reklamierten die Urheberschaft für den Beschluss für sich.

Für die Bemessung von Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsfristen werden derzeit maximal zehn Karenzmonate angerechnet. Künftig wird für alle Ansprüche, die sich nach der Dauer der Beschäftigung richten – also auch Gehaltsvorrückungen -–, die gesamte Karenzzeit in vollem Umfang berücksichtigt.

Lücke bei „Ehe für alle“ geschlossen

Einen weiteren Beschluss gab es bei der „Ehe für alle“: Einer entsprechenden Initiative von NEOS stimmten alle Fraktionen außer der FPÖ zu. Damit wird es nun auch möglich, Partnerinnen oder Partner zu ehelichen, in deren Heimatland es Gleichgeschlechtlichen nicht erlaubt ist, zu heiraten, etwa Ungarn oder Bosnien. Bisher konnten solche Paare nur eine eingetragene Partnerschaft eingehen.

Einstimmig angenommen wurde auch ein von der SPÖ vorangetriebener (unverbindlicher) Entschließungsantrag an die Regierung bezüglich eines Gesetzes, mit dem die Ausübung von Konversions- und „reparativen Therapieformen“ zur sexuellen Umorientierung an Minderjährigen verboten wird.

„Schuldenbremse“ soll in die Verfassung

Beschlossen wurde zudem ein Zuschuss für Pensionistinnen und Pensionisten mit langen Arbeitszeiten. Konkret wird festgelegt, dass man mit 40 Versicherungsjahren einen Bezug von 1.315 Euro brutto erhält, für Ehepaare sind 1.782 Euro vorgesehen.

Neben den Beschlüssen kamen auch noch Initiativen dazu, die erst im September wenige Tage vor der Wahl beschlossen werden sollen. Eine davon betrifft die „Schuldenbremse“, die ÖVP, FPÖ und NEOS in die Verfassung schreiben wollen. Das hat mehr symbolische Bedeutung, denn ein solcher Beschluss dürfte keine Rechtskraft erreichen, da die SPÖ ihn im Bundesrat blockieren kann. Festgelegt haben sich die Sozialdemokraten diesbezüglich noch nicht, doch vertraten sie eine eher ablehnende Haltung. ÖVP-Klubchef August Wöginger und Ex-Staatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) forderten die SPÖ zur Zustimmung auf, sei die „Schuldenbremse“ doch eine Frage des Hausverstands.

Verfassungsmehrheit für Wasserversorgung

Auch ein Antrag auf ein Verbot der Privatisierung im Bereich der Wasserversorgung wurde gestellt, das Verbot soll in die Verfassung geschrieben werden. Nach der Einigung von SPÖ, ÖVP und FPÖ im Verfassungsausschuss gab es auch im Nationalratsplenum mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit grünes Licht für die verfassungsrechtliche Absicherung der öffentlichen Wasserversorgung.

Anlass der Gesetzesinitiative war, dass der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im „Ibiza-Video“ über eine Wasserprivatisierung gesprochen hatte. Konkret lautet die Formulierung: „Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zur Wasserversorgung als Teil der Daseinsvorsorge und zu ihrer Verantwortung für die Sicherung deren Erbringung und Qualität, insbesondere dazu, das öffentliche Eigentum an der Trinkwasserversorgung und die Verfügungsgewalt darüber im Interesse von Wohl und Gesundheit der Bevölkerung in öffentlicher Hand zu erhalten.“

NR einstimmig für Plastiksackerlverbot

Auf dem Zeitplan des Parlaments standen am Dienstag noch etliche weitere Themen. Dazu zählen auch ein einstimmig beschlossenes Plastiksackerlverbot. Dieses soll an sich schon ab dem kommenden Jahr gelten – allerdings dürfen entsprechende Tragetaschen noch bis Ende 2020 abverkauft werden.

Ausgenommen sind zudem Sackerl, die biologisch vollständig abbaubar sind und aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Im Handel bleiben zudem ultradünne Knotenbeutel, die vor allem in Obst- und Gemüseabteilungen anzutreffen sind. Diese müssen allerdings aus überwiegend nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden und grundsätzlich für eine Eigenkompostierung geeignet sein.

Grünes Licht für Freiwilligen-Gesetzesinitiative

Ebenfalls einstimmig abgesegnet wurden indes Verbesserungen der Rahmenbedingungen für Freiwilligeneinsätze. Vorgesehen ist eine Rückvergütung für Unternehmer, die Helfer freistellen, sowie ein Rechtsanspruch auf Entgeltfortzahlung für die Helfer.

Der Nationalrat hat zudem neue Haftungsregelungen auf Almen festgelegt. Im Wesentlichen geht es darum, dass die Bauern auf anerkannte Standards der Tierhaltung zurückgreifen müssen, aber es wird auch ausdrücklich auf die vorauszusetzende Eigenverantwortung der Wanderer hingewiesen.

Letztlich handelt es sich um eine Anlassgesetzgebung infolge eines Urteils, das einem Tiroler Bauern hohe Geldsummen auferlegte, nachdem eine Wanderin von einer Kuh getötet worden war. SPÖ, NEOS und JETZT halten die jetzige Lösung für misslungen.

Grünes Licht für Pflegegeld-Valorisierung

Einstimmig abgesegnet wurde indes auch eine JETZT-Initiative zum Pflegegeld. Dieses wird somit ab kommendem Jahr valorisiert, und das in allen sieben Stufen. Die Anhebung soll sich am Pensionsanpassungsfaktor, der im Wesentlichen die Inflation abdeckt, orientieren. Das besondere am Beschluss: Das Pflegegeld soll ab sofort jährlich valorisiert werden.

Unter den am Dienstag abgehandelten Themen findet sich auch die Halbierung der Gerichtsgebühren in bestimmten Fällen. Das wird dann der Fall sein, wenn es in der ersten Verhandlung zu einem Vergleich kommt. Der entsprechenden Initiative von JETZT stimmten Dienstagabend im Nationalrat auch SPÖ und FPÖ zu. Ein Einwand kam nicht nur von der ÖVP, sondern auch von Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner. Er äußerte zwar Sympathien für den Antrag, nannte ihn aber nicht finanzierbar.

Letzter Gesetzesbeschluss an Tag eins des Parlamentskehraus war Dienstagabend eine Reform der Polytechnischen Schulen. Vorgesehen ist eine vierwöchige Orientierungsphase zu Beginn des Schuljahres, die den Schülern helfen soll, die für sie passenden alternativen Pflichtgegenstände zu wählen. Ebenfalls in der Novelle enthalten ist eine Änderung des Bildungsdokumentationsgesetzes. Dieses ermöglicht beispielsweise die Weitergabe von Daten zur Sprachförderung vom Kindergarten an die Volksschule. Die SPÖ stimmte gegen die Novelle.

Vier Parteien für „Klimanotstand“

Auch ein bisher nicht realisiertes Gesetz zur leichteren Erlangung der Staatsbürgerschaft für Nachfahren von NS-Opfern könnte noch vor der Wahl umgesetzt werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf der SPÖ erhielt zum Abschluss des Dienstag-Plenums einstimmig eine Fristsetzung, die einen Beschluss im September möglich machen würde.

Der Nationalrat will zudem die Regierung auffordern, den „Klimanotstand“ zu erklären. Ein entsprechender Entschließungsantrag wird von ÖVP, SPÖ, NEOS und JETZT unterstützt und könnte im Herbst beschlossen werden. Der Antrag ist das Ergebnis der Gespräche der Parlamentsparteien mit Vertretern der „Fridays for Future“-Bewegung.