Nationalratssitzung
ORF.at/Roland Winkler
Nationalrat

Reform der Parteienförderung beschlossen

Der Nationalrat hat mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und JETZT die Reform der Parteienförderung beschlossen. Sie verbietet im wesentlichen Großspenden, belohnt eine starke Repräsentanz von Frauen im Parlamentsklub und erhöht die Strafen bei Verpassen der Wahlkampfkostenobergrenze empfindlich.

Abgelehnt wurde hingegen die Initiative der Volkspartei, kurz vor Wahlen keine budgetrelevanten Gesetze zu beschließen. Das neue Gesetz zur Parteienfinanzierung soll nach Angaben der Parlamentskorrespondenz unterdessen bereits für den bevorstehenen Nationalratswahlkampf gelten. Darüber werde am Donnerstag laut Parlament im Bundesrat beraten.

Kernpunkt der Novelle ist eine doppelte Obergrenze für Parteispenden. Demnach soll künftig kein Spender mehr als 7.500 Euro jährlich zahlen und keine Partei pro Jahr mehr als 750.000 Euro einnehmen. Erschwert wird das Stückeln von Parteispenden, denn Zuwendungen über 2.500 Euro müssen künftig sofort dem Rechnungshof (RH) gemeldet und veröffentlicht werden.

Die Mindeststrafe bei Überschreiten der Wahlkampfkostenobergrenze liegt bei 15 Prozent und steigt dann gestaffelt: Wer die Kostengrenze um mehr als die Hälfte überzieht, zahlt eine Strafe von 150 Prozent dieses Überziehungsbetrages. Bei der Klubförderung gibt es einen Bonus, wenn mehr als 40 Prozent der Abgeordneten in der Fraktion Frauen sind.

Gültig bereits für jetzigen Wahlkampf

Höhere Spenden werden neuen Parteien zugestanden. Insgesamt dürfen nun Parteien für ihre erste Kandidatur 1,5 Mio. Euro an Spenden einnehmen. Das gilt jedoch nicht für die Grünen, die zwar aktuell nicht im Nationalrat sind, aber nicht zum ersten Mal antreten.

Für Parteispenden auf Gemeindeebene wurde eine Bagatellgrenze geschaffen, außerdem müssen Personenkomitees ihre Spenden offenlegen. Welche Personenkomitees eine Partei im Wahlkampf unterstützen, wird nicht nur registriert, sondern auch veröffentlicht. Bei „lokalpolitisch üblichen Veranstaltungen“ sollen künftig bis zu 100 Euro pro Person und Veranstaltung von der Spendenmeldepflicht ausgenommen sein. Gemeint sind damit Sommerfeste, Grätzlfeste und Weihnachtsstände. „Durch die absichtlich niedrig gewählte Grenze ist eine Einflussnahme auf politische Entscheidungen ausgeschlossen“, heißt es dazu in den Erläuterungen.

Regeln auch für Personenkomitees

Außerdem werden die im ursprünglichen Antrag lückenhaften Regeln für Personenkomitees ergänzt. Diese müssen nun – wie die Partei und parteinahe Organisationen – ihre Einnahmen aus Spenden offenlegen, und zwar im Rechenschaftsbericht der jeweiligen Partei. Außerdem gilt die Spendenobergrenze von 7.500 Euro auch für Zuwendungen an Personenkomitees.

Was der Reform fehlt, sind die oft verlangten Einsichtsrechte des Rechnungshofs (RH) in die Parteifinanzen. Die neuen Regeln gelten schon für den jetzigen Nationalratswahlkampf. Die Deckelung von Parteispenden trifft vor allem ÖVP und NEOS. Das zeigen die bisher bekannten Zahlen für das Wahljahr 2017. Die ÖVP hätte im Extremfall auf fast 3,7 Mio. Euro verzichten müssen, NEOS auf 550.000 Euro. Im Jahr davor wäre laut ihrem Rechenschaftsbericht aber auch die SPÖ über der Höchstgrenze von 750.000 Euro gelegen.

Schlagabtausch über Parteienfinanzen

SPÖ, FPÖ und JETZT setzen sich für strengere Regeln für Großspenden ein, wollen die Parteifinanzen jedoch nicht vom Rechnungshof prüfen lassen. Das kritisierten ÖVP und NEOS scharf.

Kritik von NEOS und ÖVP

Eigentlicher Anlass, die Regeln für Parteifinanzen zu überdenken, war der „Ibiza-Skandal“. Der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte auf Videoaufnahmen gesagt, wie man am Rechnungshof vorbei den Freiheitlichen spenden könnte. Nun kritisieren ÖVP und NEOS, dass auch nach der Gesetzesänderung solche Konstellationen möglich sind: „Die Ibiza-Video-Option bleibt bestehen“, so etwa NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger.

Nach Meinung von ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer ist die ohnehin einzige Motivation der Novelle, seiner Partei und speziell Ex-Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz zu schaden. Es gebe bei SPÖ und FPÖ den destruktiven Grundsatz „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“. Totalitäre Regime seien es, die Spenden abschafften.

SPÖ und FPÖ kontern

Seitens der SPÖ antwortete der Abgeordnete Peter Wittmann, dass die ÖVP dafür verantwortlich sei, dass man das Parteiengesetz verschärfen müsse. Denn sie habe die Wahlkampfobergrenze um sechs Millionen überzogen und eine Million an Spenden verschwiegen. Überhaupt handle es sich um einen ideologischen Unterschied. ÖVP und NEOS wollten eben Spenden mit dem Ergebnis, dass die Politik abhängig werde von wenigen, die es sich leisten könnten.

Es bestehe die Gefahr der „Anfütterung von Parteien“, begründete FPÖ-Klubobmann Norbert Hofer, wieso seine Fraktion auf eine Einschränkung der Großspenden gedrängt habe. Er glaube, es sei der falsche Weg, wenn eine Partei wie NEOS vor allem von einem Bauunternehmer finanziert werde. Dass der Rechnungshof nicht mehr Kontrollrechte erhält, begründete FPÖ-Mandatar Harald Stefan damit, dass dieser ein Hilfsorgan des Parlaments sei und dabei die Verwaltung öffentlicher Gelder zu prüfen habe. Spenden seien aber keine öffentlichen Gelder.

JETZT sieht „essenzielle Verbesserungen“

Das wollte Nehammer so nicht sehen. Dass man in die Vereine von SPÖ und FPÖ gar nicht hineinschauen könne, schade der Transparenz und damit auch den Wählern, so Nehammer. Alle Parteien sollten wie NEOS ihre Spenden 365 Tage im Jahr online stellen, forderte wiederum Meinl-Reisinger: „Transparenz ist das beste Desinfektionsmittel gegen Korruption.“

Die Aufregung von ÖVP und NEOS verstand der geschäftsführende JETZT-Klubchef Wolfgang Zinggl nicht. Schließlich gebe es essenzielle Verbesserungen, etwa eine Wahlkampfkostenobergrenze, die angesichts der hohen Sanktionsdrohungen wohl kaum noch überschritten werde. Er hätte sich mehr vorstellen können, etwa dass der Rechnungshof Einsicht in die Bücher nehmen darf. Das wäre auch die Idee von Ex-RH-Präsident und Ex-ÖVP-Justizminister Josef Moser gewesen. Er sprach von einem Transparenzvermeidungsantrag.

Kein Airbnb mehr im gemeinnützigen Wohnbau

Für den gemeinnützigen Wohnbau gibt es neue Regeln. Entsprechende gesetzliche Bestimmungen wurden mit den Stimmen von ÖVP, Freiheitlichen und NEOS getroffen. Unter anderem können Genossenschaftswohnungen früher, nämlich schon nach fünf Jahren, erworben werden. Bisher musste man zehn Jahre warten. Wie VP-Wohnbausprecher Johann Singer betonte, wird aber Weiterverkäufen bzw. Vermietungen ein Riegel vorgeschoben. Wer innerhalb von 15 Jahren das Objekt veräußert, muss den Gewinn zurückzahlen. Bei Vermietungen wiederum besteht ein streng limitierter Mietzins.

Auch gewerbliche Vermietungen (z. B. durch Airbnb) werden mit der Novelle untersagt, was etwa Zinggl als eine der wenigen Verbesserungen anerkannte. Ferner wird in der Novelle festgehalten, dass der von Gemeinnützigen errichtete Wohnraum in erster Linie zur Wohnversorgung österreichischer Staatsbürger und diesen Gleichgestellten gewidmet ist. Vehement gegen die Gesetzesänderung lief vor allem die SPÖ Sturm.

Änderungen im Beamtendienstrecht

Der Nationalrat beschloss am Mittwoch mit breiter Mehrheit eine Beamtendienstrechtsnovelle. Sie bringt ab 1. Juli 2020 eine zentrale Disziplinarkommission anstelle der verschiedenen Kommissionen in den einzelnen Ressorts. Änderungen gab es auch bei der Anrechnung von Vordienstzeiten öffentlich Bediensteter.

Aktuell bestehen etwa 30 Disziplinarkommissionen mit weit über 100 dreiköpfigen Disziplinarsenaten. Die neue Behörde wird im Beamtenministerium angesiedelt sein und in Dreiersenaten entscheiden. Ausgenommen werden Beamte der Parlamentsdirektion, des Rechnungshofs und der Volksanwaltschaft, sie bekommen eine eigene Disziplinarkommission.

Maßnahmen gegen Führerscheinschummler

Der Nationalrat beschloss Mittwochnachmittag auch neue Regeln für die Aktienmärkte. Die entsprechende Änderung des Börsegesetzes wurde mit großer Mehrheit gegen JETZT verabschiedet. Die Novelle ermöglicht es Gesellschaften, ihre Aktionäre künftig zu identifizieren („Know your Shareholder“) und ihre Daten durch Intermediäre (Wertpapierfirmen, Kreditinstitute oder Zentralverwahrer) übermittelt zu bekommen, sofern diese mindestens 0,5 Prozent der Aktien oder Stimmrechte halten.

Mit zwei einstimmig verabschiedeten Gesetzesnovellen wurden auch Verschärfungen gegen Führerscheinschummler und Rettungsgassenfahrer beschlossen. Gegen das Betrügen mit technischen Hilfsmitteln bei theoretischen Fahrprüfungen wird mittels Änderung des Führerscheingesetzes vorgegangen. Führerscheinbewerber, deren Prüfung wegen solcher Verstöße nicht gewertet werden konnte, werden künftig für neun Monate für den nächsten Antritt gesperrt.

Für mehrspurige Fahrzeuge ist das Befahren der Rettungsgasse künftig ein Vormerkdelikt. Bei einspurigen Fahrzeugen gilt das erst dann, wenn dadurch eine Behinderung von Einsatzfahrzeugen und Rettungskräften entsteht. Zusätzlich wurden die Behörden ermächtigt, ein Rechtsabbiegeverbot für Lkws über 7,5 Tonnen, die über kein Abbiegeassistenzsystem verfügen, nicht nur an einzelnen gefährlichen Kreuzungen, sondern in größeren Bereichen zu verordnen.

Grünes Licht auch für „Lex Uber“

Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Teilen von JETZT hat der Nationalrat schließlich auch die Zusammenlegung von Taxi- und Mietwagengewerbe beschlossen. Ab September 2020 gibt es nur noch ein einheitliches „Personenbeförderungsgewerbe mit Pkw“. Eckpunkte der Reform sind einheitliche Tarife für Taxis und Mietwagen und ein verpflichtender Taxischein für alle.

Derzeit bestehen deutliche Unterschiede: Im Taxigewerbe gibt es fixe Preise mit Fahrpreisanzeiger (Taxameter), bei Mietwagen kann der Preis derzeit noch frei vereinbart werden. Mietwagenfirmen können damit deutlich niedrigere Preise anbieten als Taxis. Der US-Fahrdienstanbieter Uber arbeitet in Österreich mit Mietwagenfirmen zusammen und schließt nun einen Komplettrückzug aus Österreich im kommenden Jahr nicht aus.

Mit ÖVP/FPÖ-Stimmen gegen Sexualkundevereine

Der Nationalrat hat dann mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ zudem an die Unterrichtsministerin plädiert, externe Vereine ganz aus dem Sexualkundeunterricht zu verbannen. Ein SPÖ-Antrag, externe Anbieter und Beratungsstellen eingehend zu prüfen und zu akkreditieren, bevor sie zum sexualpädagogischen Schulunterricht zugelassen werden, scheiterte hingegen.

Die Kritik von SPÖ und NEOS an diesem „Quatsch“ (Zitat von SPÖ-Mandatar Philip Kucher, Anm.) und auch der Hinweis auf das Plädoyer aus den Ländern, den externen Sexualkundeunterricht aufrechtzuerhalten, änderte nichts daran. Auch ein Rückverweisungsantrag an den Ausschuss blieb in der Minderheit.

JETZT-Mandatarin Stephanie Cox versuchte es sogar mit einem Aufklärungsquiz samt Klitoris-Schautafel, konnte ÖVP und FPÖ aber nicht zu einer Meinungsänderung bewegen. Anlass für den Beschluss sind die Turbulenzen um den christlichen Verein TeenSTAR.

Fristsetzungen zum Abschluss

Mit der Abstimmung über insgesamt 32 Fristsetzungsanträge ist am Mittwoch die letzte Plenarwoche des Nationalrats vor der Sommerpause zu Ende gegangen. Rund ein Drittel davon war erfolgreich: Die entsprechenden Materien müssen damit noch vor der letzten Nationalratssitzung am 25. September, also vier Tage vor der Wahl, in den Ausschüssen behandelt und plenarreif gemacht werden.

Den Weg in den Nationalrat wird somit etwa ein unverbindlicher Entschließungsantrag von ÖVP, SPÖ, NEOS und JETZT finden, in dem die Bundesregierung aufgerufen wird, den Klimanotstand auszurufen. Befassen muss sich das Plenum zudem unter anderem mit Initiativanträgen nach Blutspendeerleichterungen, Verlängerung der Aktion 20.000, Ökostromförderung, nach Doppelstaatsbürgerschaft-Erleichterungen für Nachfahren von NS-Opfern und für die Trennung der Straflegistiksektion von jener für Weisungen im Justizministerium.